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Blog

Besonderheiten aus München und Oberbayern

Seit 31 Jahren lebe ich nun schon in und um München und Oberbayern...



Vorwort zu meinem Blog-Bereich „Brauchtum, Feste, Märkte und Besonderheiten in München und Bayern“

Seit 31 Jahren lebe ich nun schon in und um München und Oberbayern – ursprünglich komme ich aus dem Frankenland – und kann immer noch nicht sagen, dass ich München und das, was sich darin und darum so alles tut, wie meine Westentasche kenne. Zum einen verschlägt es mich immer wieder in neue Münchner Stadtteile, Orte in Oberbayern oder auch im Frankenland, an denen ich noch nicht war, weil sie vorher irgendwie nicht in mein Bewusstsein gerückt sind. Zum anderen gab und gibt es in München und ganz Bayern Bräuche, Feste, Märkte und Besonderheiten, und diese sind entweder

  • uralt und waren schon immer da,
  • uralt, wurden aber erst in unserer Zeit wieder neu zum Leben erweckt oder
  • Im Lauf der Jahre und Jahrzehnte neu und auf sehr originelle Weise dazugekommen.
Von solchen „Phänomenen“ im weitesten Sinn möchte ich in diesem Bereich erzählen und würde mich freuen, wenn auch Ihr dazu etwas zu erzählen hättet.


23.11.2025 - 40 Jahre Gasteig - Ein Jubiläum im Gasteig HP8
Seit dem Sommerfest "Wolke 8" im Juni 2023 war ich nicht mehr im Gasteig HP8 gewesen, und nun bot sich mir die Zeit und Gelegenheit, mich an dem angekündigten Mittwoch im November dort einmal mehr bewusst umzusehen. Das erste, was mir ins Auge fiel, war, dass der Bereich zwischen der Straße und dem Campus mit seinen Gebäuden auf der tiefgelegten Ebene deutlich aufgeräumter und bereinigter wirkte als vor fast zweieinhalb Jahren, und dass er im wahren Sinn des Wortes erleuchtet war: Große Flutlichtscheinwerfer tauchten das gesamte Areal und auch die einzelnen Gebäude in ein strahlendes, fast gleißendes Licht. Wer vom Straßenniveau über die Rampe zum Campus-Gelände hinabsteigt, geht direkt auf den neu errichteten Saal X zu. Inzwischen ist er kein düsterer anthrazitgrauer Klotz mehr wie bei seiner Einweihung; das gesamte Gebäude wurde erweitert und ist nun in heller Sandstein-Optik gehalten. Doch da man leider nicht an ein paar Fenster mehr gedacht hat, ist es dennoch ein in sich geschlossener Quader geblieben.  Auch an der Außenansicht des Zentralgebäudes, der Halle E, hat sich nichts geändert. Nach wie vor hat man die rotbraunen Backstein- und die grauen Betonwände samt der hohen Laderampe gelassen, wie sie waren. Doch wenn man heute die Halle E durch den Haupteingang betritt, wirkt sie ganz anders als vor drei Jahren bei ihrer Einweihung! Über allem schwebt ein riesiger Stroboskop-Globus an der Decke, der vor Gold und Silber flirrt und die ganze Halle mit seinem Licht flutet. Nach wie vor sind Weiß, Blau und Gold die dominierenden Farben und Elemente, doch die umlaufenden Galerien werden jetzt von gemauerten und reinweiß getünchten Balustraden gestützt, über denen sich royalblau getönte Fensterfronten erheben, wo es vor drei Jahren noch schwarze Stahlgerüste und -geländer gegeben hatte. 


40 Jahre Gasteig - Ein Jubiläum im Gasteig HP8

 

Noch heute erledige ich meine Wocheneinkäufe hin und wieder im Motorama, so dass der alte Gasteig über der Isar meinem Bewusstsein nie ganz entschwunden ist; und als ich einmal mehr im Motorama-Untergeschoss unterwegs war, stieß ich auf Plakate an den Wänden, die verkündeten, dass es am 12. November von 17:00 bis 21:00 Uhr eine Geburtstagsfeier mit Live-Aktionen, Workshops, Musik und Torte gab: Der Gasteig feierte sein 40jähriges Jubiläum!

Als ich mich im alten Gasteig-Gebäude umsah, stellte ich fest, dass alle Veranstaltungen nur im HP8-Ausweichquartier an der Brudermühlstraße stattfinden sollten und das "Fat Cat"-Kollektiv sich an den Jubiläums-Feierlichkeiten gar nicht beteiligte, mit keinem Konzert, keinem Vortrag, keinem Workshop, nichts. Schon eigenartig, denn vor seiner Stilllegung im Jahr 2019 war der alte Gasteig über 34 Jahre hinweg ein existierender und funktionierender Kulturbetrieb gewesen!

Doch zu den Jubiläumsfeierlichkeiten im Gasteig HP8 waren alle Münchnerinnen und Münchner bei freiem Eintritt eingeladen, auch das Münchner Kammerorchester (MKO) würde sich daran beteiligen, und im Saal X sollte es eine Zusammenführung von Musik, Literatur und darstellender Kunst geben. 

Seit dem Sommerfest "Wolke 8" im Juni 2023 war ich nicht mehr im Gasteig HP8 gewesen, und nun bot sich mir die Zeit und Gelegenheit, mich an dem angekündigten Mittwoch im November dort einmal mehr bewusst umzusehen.

Das erste, was mir ins Auge fiel, war, dass der Bereich zwischen der Straße und dem Campus mit seinen Gebäuden auf der tiefgelegten Ebene deutlich aufgeräumter und bereinigter wirkte als vor fast zweieinhalb Jahren, und dass er im wahren Sinn des Wortes erleuchtet war: Große Flutlichtscheinwerfer tauchten das gesamte Areal und auch die einzelnen Gebäude in ein strahlendes, fast gleißendes Licht.

Wer vom Straßenniveau über die Rampe zum Campus-Gelände hinabsteigt, geht direkt auf den neu errichteten Saal X zu. Inzwischen ist er kein düsterer anthrazitgrauer Klotz mehr wie bei seiner Einweihung; das gesamte Gebäude wurde erweitert und ist nun in heller Sandstein-Optik gehalten. Doch da man leider nicht an ein paar Fenster mehr gedacht hat, ist es dennoch ein in sich geschlossener Quader geblieben. 

Auch an der Außenansicht des Zentralgebäudes, der Halle E, hat sich nichts geändert. Nach wie vor hat man die rotbraunen Backstein- und die grauen Betonwände samt der hohen Laderampe gelassen, wie sie waren.

Doch wenn man heute die Halle E durch den Haupteingang betritt, wirkt sie ganz anders als vor drei Jahren bei ihrer Einweihung! Über allem schwebt ein riesiger Stroboskop-Globus an der Decke, der vor Gold und Silber flirrt und die ganze Halle mit seinem Licht flutet. Nach wie vor sind Weiß, Blau und Gold die dominierenden Farben und Elemente, doch die umlaufenden Galerien werden jetzt von gemauerten und reinweiß getünchten Balustraden gestützt, über denen sich royalblau getönte Fensterfronten erheben, wo es vor drei Jahren noch schwarze Stahlgerüste und -geländer gegeben hatte. 

Sowohl die Stadtbibliothek zur Rechten als auch die Volkshochschule gegenüber zur Linken nimmt inzwischen drei stattliche Stockwerke ein, wobei es im Campus-Gelände noch einen sechsstöckigen Gebäudeblock gibt, der ebenfalls der VHS vorbehalten ist. 

Nur dass die Ausleihe und Rückgabe von Büchern in der neuen Bibliothek heute nur noch elektronisch vonstatten geht, es im Erdgeschoss keine Information und Anmeldung mehr gibt, an der Menschen von Menschen empfangen und bedient werden, und dass man nicht mehr direkt auf die weitläufigen lichten Bibliothekssäle voller Bücherregale blickt, lässt mich die alte Zentralbibliothek immer noch schmerzlich vermissen... 

Auch eine Caféteria gibt es wieder. Sie nimmt auf der rechten Seite gut zwei Drittel des Erdgeschosses ein, ist mit Speisen und Getränken gut bestückt und blitzt vor Ordnung und Sauberkeit. 

Als ich kurz nach 17:00 Uhr eintraf, stand auf dem Podium an der Stirnseite der Halle E ein Volksmusik-Ensemble, das mir vom "Wolke 8"-Sommerfest von 2023 bekannt vorkam, und brachte neugierigen und willigen Gästen zuerst die Anfänge des Schuhplattelns und danach einen Jodler bei, nicht einen mit dem schlagartigen Wechsel zwischen Brust-, Kehlkopf- und Kopfregister, der für Anfänger kaum zu schaffen ist, sondern einen sanften Andachtsjodler, der gesungen und getönt wird, aber mit Kehlkopfakrobatik nichts zu tun hat.

Zur linken Hand waren bereits die Brandschutztore zur Isarphilharmonie geöffnet, aber noch nicht die Flügeltüren aus schlichtem hellen Holz dahinter. Auch diese zusätzlichen Holztüren vor dem Saal hatte es beim Besuch des "Wolke 8"-Sommerfestes vor zweieinhalb Jahren noch nicht gegeben. 

Ich trat auf die Saalordner in Uniform zu, die vor den Toren Wache hielten, und fragte, ab wann man eintreten dürfe."Voraussichtlich ab 18:15", antwortete eine Dame in Uniform. "Aber Sie wissen auch: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!"
"Übrigens" fiel eine Kollegin von ihr ein, "um 18:00 Uhr wird hier im Erdgeschoss die Geburtstagstorte angeschnitten." 

Jetzt war es 17:20 Uhr,, so dass mir noch genügend Zeit blieb, um ins Obergeschoss hinauf zu gehen, wo Musiker der Münchner Philharmoniker kleine Soli spielen und für Fragen interessierter Gäste zur Verfügung stehen würden. 

Die rau und schmucklos gehaltene, von schwarzen Stahlgeländern gesäumte Betontreppe, der ich nun folgte, schien in meinen Augen eher zu einer Fertigungs- oder Lagerhalle zu führen als zu den Rängen eines Konzertsaals; und in dem schmalen, langgezogenen, ebenso rauen und schmucklosen Korridor wirkten die beiden Musiker, die einander an seinen Enden gegenüber standen, ein wenig einsam und verloren.

Doch mitteilsam waren beide, der hochgewachsene stattliche Herr am Kontrabass am rechten Ende des Ganges wie auch der kleine schmächtige mit seiner Violine am linken; und jeder widmete sich den Neugierigen, die zu ihnen heraufgekommen waren, mit einem freundlichen Lächeln. 

Vom Jazz und Swing kenne ich den Kontrabass hauptsächlich als gezupftes Rhythmus-Instrument; doch dieser Musiker der Münchner Philharmoniker strich mit einem Bogen über seine Saiten, so dass er sanft, samten und glutvoll wie ein Cello klang. Als ich den Bassisten fragte, ob es möglich sei, bestimmte Stücke, die dem Cello vorbehalten sind, auch auf dem Kontrabass zu spielen, bejahte er. Auf meine Frage, wer sein Lieblingskomponist sei, nannte er Gustav Mahler. Bei seiner Spielweise und dem Klang seines Instruments hätte ich eher auf Schumann oder Brahms getippt...

Eine andere Zuschauerin fragte ihn nach dem Alter und Wert seines Instruments. Dieser Kontrabass mit seinem dunkel, fast schwarz schimmernden Holz stammte aus dem 18. Jahrhundert und war gut € 250.000,-- wert; ein Eigentum der Münchner Philharmoniker, das gewiss sorgsam gehegt und bewacht wird. Auf meine Frage hin erklärte der Kontrabassist, dass es ähnlich aufwändig und kostspielig ist, sein Instrument zu transportieren wie bei einer Harfe, und obwohl ein Kontrabass nicht so zart und fein gebaut ist wie eine Harfe, verträgt auch sein Korpus und vertragen auch seine Saiten Transporte und Umzüge nicht gut.

Die Violine des Geigers am anderen Ende des Korridors hingegen war erst 40 Jahre alt - sie gehörte ihm seit seinem achten Lebensjahr -, und stammte aus New York. Anders als das Instrument seines Gegenübers ist sie leicht zu tragen und kann überall hin mitgenommen werden. 

Doch ganz gleich, wie "jung" oder "alt" es sein mag, teuer und kostbar ist jedes Instrument, das ein Orchestermusiker sein eigen nennt und mit dem er beinahe verwachsen ist, wenn er sein Leben lang als Berufsmusiker spielt und jeden Tag acht Stunden probt bzw. am Abend mit seinem Ensemble auftritt...

Genau in der Mitte des Korridors stand ein Klavier aus schwarzem Ebenholz, an dem um 18:15 Uhr ebenfalls ein Solist spielen und Auskunft geben sollte. Doch ich fürchte, sein Auftritt auf der Galerie der Isarphilharmonie ging ein wenig unter, denn um 18:00 Uhr tönte aus dem Erdgeschoss die Ankündigung über alle Ebenen der Halle hinweg: "Liebe Gäste, es ist soweit: Wir schneiden die Geburtstagstorte an! Wenn Sie sich bitte an der rechten Seite anstellen und dann mit der Torte auf der linken Seite weggehen würden..." Wenn ich mich rechtzeitig für das Münchner Kammerorchester anstellen wollte, um mir einen Platz auf der Bühne der Isarphilharmonie zu sichern, würde mein Zeitfenster für die Torte knapp werden! 

Als ich ins Erdgeschoss hinabstieg und an die Schlange zur Rechten aufschloss, reichte der Vorrat an Tellern und Servietten noch, doch Gabeln wurden bereits zur Mangelware. Immerhin rückte die Schlange erstaunlich rasch vorwärts, so dass ich gute Chancen auf mein Gratisstück hatte! Einen Teller und eine Serviette hatte ich bald in der Hand, und dann stand ich auch schon vor der Anrichte.

Im Urzustand hatte die Geburtstagstorte einen Umfang von über einem Quadratmeter eingenommen; doch keine Viertelstunde nach dem offiziellen Anschnitt sah sie aus, als sei ein Termitenheer über sie hergefallen. Gleichwohl balancierte ich nur eine Minute später mein Stück auf dem Teller!

Es war mit Himbeersirup und Puderzucker glasiert und mit einer weißen Wellenlinie aus Zuckerguss versehen, bestand aus drei Schichten Biskuit-Nussboden, und an der bayerischen Creme zwischen den Böden hatte die Konditorei nicht gespart. Kurz, sie sah professionell aus und versprach einen sündhaft-köstlichen Genuss! Leider waren die Gabeln inzwischen endgültig ausgegangen, so dass ich mir mit meiner Serviette zu helfen versuchte.

Das Konditor-Meisterwerk schmeckte ebenso köstlich wie es aussah. Nur: Wer schon einmal versucht hat, eine Cremetorte mit Hilfe einer Serviette zu essen, weiß, wofür und wozu man die Gabel erfunden hat... Immerhin habe ich mir mein Stück einverleibt, ohne auf meinem Beistelltisch oder meiner Kleidung für eine Schweinerei zu sorgen!

Kaum war ich meinen Teller auf der Anrichte der Caféteria losgeworden, war es auch schon Zeit, um sich für das Konzert des Münchner Kammerorchesters anzustellen; und um 18:20 Uhr stießen die Saalordner die Tore auf. Schon zum zweiten Mal marschierte ich mit den anderen Gästen durch das Parkett nach vorne zur Rampe und betrat nach Unterzeichnung des Haftungsausschlusses die Bühne der Isarphilharmonie.

An diesem Abend waren die Stühle für die Gäste nicht neben denen mit den Notenständern und den aufgeschlagenen Partituren platziert, sondern in drei Reihen hinter ihnen. Offenbar war es für die Musikerinnen und Musiker des MKO beim "Wolke 8"-Sommerfest doch ein wenig irritierend gewesen, auf einmal wildfremde Laien direkt neben sich sitzen zu haben, während sie auf ihre Noten und Musikerkollegen achtzugeben hatten...

Wenn es erlaubt wäre, würde ich klassische Musik gern immer auf diese Weise hören: auf dem hell erleuchteten Parkettboden mit seinen kreisrunden Segmenten, die nach den Erfordernissen eines Stückes angehoben oder gesenkt werden können, während ich von meinem Sitz aus die Bögen der Streicher über den Steg ihrer Instrumente eilen sehe und der Holzboden unter mir unter den Schallwellen der Töne leise vibriert. In Momenten wie diesen möchte ich nichts als dasitzen und mich in den Wohlklang der Streicher hüllen wie in ein weiches kostbares Tuch...

Leider ist der Zuschauerraum einschließlich der Ränge und der Decke unverändert kohlrabenschwarz, so dass ich immer noch an Kreuz, Gruft und Grabesluft denken muss, wenn ich den Blick zufällig einmal von den Instrumenten wende und nach oben und in die Runde richte...

Der Abend mit dem MKO begann mit der 1. Symphonie in C-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach, nach Friedemann der zweite begabte Musikersohn von Johann Sebastian Bach, der von Leipzig nach Hamburg wechselte und dort sowohl die Stücke seines Vaters als auch seine eigenen mit Erfolg aufführte.

C.P.E. Bach hat durchaus seinen eigenen Stil; frischer, anmutiger und zugleich gefühlvoller als der seines berühmten Vaters, dessen Kompositionen - vor allem seiner geistlichen Musik - nach meinem Empfinden etwas Herbes und Strenges innewohnt, das der klaren, unerbittlichen Logik seiner Harmonielehre folgt. Bei J.S. Bachs Sohn kann man die Figuren, Verneigungen und Compliments des Rokoko förmlich sehen, während er zugleich auf deutliche Kontraste in der Dynamik und den Wechsel zwischen rasch dahineilenden und bedächtig atmenden Passagen setzt.  

Es hilft, den Melodiebögen genauer zu folgen, wenn ein Experte wie Ulrich Habersetzer von BR Klassik die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf bestimmte Tempiwechsel, Einsätze und Dialoge der Streichergruppen lenkt und besondere Feinheiten der Komposition hervorhebt.

Auch - zumindest mir -, wenn ein junger Dirigent wie Xandi van Dijk sichtlich für die Musik und die Stücke brennt, die sein Orchester spielt, und die Gewohnheit hat, jede musikalische Phrase mit den Bewegungen seines ganzen Körpers und leisem, aber deutlich hörbarem Raunen und Flüstern wiederzugeben. Hat Xandi van Dijk seine Technik von Sir Simon Rattle übernommen? War er irgendwann bei ihm in einem Meisterkurs gewesen?

Nach dem Ausflug in die Generalbasszeit stand auch an diesem Abend ein modernes Stück eines lebenden zeitgenössischen Komponisten auf dem Programm, "Wald" von Enno Poppe. Einfach nur ein Wald? Wohl eher der verbotene Wald von Hogwarts in der Walpurgisnacht oder in den Rauhnächten!

Da waren Gnome, Kobolde und Trolle, die brummend und grummelnd durch das Unterholz polterten; Hexen, die Tränke brauten und über dem Kessel tuschelnd und kichernd ihre Zaubersprüche raunten; mittendrin das Gejaule und Geschrei zweier liebestoller Kater, die einander im Streit um eine Favoritin in die Wolle gerieten; und zwischendurch das Jammern und Wimmern unerlöster Seelen... Kurz, ein Wald, dessen Lauten man in einem Konzertsaal aufmerksam und gespannt lauscht, in dem man aber nicht um Mitternacht oder in der frühen Dämmerung unterwegs sein möchte!

Doch dann war die Zeit auf der Bühne der Isarphilharmonie leider auch schon wieder zu Ende. 

Es stand der letzte Programmpunkt dieses Abends an; der Versuch, Musik, Literatur und darstellende Kunst zu einem Gesamtkunstwerk zu verschmelzen, der im Saal X stattfinden sollte. Ich war gespannt, auf welche Weise dies vonstatten gehen würde; denn genau jene drei Elemente - die Welt der Klänge, des Wortes und der bildhaften Darstellung - haben in meinem Bewusstsein und meiner Vorstellungswelt seit jeher zusammengehört.

Also verließ ich die Halle E, überquerte den Campus und hielt auf die sandsteinfarbene Front des Saales X zu. Wie ich es bereits bei seiner Einweihung für richtig gehalten hatte, waren heute im Parkett gepolsterte Stühle dicht aneinandergereiht, damit das Publikum nicht nur Rock- und Pop-Konzerte, sondern auch Vorträge und Stücke anhören konnte, die Stille und Konzentration erforderten. Die schlichten schwarzen Wände und der kompakte, in sich geschlossene Raum erinnern mich stark an die Black Box im alten Gasteig; und wie dort gibt es auch an der Stirnseite des Saales X eine erhöhte, erstaunlich geräumige, im Gegensatz zum Zuschauerraum hell erleuchtete Bühne.

Über der Bühne war das Motto und der Inhalt der Vorstellung an die Wand projiziert: "Über Tyrannei - Zwanzig Lektionen für den Widerstand", ein Graphic Novel, dessen Worte und Texte Timothy Snyder verfasst und Nora Krug in Zeichnungen umgesetzt hat. In diesem Graphic Novel geht es um den Widerstand, den Menschen gegen die NS-Diktatur geleistet haben, und auch um die Regeln bzw. Verhaltensweisen, mit deren Hilfe man gegen ein totalitäres Regime oder System Widerstand leisten kann. Während Bilder an die Wand projiziert wurden, sollte jemand Passagen aus diesem Werk vorlesen und danach ein Streichquartett das Gelesene ins Gemüt sinken lassen. 

Da die zwanzig Lektionen - eher Leitsätze - für den Widerstand vor Beginn der Veranstaltung ebenfalls an der Wand zu lesen standen, nahm ich an, dass die Vorleserin auf diese zwanzig Punkte nach und nach eingehen würde; und auch, dass Vortrag, Bild und Musik zu einer fließenden Collage verschmelzen würden, die Verstand, Gemüt und Sinne gemeinsam ansprachen und mitnahmen.

Doch leider kam es anders. Die Zeichnungen, die im Lauf der Veranstaltung über der Bühne erschienen, erschienen mir so nüchtern und trocken wie die Graphiken und Leitsätze, die ein Overhead-Projektor in der Schule oder in einem Workshop an die Wand warf.

Es wurde kaum von Episoden aus dem Widerstand gegen das NS-Regime erzählt und auf keine der angekündigten zwanzig Lektionen eingegangen. Nur aus dem Prolog und Epilog trug die Vorleserin einige Passagen vor: zum einen, wie wichtig es ist, sich ein Bewusstsein für Geschichte zu bewahren, und dass Geschichte nicht vergessen und abgetan werden darf, wenn sich die Fehler vergangener Generationen nicht wiederholen sollen; und zum anderen, dass es gilt, sich der Sprache und Rhetorik von Diktatoren bewusst zu widersetzen. 

Und zwischen den gelesenen Textpassagen spielte das Streichquartett ausnahmslos Stücke, die von bleischwerem Gram erfüllt waren.

Trocken-moralisierende Abhandlungen und brütende Trauermusik sind nicht gerade etwas, das Gemüt und Sinne anspricht und mitnimmt; sie wirken wie die gewichtige Rede des Rektors einer Schule bei einer offiziellen Feier in der Aula, der man sich nicht entziehen kann und die man über sich ergehen lässt. Ich kann es jenen, die sich im Zuge der Veranstaltung erhoben und den Saal verließen - und es waren ihrer einige -, nicht verdenken und wäre vielleicht auch gegangen, wenn die Worte und ihr Sinn nicht richtig und wichtig gewesen wären. 

Die gesamte Veranstaltung setzte meinem Gemüt und auch dem anderer Zuschauer einen Dämpfer auf, so dass wir, als sie zu Ende ging, den Saal X in stiller, beklommen-bedrückter Stimmung verließen. 

Hiermit endete auch der offizielle Teil der Jubiläumsfeier "40 Jahre Gasteig". In der Halle E hätte es jetzt noch anderthalb Stunden Musik von einem DJ gegeben, aber danach war mir nicht zu Mute; also verließ ich das Gelände und ging zur U-Bahn-Station Brudermühlstraße, um nach Hause zu fahren. 

Bis zu diesem Gesamtkunstwerk im Saal X war der Abend für mich eine kurzweilige, anregende und auch lehrreiche Zeit gewesen, die ich genossen und gerne mitgenommen habe. 

Doch muss es sein, dass man Menschen, die eine Feier besuchen und sie genießen, einen Abend lang ihre Sorgen und Nöte hinter sich lassen wollen, mit Moralpredigten Gesinnung beibringt und sie mit beschwertem Sinn und Gemüt in die Nacht entlässt? 
 



23.11.2025 - München leuchtet immer noch - Das Münchner Behördenorchester in der Ludwig-Maximilian-Universität
Vielleicht wäre ich über das Kreativquartier am Leonrodplatz nicht so empört, wenn es nicht überall in München sichtbare und eindeutige Beweise dafür gäbe, welch hohen Stellenwert Kunst und Wissenschaft einst bei uns hatten: in Gestalt der Bayerischen Staatsoper, des Gärtnerplatz- und Prinzregententheaters, in den Pinakotheken und anderen bedeutenden Kunstgalerien, in der Bayerischen Staatsbibliothek und in der Ludwig-Maximilian-Universität, von Ludwig I. und Maximilian II. ins Leben gerufen und von Friedrich von Gärtner erbaut, die ich am Samstag vor einer Woche zum ersten Mal betreten habe. Da ich München als Berufsanfängerin und nicht als Studentin kennengelernt habe, sind mir die Buchstaben LMU und die Fassade des Universitätsgebäudes an der Ludwigstraße zwar durchaus ein Begriff. Doch da ich nie in einem Studiengang immatrikuliert war und nicht einmal auf den Gedanken gekommen wäre, dort nach Veranstaltungen für Nicht-Studierende zu suchen, hätte ich diese ehrwürdige Institution wohl nie betreten, wenn mich nicht Freunde auf ein Konzert des Münchner Behördenorchesters aufmerksam gemacht hätten, das in der Großen Aula stattfand und gratis veranstaltet wurde (um freiwilige Spenden für die Arbeit dieses Orchesters wurde gebeten). Das Konzert sollte um 18:00 Uhr stattfinden; und da bei einem Gratis-Event gleich welcher Art mit regem Zulauf zu rechnen ist, auch wenn die Einladungen nur über Mundpropaganda verbreitet werden, war ich schon um 17:00 Uhr an unserem Treffpunkt an der überdachten Oberfläche der U-Bahn-Station "Universität".  Und so schritt ich an dem kreisrunden neubarocken Springbrunnen vorbei und betrat an diesem Abend erstmals jenes langgestreckte dreistöckige Gebäude aus weißgetünchtem Sandstein mit seinen runden Arkadenbögen, dessen Eingangsbereich hell erleuchtet war - und bin meinen Freunden für die Einladung bis heute dankbar.


München leuchtet immer noch - 

Das Münchner Behördenorchester in der Ludwig-Maximilian-Universität


Vielleicht wäre ich über das Kreativquartier am Leonrodplatz nicht so empört, wenn es nicht überall in München sichtbare und eindeutige Beweise dafür gäbe, welch hohen Stellenwert Kunst und Wissenschaft einst bei uns hatten: in Gestalt der Bayerischen Staatsoper, des Gärtnerplatz- und Prinzregententheaters, in den Pinakotheken und anderen bedeutenden Kunstgalerien, in der Bayerischen Staatsbibliothek und in der Ludwig-Maximilian-Universität, von Ludwig I. und Maximilian II. ins Leben gerufen und von Friedrich von Gärtner erbaut, die ich am Samstag vor einer Woche zum ersten Mal betreten habe.

Da ich München als Berufsanfängerin und nicht als Studentin kennengelernt habe, sind mir die Buchstaben LMU und die Fassade des Universitätsgebäudes an der Ludwigstraße zwar durchaus ein Begriff. Doch da ich nie in einem Studiengang immatrikuliert war und nicht einmal auf den Gedanken gekommen wäre, dort nach Veranstaltungen für Nicht-Studierende zu suchen, hätte ich diese ehrwürdige Institution wohl nie betreten, wenn mich nicht Freunde auf ein Konzert des Münchner Behördenorchesters aufmerksam gemacht hätten, das in der Großen Aula stattfand und gratis veranstaltet wurde (um freiwilige Spenden für die Arbeit dieses Orchesters wurde gebeten).

Das Konzert sollte um 18:00 Uhr stattfinden; und da bei einem Gratis-Event gleich welcher Art mit regem Zulauf zu rechnen ist, auch wenn die Einladungen nur über Mundpropaganda verbreitet werden, war ich schon um 17:00 Uhr an unserem Treffpunkt an der überdachten Oberfläche der U-Bahn-Station "Universität". 

Und so schritt ich an dem kreisrunden neubarocken Springbrunnen vorbei und betrat an diesem Abend erstmals jenes langgestreckte dreistöckige Gebäude aus weißgetünchtem Sandstein mit seinen runden Arkadenbögen, dessen Eingangsbereich hell erleuchtet war - und bin meinen Freunden für die Einladung bis heute dankbar.

Ohne sie hätte ich niemals die marmorweiße Reinheit des Lichthofes mit seinen säulengestützten Arkaden auf drei Stockwerken gesehen und nicht den Balkon unter der Uhr mit dem großen römischen Zifferblatt, von dem einst Hans und Sophie Scholl und Alexander Schmorell von der Weißen Rose ihre Flugblätter in den Lichthof hinunter warfen, um zum Widerstand gegen die NS-Diktatur aufzurufen, und dabei ertappt und verhaftet wurden.

Und ohne die Einladung meiner Freunde hätte ich auch nie die Große Aula gesehen, die das erste und zweite Obergeschoss des Kuppelgewölbes einnimmt, in der nach dem Ersten Weltkrieg über die erste Verfassung des Freistaates Bayern abgestimmt wurde und die heute als Rahmen für besondere Vorträge, Auszeichnungen und - wie an diesem Abend - Konzerte dient. 

Auch dieser Raum ist von Säulen gestützt. Über der Stirnseite prangt ein Wandgemälde in Blau, Gold und Weiß, halb Fresko, halb Mosaik, das den Gott Helios in seinem Sonnenwagen zeigt, zur Linken von den Göttern der Weisheit und Gerechtigkeit und zur Rechten von jenen der Stärke und Souveränität flankiert. Eine marmorweiße Galerie säumt und trägt das mächtige Gewölbe. 

Die Bühne, das Parkett samt der Stuhlreihen und die sorgfältig getäfelte Kassettendecke, alles ist in massivem, hellem, sorgsam gefirnisstem Holz gehalten und reichlich von Deckenstrahlern erhellt. 

Und alles in diesem Zentralgebäude ist himmelhoch: die Decken und Gewölbe, die Säulen und Balkone, selbst die massiven Türen aus schwarzem Holz, hinter denen sich die Dekanatsbüros und Vorlesungssäle verbergen. 
Manche der langen Raumfluchten im ersten und zweiten Obergeschoss sind hell erleuchtet; andere, die an diesem Abend nicht "in Gebrauch" sind, liegen in Dunkel und Dämmerung. Die oberen Stockwerke dieses riesigen Gebäudes sind ein weitverzweigtes Labyrinth an Korridoren, Abzweigungen, Nischen und Ausbuchtungen. 

Dieses Gebäude wurde von 1909 bis 1911 vom Architekten German Bestelmeyer mit der Errichtung der Großen Aula zu seiner Vollendung geführt und zeigt seither eindrucksvoll, was Lehre und Forschung, Kultur und Kunst in Bayern und auch anderswo in Deutschland einst bedeutete: etwas Großes, nach dem der Mensch streben soll; etwas Weihevolles, das in erhabener Schönheit strahlt und leuchtet, nach dem sich Geist und Seele ausstrecken und dem sie dienen sollen. 

Und heute schiebt man Kultur und Kunst als belanglose, unwichtige Nebensächlichkeiten in alte, heruntergekommene Industriebauten ab, für die kein Geld da ist, um sie in Stand zu halten oder gar zu restaurieren. Einst hat man ihnen die höchste Priorität eingeräumt, das zeigen Münchens große Theater und Museen, die Bayerische Staatsbibliothek und auch die Ludwig-Maximilian-Universität bis auf den heutigen Tag!

Doch schließlich und endlich dürfen und sollen ein paar Worte zum Konzert des Münchner Behördenorchesters nicht fehlen. Auf dem Programm standen die Helios-Ouvertüre op. 17 von Carl Nielsen, Lieder von Edvard Grieg, Hugo Wolf und Richard Strauss mit Orchester, und Ludwig van Beethovens 5. Symphonie in c-moll.

Während sich die Orchestermusiker um die fünfzig Jahre und darüber bewegten, war die junge Sopranistin, die für diesen Abend engagiert worden war, und der Dirigent, den das Behördenorchester seit zwei Jahren unter seine Fittiche genommen hat, nicht älter als Mitte bis maximal Ende zwanzig. Vom Anfang bis zum Ende spielte das Behördenorchester ebenso klar, präzise und sauber, wie der junge Dirigent ihnen die Einsätze, Tempi- und Dynamikwechsel vorgab, und die Stimme der Solistin klang weich, rund und voll.

Nur fand ich die Sopranistin in ihrem Ausdruck recht verhalten, ja zurückhaltend, wo nach meiner Ansicht etwas mehr Ausdruck und Gefühlsstärke angebracht gewesen wären, handeln die Lieder von Grieg, Wolf und Strauss doch von eindringlichen Bildern und Seelenstimmungen. Auch dem Dirigenten, so korrekt und tadellos er sich auch hielt, hätte ich bei allen Stücken etwas mehr Nachdruck und Vorwärts gewünscht.

Andererseits: Traut man sich als junger Mensch, vorwärts und aus sich heraus zu gehen, wenn man allein einem Kollektiv von Beamten gegenübersteht, die alle gesetzten Alters und sich ihrer Würde und ihres Amtes bewusst sind; vor allem, wenn es von ihrem Wohlwollen abhängt, ob man seinem Beruf weiter nachgehen kann in einer Zeit, in der es alle Künste überall so schwer haben? Ich fürchte nicht. 

Und die Orchestermusiker für sich und als Ganzes? Wie schon erwähnt, gab es bei ihnen keine Fehler oder unklaren Töne, auch keine vom Untergang im Klangraum bedrohten Instrumente; alle Phrasen und Melodiebögen und alle Instrumentengruppen kamen rein und deutlich herüber. Doch zum einen klangen die Instrumentengruppen ein wenig voneinander isoliert und nicht nach einem Gesamtklang; und zum anderen fehlte es vor allem in Beethovens Fünfter an Kraft und Feuer, an Dynamik und Vorwärtsdrängen, kurz, an den prägenden Elementen, die sich durch sein musikalisches Schaffen ziehen, allem voran durch die "Schicksalssymphonie".

Andererseits: Gerade in unserer Zeit wird der Fortbestand der Musik, ja der Künste an sich von jenen getragen, die sich aus Überzeugung und Begeisterung dafür einsetzen und sie aktiv betreiben. 

Wenn dies auf solch eine solide, für Laien erstaunlich professionelle Weise und in einem so würdevollen Rahmen wie an diesem Abend geschieht, sollten wir dafür dankbar sein und - wie meine Freunde und ich an diesem Abend - ihren Einsatz auch mit unseren Spenden weiter ermöglichen! 
 

 



23.11.2025 - München leuchtet immer noch - Das Münchner Behördenorchester in der Ludwig-Maximilian-Universität
Vielleicht wäre ich über das Kreativquartier am Leonrodplatz nicht so empört, wenn es nicht überall in München sichtbare und eindeutige Beweise dafür gäbe, welch hohen Stellenwert Kunst und Wissenschaft einst bei uns hatten: in Gestalt der Bayerischen Staatsoper, des Gärtnerplatz- und Prinzregententheaters, in den Pinakotheken und anderen bedeutenden Kunstgalerien, in der Bayerischen Staatsbibliothek und in der Ludwig-Maximilian-Universität, von Ludwig I. und Maximilian II. ins Leben gerufen und von Friedrich von Gärtner erbaut, die ich am Samstag vor einer Woche zum ersten Mal betreten habe. Da ich München als Berufsanfängerin und nicht als Studentin kennengelernt habe, sind mir die Buchstaben LMU und die Fassade des Universitätsgebäudes an der Ludwigstraße zwar durchaus ein Begriff. Doch da ich nie in einem Studiengang immatrikuliert war und nicht einmal auf den Gedanken gekommen wäre, dort nach Veranstaltungen für Nicht-Studierende zu suchen, hätte ich diese ehrwürdige Institution wohl nie betreten, wenn mich nicht Freunde auf ein Konzert des Münchner Behördenorchesters aufmerksam gemacht hätten, das in der Großen Aula stattfand und gratis veranstaltet wurde (um freiwilige Spenden für die Arbeit dieses Orchesters wurde gebeten). Das Konzert sollte um 18:00 Uhr stattfinden; und da bei einem Gratis-Event gleich welcher Art mit regem Zulauf zu rechnen ist, auch wenn die Einladungen nur über Mundpropaganda verbreitet werden, war ich schon um 17:00 Uhr an unserem Treffpunkt an der überdachten Oberfläche der U-Bahn-Station "Universität".  Und so schritt ich an dem kreisrunden neubarocken Springbrunnen vorbei und betrat an diesem Abend erstmals jenes langgestreckte dreistöckige Gebäude aus weißgetünchtem Sandstein mit seinen runden Arkadenbögen, dessen Eingangsbereich hell erleuchtet war - und bin meinen Freunden für die Einladung bis heute dankbar.


München leuchtet immer noch - 

Das Münchner Behördenorchester in der Ludwig-Maximilian-Universität


Vielleicht wäre ich über das Kreativquartier am Leonrodplatz nicht so empört, wenn es nicht überall in München sichtbare und eindeutige Beweise dafür gäbe, welch hohen Stellenwert Kunst und Wissenschaft einst bei uns hatten: in Gestalt der Bayerischen Staatsoper, des Gärtnerplatz- und Prinzregententheaters, in den Pinakotheken und anderen bedeutenden Kunstgalerien, in der Bayerischen Staatsbibliothek und in der Ludwig-Maximilian-Universität, von Ludwig I. und Maximilian II. ins Leben gerufen und von Friedrich von Gärtner erbaut, die ich am Samstag vor einer Woche zum ersten Mal betreten habe.

Da ich München als Berufsanfängerin und nicht als Studentin kennengelernt habe, sind mir die Buchstaben LMU und die Fassade des Universitätsgebäudes an der Ludwigstraße zwar durchaus ein Begriff. Doch da ich nie in einem Studiengang immatrikuliert war und nicht einmal auf den Gedanken gekommen wäre, dort nach Veranstaltungen für Nicht-Studierende zu suchen, hätte ich diese ehrwürdige Institution wohl nie betreten, wenn mich nicht Freunde auf ein Konzert des Münchner Behördenorchesters aufmerksam gemacht hätten, das in der Großen Aula stattfand und gratis veranstaltet wurde (um freiwilige Spenden für die Arbeit dieses Orchesters wurde gebeten).

Das Konzert sollte um 18:00 Uhr stattfinden; und da bei einem Gratis-Event gleich welcher Art mit regem Zulauf zu rechnen ist, auch wenn die Einladungen nur über Mundpropaganda verbreitet werden, war ich schon um 17:00 Uhr an unserem Treffpunkt an der überdachten Oberfläche der U-Bahn-Station "Universität". 

Und so schritt ich an dem kreisrunden neubarocken Springbrunnen vorbei und betrat an diesem Abend erstmals jenes langgestreckte dreistöckige Gebäude aus weißgetünchtem Sandstein mit seinen runden Arkadenbögen, dessen Eingangsbereich hell erleuchtet war - und bin meinen Freunden für die Einladung bis heute dankbar.

Ohne sie hätte ich niemals die marmorweiße Reinheit des Lichthofes mit seinen säulengestützten Arkaden auf drei Stockwerken gesehen und nicht den Balkon unter der Uhr mit dem großen römischen Zifferblatt, von dem einst Hans und Sophie Scholl und Alexander Schmorell von der Weißen Rose ihre Flugblätter in den Lichthof hinunter warfen, um zum Widerstand gegen die NS-Diktatur aufzurufen, und dabei ertappt und verhaftet wurden.

Und ohne die Einladung meiner Freunde hätte ich auch nie die Große Aula gesehen, die das erste und zweite Obergeschoss des Kuppelgewölbes einnimmt, in der nach dem Ersten Weltkrieg über die erste Verfassung des Freistaates Bayern abgestimmt wurde und die heute als Rahmen für besondere Vorträge, Auszeichnungen und - wie an diesem Abend - Konzerte dient. 

Auch dieser Raum ist von Säulen gestützt. Über der Stirnseite prangt ein Wandgemälde in Blau, Gold und Weiß, halb Fresko, halb Mosaik, das den Gott Helios in seinem Sonnenwagen zeigt, zur Linken von den Göttern der Weisheit und Gerechtigkeit und zur Rechten von jenen der Stärke und Souveränität flankiert. Eine marmorweiße Galerie säumt und trägt das mächtige Gewölbe. 

Die Bühne, das Parkett samt der Stuhlreihen und die sorgfältig getäfelte Kassettendecke, alles ist in massivem, hellem, sorgsam gefirnisstem Holz gehalten und reichlich von Deckenstrahlern erhellt. 

Und alles in diesem Zentralgebäude ist himmelhoch: die Decken und Gewölbe, die Säulen und Balkone, selbst die massiven Türen aus schwarzem Holz, hinter denen sich die Dekanatsbüros und Vorlesungssäle verbergen. 
Manche der langen Raumfluchten im ersten und zweiten Obergeschoss sind hell erleuchtet; andere, die an diesem Abend nicht "in Gebrauch" sind, liegen in Dunkel und Dämmerung. Die oberen Stockwerke dieses riesigen Gebäudes sind ein weitverzweigtes Labyrinth an Korridoren, Abzweigungen, Nischen und Ausbuchtungen. 

Dieses Gebäude wurde von 1909 bis 1911 vom Architekten German Bestelmeyer mit der Errichtung der Großen Aula zu seiner Vollendung geführt und zeigt seither eindrucksvoll, was Lehre und Forschung, Kultur und Kunst in Bayern und auch anderswo in Deutschland einst bedeutete: etwas Großes, nach dem der Mensch streben soll; etwas Weihevolles, das in erhabener Schönheit strahlt und leuchtet, nach dem sich Geist und Seele ausstrecken und dem sie dienen sollen. 

Und heute schiebt man Kultur und Kunst als belanglose, unwichtige Nebensächlichkeiten in alte, heruntergekommene Industriebauten ab, für die kein Geld da ist, um sie in Stand zu halten oder gar zu restaurieren. Einst hat man ihnen die höchste Priorität eingeräumt, das zeigen Münchens große Theater und Museen, die Bayerische Staatsbibliothek und auch die Ludwig-Maximilian-Universität bis auf den heutigen Tag!

Doch schließlich und endlich dürfen und sollen ein paar Worte zum Konzert des Münchner Behördenorchesters nicht fehlen. Auf dem Programm standen die Helios-Ouvertüre op. 17 von Carl Nielsen, Lieder von Edvard Grieg, Hugo Wolf und Richard Strauss mit Orchester, und Ludwig van Beethovens 5. Symphonie in c-moll.

Während sich die Orchestermusiker um die fünfzig Jahre und darüber bewegten, war die junge Sopranistin, die für diesen Abend engagiert worden war, und der Dirigent, den das Behördenorchester seit zwei Jahren unter seine Fittiche genommen hat, nicht älter als Mitte bis maximal Ende zwanzig. Vom Anfang bis zum Ende spielte das Behördenorchester ebenso klar, präzise und sauber, wie der junge Dirigent ihnen die Einsätze, Tempi- und Dynamikwechsel vorgab, und die Stimme der Solistin klang weich, rund und voll.

Nur fand ich die Sopranistin in ihrem Ausdruck recht verhalten, ja zurückhaltend, wo nach meiner Ansicht etwas mehr Ausdruck und Gefühlsstärke angebracht gewesen wären, handeln die Lieder von Grieg, Wolf und Strauss doch von eindringlichen Bildern und Seelenstimmungen. Auch dem Dirigenten, so korrekt und tadellos er sich auch hielt, hätte ich bei allen Stücken etwas mehr Nachdruck und Vorwärts gewünscht.

Andererseits: Traut man sich als junger Mensch, vorwärts und aus sich heraus zu gehen, wenn man allein einem Kollektiv von Beamten gegenübersteht, die alle gesetzten Alters und sich ihrer Würde und ihres Amtes bewusst sind; vor allem, wenn es von ihrem Wohlwollen abhängt, ob man seinem Beruf weiter nachgehen kann in einer Zeit, in der es alle Künste überall so schwer haben? Ich fürchte nicht. 

Und die Orchestermusiker für sich und als Ganzes? Wie schon erwähnt, gab es bei ihnen keine Fehler oder unklaren Töne, auch keine vom Untergang im Klangraum bedrohten Instrumente; alle Phrasen und Melodiebögen und alle Instrumentengruppen kamen rein und deutlich herüber. Doch zum einen klangen die Instrumentengruppen ein wenig voneinander isoliert und nicht nach einem Gesamtklang; und zum anderen fehlte es vor allem in Beethovens Fünfter an Kraft und Feuer, an Dynamik und Vorwärtsdrängen, kurz, an den prägenden Elementen, die sich durch sein musikalisches Schaffen ziehen, allem voran durch die "Schicksalssymphonie".

Andererseits: Gerade in unserer Zeit wird der Fortbestand der Musik, ja der Künste an sich von jenen getragen, die sich aus Überzeugung und Begeisterung dafür einsetzen und sie aktiv betreiben. 

Wenn dies auf solch eine solide, für Laien erstaunlich professionelle Weise und in einem so würdevollen Rahmen wie an diesem Abend geschieht, sollten wir dafür dankbar sein und - wie meine Freunde und ich an diesem Abend - ihren Einsatz auch mit unseren Spenden weiter ermöglichen! 
 

 



23.11.2025 - Noch eine Keimzelle künstlerischen Schaffens - Das Kreativ-Quartier am Leonrodplatz
Von den vielfältigen Aktivitäten, die sich in dem kunterbunten Konglomerat namens Werksviertel regen, habe ich aus gegebenen Anlässen schon des öfteren berichtet; auch von dem kulturellen Leben, das die 72 Männlein und Weiblein vom Künstler-Kollektiv "Fat Cat" in den Räumlichkeiten des alten Gasteigs in ihren kreativen Prozessen erschaffen und gestalten.  Indes gibt es eine Keimstätte künstlerischen Schaffens, die im Lauf der letzten sieben Jahre seit 2018 entstanden ist und die ich wohl nie zu sehen bekommen hätte, wenn ich im Lauf dieses Jahres nicht hin und wieder mit einer Trambahn der Linie 20 die Dachauer Straße vom Hauptbahnhof bis zur Endstation Moosach entlang gesäuselt wäre (inzwischen rumpeln und kreischen unsere Trambahnen nicht mehr; sie säuseln in einem hochfrequenten Ton). Denn vorher war alles, was an der Dachauer Straße liegt, für mich ein ebenso blinder Fleck wie einst die Welt östlich vom Ostbahnhof. Mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften und dem ihr angeschlossenen Max-Planck-Institut an der Lothstraße hatte ich nie etwas zu tun, und viele der Gebäude, die auf den Hochschulcampus folgen, sehen alt und heruntergekommen bis baufällig aus, so dass ich sie zuerst kaum beachtete. Die Fassade des einstigen Kerngebäudes der Hochschule, die einst das Zeughaus der Luitpold-Kaserne war, zeigt eine ähnlich feinziselierte neugotische Fassade wie die Häuser, welche die Maximilianstraße säumen, allerdings nicht dieselbe noble lichte Sandstein-Optik, sondern rotbraunen Backstein. Ihr gegenüber liegt das heutige Zentralgebäude der Hochschule und das ihr angeschlossene Max-Planck-Institut für angewandte Wissenschaften - sprich, für alles, was die Forschungen und Erkenntnisse auf dem Gebiet der Mathematik, Physik und Ingenieurwissenschaft in die Alltagspraxis umsetzen soll. Zwischen dem ehemaligen Zeughaus und dem hohen Häuserblock, dessen wandfüllendes Acryl-Fresko in Sprayer-Optik mit klaren, ja knalligen Farben ins Auge springt, verläuft die Einfahrt zum Campus- Parkplatz und weiteren Gebäuden, die zum akademischen Betrieb gehören. Eines von ihnen und ein weiteres, das an der Dachauer Straße liegt, aber einem Döner- und Kebap-Restaurant vorbehalten ist, erinnern mich in der Struktur ihrer Fassade ein wenig an Mikadostäbchen.


Eine weitere Keimzelle künstlerischen Schaffens - Das Kreativ-Quartier am Leonrodplatz

Von den vielfältigen Aktivitäten, die sich in dem kunterbunten Konglomerat namens Werksviertel regen, habe ich aus gegebenen Anlässen schon des öfteren berichtet; auch von dem kulturellen Leben, das die 72 Männlein und Weiblein vom Künstler-Kollektiv "Fat Cat" in den Räumlichkeiten des alten Gasteigs in ihren kreativen Prozessen erschaffen und gestalten. 

Indes gibt es eine Keimstätte künstlerischen Schaffens, die im Lauf der letzten sieben Jahre seit 2018 entstanden ist und die ich wohl nie zu sehen bekommen hätte, wenn ich im Lauf dieses Jahres nicht hin und wieder mit einer Trambahn der Linie 20 die Dachauer Straße vom Hauptbahnhof bis zur Endstation Moosach entlang gesäuselt wäre (inzwischen rumpeln und kreischen unsere Trambahnen nicht mehr; sie säuseln in einem hochfrequenten Ton).

Denn vorher war alles, was an der Dachauer Straße liegt, für mich ein ebenso blinder Fleck wie einst die Welt östlich vom Ostbahnhof. Mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften und dem ihr angeschlossenen Max-Planck-Institut an der Lothstraße hatte ich nie etwas zu tun, und viele der Gebäude, die auf den Hochschulcampus folgen, sehen alt und heruntergekommen bis baufällig aus, so dass ich sie zuerst kaum beachtete.

Die Fassade des einstigen Kerngebäudes der Hochschule, die einst das Zeughaus der Luitpold-Kaserne war, zeigt eine ähnlich feinziselierte neugotische Fassade wie die Häuser, welche die Maximilanstraße säumen, allerdings nicht dieselbe noble lichte Sandstein-Optik, sondern rotbraunen Backstein. Ihr gegenüber liegt das heutige Zentralgebäude der Hochschule und das ihr angeschlossene Max-Planck-Institut für angewandte Wissenschaften - sprich, für alles, was die Forschungen und Erkenntnisse auf dem Gebiet der Mathematik, Physik und Ingenieurwissenschaft in die Alltagspraxis umsetzen soll.

Zwischen dem ehemaligen Zeughaus und dem hohen Häuserblock, dessen wandfüllendes Acryl-Fresko in Sprayer-Optik mit klaren, ja knalligen Farben ins Auge springt, verläuft die Einfahrt zum Campus-Parkplatz und weiteren Gebäuden, die zum akademischen Betrieb gehören. Eines von ihnen und ein weiteres, das an der Dachauer Straße liegt, aber einem Döner- und Kebap-Restaurant vorbehalten ist, erinnern mich in der Struktur ihrer Fassade ein wenig an Mikadostäbchen.

Wer von meinen Leserinnen und Lesern weiß noch, was Mikado ist? Ein recht einfaches Gedulds- und Geschicklichkeitsspiel: Man hält eine Handvoll bunte, schmale, an beiden Enden zugespitzte Stäbchen in der Faust, setzt das Bündel Stäbchen senkrecht auf den Tisch und lässt es dann los. Aufgabe und Ziel der Mikado-Spieler ist es, so viele Stäbchen wie möglich mit den Fingerspitzen der beiden Zeigefinger anzuheben und zu entfernen, ohne dass der Stapel oder auch nur ein Stäbchen erbebt oder ins Rollen gerät.

Und die Fassade jenes einen Hochschul-Gebäudes und des Restaurants vorne an der Dachauer Straße scheint sich aus lauter solchen schmalen Stäbchen zusammenzusetzen, ähnlich wie beim Gebäude der Sammlung Brandhorst auf dem Museums-Areal an der Barer Straße, nur, dass dort die Mikadostäbchen um einiges bunter sind...

Auf der gegenüberliegenden Seite der Dachauer Straße liegt das Traditionscafé Stemerowitz, das wie der Gartensalon im Adalberthof noch heute seine Kuchen, Torten und Teigtaschen in Eigenregie backt und fertigt. Man bestellt und bezahlt vorne an der reich bestückten Kuchen- und Börektheke und nimmt entweder seine Backwaren mit oder verzieht sich in den Gästebereich im hinteren Drittel des Raumes, der durch drei Treppenstufen von den beiden Theken getrennt ist. 

Die Wände des Gästeraumes sind ebenso wie die Raumdekoration in Lila und Pink getaucht, während die Polstergarnitur und die Stühle ganz in Schwarz gehalten sind. IIch finde, diese Kombination verleiht dem Gästeraum hat etwas Vornehm-Diskretes, aber auch Behagliches, so dass man bei einer Tomaten-Frischkäse-Teigtasche und einem Pecannuss-Zöpfchen, einem selbstgebackenen Bananenbrot oder einem Orangen-Sandkuchen - nur um ein paar Beispiele zu nennen - gerne ein wenig verweilt, bevor man gestärkt weiterzieht.

Auf meinem weiteren Weg an der Dachauer Straße entlang fiel mir das große Acryl-Fresko ins Auge, das die komplette Giebelfront des Leonrodhauses einnimmt: die hochgewachsene Gestalt eines Mannes, der von Kopf bis Fuß in einen Jumpsuit gekleidet ist, der mich an Spiderman erinnert, nur, dass sein Trikot nicht in Scharlachrot, sondern in Mitternachtsblau getaucht ist. Er hebt einen leuchtendweißen Laserstab wie eine Lanze und kommt auf einem riesigen Pferd mit feurigrotem Fell und wallender weißer Mähne angaloppiert wie bei einem mittelalterlichen Turnier.

Diese Gestalt ist der "Schwere Reiter" - vielleicht, weil sein Pferd ein Schwarzwälder Fuchs ist und als Kaltblut zu den Schwergewichten unter den Pferden gehört - und verweist u.a. auch darauf, dass an dieser Stelle die Schwere-Reiter-Straße vom Leonrodplatz abzweigt und durch das ehemalige Kasernenviertel von München führt.

Unmittelbar auf die Schwere-Reiter-Straße folgen drei aufeinander gestapelte, knallbunt getünchte Container, die halb einem Lego-Baukasten entsprungen zu sein scheinen, halb nach einer modernen Ausgabe von Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt aussehen. Das Fresko und die Lego-Container machten mich immer neugieriger...

Da ich als erstes herausfinden wollte, was es mit dem Wandfresko des "Schweren Reiters" an der Giebelfront des Leonrodhauses auf sich hatte, ging ich in diese Richtung...und prallte entsetzt vor dem graubraunen, schmucklosen, hässlichen Kasten zurück, der gleich einem riesigen Riegel einen guten Teil der Straße einnimmt. Doch der purpurrote Schriftzug, der sich über die Hälfte dieses Gebäudes zieht, lässt keine Zweifel offen: "Münchner Kammerspiele".

Ich kenne die Bauten der Bayerischen Staatsoper, des Gärtnerplatz- und des Prinzregententheaters, die an exponierter Stelle in reinem, marmornem Weiß erstrahlen und ausnahmslos mit imposanten Treppenaufgängen, Säulengalerien und Giebeln triumphieren; alles wahre Musentempel, die der Welt des Musiktheaters und Balletts allein durch ihren Anblick Glanz und Weihe verleihen. 

Und ich kenne auch die "Keimzelle" der Münchner Kammerspiele an der Maximilianstraße/Ecke Falckenbergstraße, die sich in ihrem neugotischen Stil dem Ensemble Regierung von Oberbayern - Bayerisches Staatsministerium des Inneren - Museum Fünf Kontinente nahtlos anschließt.

Und dann dieses real existierende Grauen am Leonrodplatz... Wie! Die angesehenste, renommierteste Münchner Theaterbühne, die Shakespeares "König Lear" und "Richard III.", Goethes "Faust", Schillers "Räuber", Büchners "Woyzeck" und andere klassische Dramen neu inszeniert, ist genötigt, ihre Werke in solch einer alten heruntergekommenen Bruchbude aufzuführen? Und die Schauspieler und Tänzer müssen in der hinteren Hälfte dieses dreistöckigen Gebäuderiegels proben?

Hinter dem Leonrodhaus nimmt eine gut zwei Meter hohe Mauer den Rest des Blocks an diesem  Abschnitt der Schwere-Reiter-Straße ein, und dahinter erhebt sich das Dachgeschoss eines weiteren hohen und langgezogenen Gebäudes, das über und über mit Graffiti-Schriftzügen und Figuren verziert ist. Biegt man nach der Mauer rechts um die Ecke, gelangt man zur anderen Längsseite des Gebäudes, die ebenfalls vor Graffiti-Malereien geradezu explodiert. Dies ist das "Haus 2", das mit den Münchner Kammerspielen und den dazugehörigen Proberäumen im Leonrodhaus durch eine niedrige schmucklose Lagerhalle verbunden ist.

Auch am "Haus 2", in dem derzeit an die dreißig Graphiker, Maler, Fotografen, Designer und Skulpturisten in ihren Atelier-Räumen werkeln, ziert ein Fresko die Giebelwand: eine riesige Uhr mit römischem Zifferblatt und golden blitzenden Zeigern. Ganz offensichtlich haben diese Künstler ihr Haus mit ihren eigenen Figuren und Schriftzügen gestaltet. Doch gäbe es die Graffiti-Malereien an den Längswänden dieses Atelierhauses nicht, sähe es genauso schmucklos, alt und vernachlässigt aus wie das Leonrodhaus vorne an der Schwere-Reiter-Straße.

An dieser Stelle sollte ich auf den Sinn und Zweck dieses Geländes eingehen, das sich heute Kreativ-Quartier nennt. Ein Teil der dreistöckigen Häuser, Werkstätten und Lagerhallen gehörte früher zur Luitpold-Kaserne, die schon vor langer Zeit stillgelegt wurde, und der andere Teil zu den auch schon seit langem nicht mehr existierenden Domagk-Werken.

2018 kaufte die Landeshauptstadt München das gesamte Areal auf und beschloss, die leerstehenden Gebäude Künstlern gegen eine für Münchner Verhältnisse günstige Raummiete zur Verfügung zu stellen, sprich, Tänzern, Schauspielern, Kabarettisten, Sängern, Musikern, Komponisten ebenso wie Malern, Graphikern, Fotografen, Skulpturisten etc., mit der Auflage, zu zeigen, was sie in ihren Studios und Ateliers erschufen.

Und es sind überwiegend junge, aufstrebende Einzelkünstler, Ensembles und Kollektive, die jene Gebäude zwischen dem Leonrodplatz, der Schwere-Reiter-Straße und der Infanteriestraße dankbar angenommen haben und heute darin Theater-, Kabarett- und Comedy-Abende, Vernissagen und Ausstellungen, Festivals und Diskussionsrunden veranstalten. 

Heute wird das Gelände zwischen der ehemaligen Luitpold-Kaserne und den Domagk-Werken von einem weiteren hohen mächtigen Gebäuderiegel dominiert, der 2018 neu erbaut wurde. Doch da er in meinem Augen einer langgezogenen, kompakten Wand aus vielfach gefaltetem rostbraunem Stahl gleicht, wirkte auch er auf den den ersten Blick eher abstoßend als einladend auf mich. Bei seinem Anblick dachte ich unweigerlich an ein seit langem stillgelegtes Stahlwerk, doch über dem gläsernen Eingangsportal las ich "Schwere-Reiter-Theater".

Und dann brachten mich die durchscheinenden Schriftzüge, die sich quer über die beiden hohen Flügeltüren zogen, zum Innehalten und Verweilen. In diesen Schriftzügen hat sich ein Mädchen mit Namen Arina Denmuchamedova verewigt, das mit seinen Augen nur Schatten und Schemen zu sehen vermag und auf dem rechten Ohr taub ist.

Seit früher Kindheit hat Arina ihre Mutter gedrängt, ihr alles vorzulesen, was in ihrem Bücherregal stand; und seit sie an ihrer Grundschule die Braille-Schrift erlernte, hat sie in der Schulbibliothek alles gelesen, was ihr in die Finger kam, um auf ihre Weise die große weite Welt für sich zu erobern. Und schon heute, mit gerade einmal vierzehn Jahren, ist sie eine öffentlich anerkannte Schriftstellerin und Musikerin. 

In den Werken der Schriftsteller, Dichter und Musiker haben sich ihr die Tore zur Welt aufgetan, und weder ihre fast blinden Augen noch ihr taubes rechtes Ohr haben sie daran gehindert, auf den Schwingen ihrer Vorstellungskraft durch die Gemälde und Landschaften ihrer Phantasie zu reisen.

Und da schlug in meinem Geist und meiner Seele die Erkenntnis ein, dass Arina bereits mit vierzehn Jahren zum wahren, unzerstörbaren Kern künstlerischen Schaffens vorgedrungen ist:

Etwas - sei es ein Gedicht, eine Erzählung, eine Melodie, ein Tanz oder eine Gestalt - entfacht tief auf dem Grund der Seele ein Feuer, das einen ergreift und mitreißt, dem man hingerissen und ohne zu fragen folgt. Gleich den Saiten eines Instruments versetzt dieses Etwas die Nervenfasern und -stränge in Schwingung, so dass sie dem Element antworten und das widerspiegeln, was es an Gedanken, Gefühlen, Bildern etc. auf dem Grund der Seele auslöst, das frei und wie selbstverständlich an die Oberfläche empor steigt. 

Deshalb ist echter künstlerischer Ausdruck etwas, das vorwärts geht und zeigt, was ein bestimmtes Element im Geist und in der Seele ausgelöst hat. Wahre, echte Kunst hat immer etwas von einem Aufstand an sich, steht für das ein und auf, was der Künstler für sich selbst erkannt hat und der Welt mitteilen will und muss, ohne Rücksicht auf äußere Umstände und auf sich selbst.

Vergessen wir nicht: Was wir heute klassische Dramatiker und Dichter nennen, waren einst Rebellen, die für das, was sie zu sagen hatten, Kopf und Kragen riskiert haben. Hätte sich einst Friedrich Schiller nicht die Möglichkeit aufgetan, an der Universität von Jena unter dem Patronat des freidenkenden Herzogs Carl August von Sachsen-Thüringen zu lehren, wäre er an der Militärakademie in Mannheim verhaftet und als Landesverräter gehängt worden für das, was er in Dramen wie "Die Räuber" und "Kabale und Liebe" auf der Bühne verkündete. 

"Die Leiden des jungen Werthers", mit denen der junge Goethe von Straßburg bis Weimar Aufsehen erregte, sorgten für Aufruhr in den Gemütern der Jugend und Entrüstung bei den Etablierten und wurden geraume Zeit auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt.

Das Schicksal des Verhaftet- und Gehängt-Werdens hätte knapp fünfzig Jahre später um ein Haar Georg Büchner ereilt, als er an den "Fliegenden Blättern" mitschrieb, die das Hambacher Fest und die Revolution von 1848 mit in die Wege geleitet haben; auch ihn rettete seinerzeit nur die jähe Flucht an einen anderen Studienort.

Und genialen Köpfen wie Jakob Michael Reinhold Lenz und Friedrich Hölderlin drohte zwar nicht der Galgen als Landesverräter, doch beide bezahlten für die Brillianz ihrer Sprache und die faszinierenden Welten, die sie entwarfen, mit den Kräften ihres Geistes und Verstandes: Beide endeten in einem vagen, halb erloschenen Dämmerzustand, den man zu ihrer Zeit geistige Umnachtung nannte.

Und ich begriff, dass in den Bruchbuden, Lagerhallen und "Stahlwerken" des Kreativ-Quartiers ebenso wie in der "Fat Cat"-Kooperative im alten Gasteig eine neue Generation junger Künstler aufsteht, die wie ihre Vorgänger auf die Umwälzungen unserer Zeit reagieren und das, was auf sie einwirkt, in Worte, Gebärden und Bilder fassen, mit dem Feuer und der Begeisterung, die junge Menschen antreibt, wenn sie ihr Element gefunden haben,  das sie wachsen und gedeihen lässt - wenn man sie lässt.

In einem der Lego-Containerwürfel an der Dachauer Straße sieht man neben modernen Mischpulten und Soundanlagen auch die gute alte E-Gitarre, das Mellotron und den Moog-Synthesizer hinter den Fensterscheiben ausgestellt, mit denen einst Genesis, Pink Floyd und Alan Parsons Project ihre Klangsphären aufgebaut und ihr Publikum auf die Reise in die unendlichen Weiten des Weltraums geschickt haben. 

Ein Laternenpfahl , der schräg vor dem Containerwürfel steht, trägt einen Aufruf wie eine Banderole: Ein Rock-Sänger und Songwriter sucht Musiker, die bereit sind, gemeinsam mit ihm Musik zu machen - kein laues Larifari, kein bloßes bisschen Hobby-Gedudel, sondern handfeste, ehrliche Rockmusik von hoher Qualität, die für die Bühnen dieser Welt taugt. So haben schon vor fünfzig Jahren die Jungs von Genesis und Pink Floyd nach Mit-Musikern gesucht, und Led Zeppelin, und Deep Purple, und ...

Im vordersten der drei kunterbunten Container ist neben einer Boutique für Mode aus Wolle, Filz und Loden, für deren Besuch man sich vorher bei der Besitzerin anmelden muss, das mir völlig neue Café Flower untergebracht, in dem man von Montag bis Freitag um die Mittagszeit eine Suppe, ein Hauptgericht und ein Getränk für € 14,50 bekommt. Die Speisekarte ist zwar klein - sie passt auf zwei Schiefertafeln, die neben der Eingangstür stehen -, aber jedes Gericht ist frisch und von Hand gemacht und wird liebevoll präsentiert, sogar mit einer Blume zur Salatgarnitur!

Und während ich meine Kartoffelsuppe mit Würstchen und hinterher meine Hähnchenkeule auf Wintergemüse mit Pflaumensauce und frischen Blattsalaten genoss, ließ ich die Eindrücke von meinem Streifzug durch das Kreativ-Quartier Revue passieren. Ich habe in der Tat Kreativität und Engagement an allen Ecken und Enden gesehen und gespürt, das - wie bereits erwähnt - zum Großteil von jungen Menschen getragen wird.

Junge Künstlerinnen und Künstler sind so genügsam und dankbar für jedes bisschen Unterstützung. Solange man ihnen einen Raum zur Verfügung stellt, in dem sie ans Werk gehen können, und es ihnen erlaubt, ihr fertiges Resultat zu zeigen, gehen sie vorwärts und präsentieren das, was sie erschaffen haben, mit Stolz. Dann sehen sie darüber hinweg, wie dürftig und zum Teil ramponiert die Umgebung ist, in der sie ihre Kunst zu erschaffen genötigt sind.

Nur darf es nicht sein, dass - wie im Lauf dieses Jahres geschehen - die Stadt München die Verwaltung des Kreativ-Quartiers an ein Veranstaltungs-Unternehmen verkauft und dieses die Raummieten in allen Gebäuden um mehr als das Doppelte erhöht. Will man all jene, denen ihre Kunst wirklich etwas bedeutet, die aber über wenige finanzielle Mittel verfügen, vertreiben und vergraulen? Zu wessen Gunsten und Profit, wenn man fragen darf?

Wenn es in München weiterhin echtes, lebendiges künstlerisches Schaffen geben soll,  so wie es sich im Kreativ-Quartier, im Fat Cat und im Werksviertel regt, darf die Stadt München solche Areale nicht irgendwelchen Immobilienhaien und Spekulanten überlassen. Solche Beispiele hatten wir im Lauf der letzten Jahre mehr als genug, und sie haben in unserer Stadt gähnende Lücken gerissen, die seither nie wieder gefüllt wurden.

Im November und Dezember dieses Jahres wollen alle Mitwirkenden am Kreativ-Quartier dagegen protestieren, dass man ihnen mit Mietwucher die Existenz abgräbt; und mit Konstantin Wecker kann ich dazu nur sagen:

"Ob du sechs bist oder hundert, sei nicht nur erstaunt-verwundert. Tobe, zürne, misch dich ein! Sage nein!"
 



23.11.2025 - 40 Jahre Gasteig - Ein Jubiläum im Gasteig HP8
Noch heute erledige ich meine Wocheneinkäufe hin und wieder im Motorama, so dass der alte Gasteig über der Isar meinem Bewusstsein nie ganz entschwunden ist; und als ich einmal mehr im Motorama-Untergeschoss unterwegs war, stieß ich auf Plakate an den Wänden, die verkündeten, dass es am 12. November von 17:00 bis 21:00 Uhr eine Geburtstagsfeier mit Live-Aktionen, Workshops, Musik und Torte geben sollte: Der Gasteig feierte sein 40jähriges Jubiläum! Als ich mich im alten Gasteig-Gebäude umsah, stellte ich fest, dass alle Veranstaltungen nur im HP8-Ausweichquartier an der Brudermühlstraße stattfinden sollten und das "Fat Cat"-Kollektiv sich an den Jubiläums-Feierlichkeiten gar nicht beteiligte, mit keinem Konzert, keinem Vortrag, keinem Workshop, nichts. Schon eigenartig, denn vor seiner Stilllegung im Jahr 2019 war der alte Gasteig über 34 Jahre hinweg ein existierender und funktionierender Kulturbetrieb gewesen! Doch zu den Jubiläumsfeierlichkeiten im Gasteig HP8 waren alle Münchnerinnen und Münchner bei freiem Eintritt eingeladen, auch das Münchner Kammerorchester (MKO) würde sich daran beteiligen, und im Saal X sollte es eine Zusammenführung von Musik, Literatur und darstellender Kunst geben.  Seit dem Sommerfest "Wolke 8" im Juni 2023 war ich nicht mehr im Gasteig HP8 gewesen, und nun bot sich mir die Zeit und Gelegenheit, mich an dem angekündigten Mittwoch im November dort einmal mehr bewusst umzusehen...


40 Jahre Gasteig - Ein Jubiläum im Gasteig HP8


Noch heute erledige ich meine Wocheneinkäufe hin und wieder im Motorama, so dass der alte Gasteig über der Isar meinem Bewusstsein nie ganz entschwunden ist; und als ich einmal mehr im Motorama-Untergeschoss unterwegs war, stieß ich auf Plakate an den Wänden, die verkündeten, dass es am 12. November von 17:00 bis 21:00 Uhr eine Geburtstagsfeier mit Live-Aktionen, Workshops, Musik und Torte geben sollte: Der Gasteig feierte sein 40jähriges Jubiläum!

Als ich mich im alten Gasteig-Gebäude umsah, stellte ich fest, dass alle Veranstaltungen nur im HP8-Ausweichquartier an der Brudermühlstraße stattfinden sollten und das "Fat Cat"-Kollektiv sich an den Jubiläums-Feierlichkeiten gar nicht beteiligte, mit keinem Konzert, keinem Vortrag, keinem Workshop, nichts. Schon eigenartig, denn vor seiner Stilllegung im Jahr 2019 war der alte Gasteig über 34 Jahre hinweg ein existierender und funktionierender Kulturbetrieb gewesen!

Doch zu den Jubiläumsfeierlichkeiten im Gasteig HP8 waren alle Münchnerinnen und Münchner bei freiem Eintritt eingeladen, auch das Münchner Kammerorchester (MKO) würde sich daran beteiligen, und im Saal X sollte es eine Zusammenführung von Musik, Literatur und darstellender Kunst geben. 

Seit dem Sommerfest "Wolke 8" im Juni 2023 war ich nicht mehr im Gasteig HP8 gewesen, und nun bot sich mir die Zeit und Gelegenheit, mich an dem angekündigten Mittwoch im November dort einmal mehr bewusst umzusehen...

Das erste, was mir ins Auge fiel, war, dass der Bereich zwischen der Straße und dem Campus mit seinen Gebäuden auf der tiefgelegten Ebene deutlich aufgeräumter und bereinigter wirkte als vor fast zweieinhalb Jahren, und dass er im wahren Sinn des Wortes erleuchtet war: Große Flutlichtscheinwerfer tauchten das gesamte Areal und auch die einzelnen Gebäude in ein strahlendes, fast gleißendes Licht.

Wer vom Straßenniveau über die Rampe zum Campus-Gelände hinabsteigt, geht direkt auf den neu errichteten Saal X zu. Inzwischen ist er kein düsterer anthrazitgrauer Klotz mehr wie bei seiner Einweihung; das gesamte Gebäude wurde erweitert und ist nun in heller Sandstein-Optik gehalten. Doch da man leider nicht an ein paar Fenster mehr gedacht hat, ist es dennoch ein in sich geschlossener Quader geblieben. 

Auch an der Außenansicht des Zentralgebäudes, der Halle E, hat sich nichts geändert. Nach wie vor hat man die rotbraunen Backstein- und die grauen Betonwände samt der hohen Laderampe gelassen, wie sie waren.

Doch wenn man heute die Halle E durch den Haupteingang betritt, wirkt sie ganz anders als vor drei Jahren bei ihrer Einweihung! Über allem schwebt ein riesiger Stroboskop-Globus an der Decke, der vor Gold und Silber flirrt und die ganze Halle mit seinem Licht flutet. Nach wie vor sind Weiß, Blau und Gold die dominierenden Farben und Elemente, doch die umlaufenden Galerien werden jetzt von gemauerten und reinweiß getünchten Balustraden gestützt, über denen sich royalblau getönte Fensterfronten erheben, wo es vor drei Jahren noch schwarze Stahlgerüste und -geländer gegeben hatte. 

Sowohl die Stadtbibliothek zur Rechten als auch die Volkshochschule gegenüber zur Linken nimmt inzwischen drei stattliche Stockwerke ein, wobei es im Campus-Gelände noch einen sechsstöckigen Gebäudeblock gibt, der ebenfalls der VHS vorbehalten ist. 

Nur dass die Ausleihe und Rückgabe von Büchern in der neuen Bibliothek heute nur noch elektronisch vonstatten geht, es im Erdgeschoss keine Information und Anmeldung mehr gibt, an der Menschen von Menschen empfangen und bedient werden, und dass man nicht mehr direkt auf die weitläufigen lichten Bibliothekssäle voller Bücherregale blickt, lässt mich die alte Zentralbibliothek immer noch schmerzlich vermissen... 

Auch eine Caféteria gibt es wieder. Sie nimmt auf der rechten Seite gut zwei Drittel des Erdgeschosses ein, ist mit Speisen und Getränken gut bestückt und blitzt vor Ordnung und Sauberkeit. 

Als ich kurz nach 17:00 Uhr eintraf, stand auf dem Podium an der Stirnseite der Halle E ein Volksmusik-Ensemble, das mir vom "Wolke 8"-Sommerfest von 2023 bekannt vorkam, und brachte neugierigen und willigen Gästen zuerst die Anfänge des Schuhplattelns und danach einen Jodler bei, nicht einen mit dem schlagartigen Wechsel zwischen Brust-, Kehlkopf- und Kopfregister, der für Anfänger kaum zu schaffen ist, sondern einen sanften Andachtsjodler, der gesungen und getönt wird, aber mit Kehlkopfakrobatik nichts zu tun hat.

Zur linken Hand waren bereits die Brandschutztore zur Isarphilharmonie geöffnet, aber noch nicht die Flügeltüren aus schlichtem hellen Holz dahinter. Auch diese zusätzlichen Holztüren vor dem Saal hatte es beim Besuch des "Wolke 8"-Sommerfestes vor zweieinhalb Jahren noch nicht gegeben. 

Ich trat auf die Saalordner in Uniform zu, die vor den Toren Wache hielten, und fragte, ab wann man eintreten dürfe."Voraussichtlich ab 18:15", antwortete eine Dame in Uniform. "Aber Sie wissen auch: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!"
"Übrigens" fiel eine Kollegin von ihr ein, "um 18:00 Uhr wird hier im Erdgeschoss die Geburtstagstorte angeschnitten." 

Jetzt war es 17:20 Uhr, so dass mir noch genügend Zeit blieb, um ins Obergeschoss hinauf zu gehen, wo Musiker der Münchner Philharmoniker kleine Soli spielen und für Fragen interessierter Gäste zur Verfügung stehen würden. 

Die rau und schmucklos gehaltene, von schwarzen Stahlgeländern gesäumte Betontreppe, der ich nun folgte, schien in meinen Augen eher zu einer Fertigungs- oder Lagerhalle zu führen als zu den Rängen eines Konzertsaals; und in dem schmalen, langgezogenen, ebenso rauen und schmucklosen Korridor wirkten die beiden Musiker, die einander an seinen Enden gegenüber standen, ein wenig einsam und verloren.

Doch mitteilsam waren beide, der hochgewachsene stattliche Herr am Kontrabass am rechten Ende des Ganges wie auch der kleine schmächtige mit seiner Violine am linken; und jeder widmete sich den Neugierigen, die zu ihnen heraufgekommen waren, mit einem freundlichen Lächeln. 

Vom Jazz und Swing kenne ich den Kontrabass hauptsächlich als gezupftes Rhythmus-Instrument; doch dieser Musiker der Münchner Philharmoniker strich mit einem Bogen über seine Saiten, so dass er sanft, samten und glutvoll wie ein Cello klang. Als ich den Bassisten fragte, ob es möglich sei, bestimmte Stücke, die dem Cello vorbehalten sind, auch auf dem Kontrabass zu spielen, bejahte er. Auf meine Frage, wer sein Lieblingskomponist sei, nannte er Gustav Mahler. Bei seiner Spielweise und dem Klang seines Instruments hätte ich eher auf Schumann oder Brahms getippt...

Eine andere Zuschauerin fragte ihn nach dem Alter und Wert seines Instruments. Dieser Kontrabass mit seinem dunkel, fast schwarz schimmernden Holz stammte aus dem 18. Jahrhundert und war gut € 250.000,-- wert; ein Eigentum der Münchner Philharmoniker, das gewiss sorgsam gehegt und bewacht wird. Auf meine Frage hin erklärte der Kontrabassist, dass es ähnlich aufwändig und kostspielig ist, sein Instrument zu transportieren wie bei einer Harfe, und obwohl ein Kontrabass längst nicht so zart und fein gebaut ist wie eine Harfe, verträgt auch sein Korpus und vertragen auch seine Saiten Transporte und Umzüge nicht gut.

Die Violine des Geigers am anderen Ende des Korridors hingegen war erst 40 Jahre alt - sie gehörte ihm seit seinem achten Lebensjahr -, und stammte aus New York. Anders als das Instrument seines Gegenübers ist sie leicht zu tragen und kann überall hin mitgenommen werden. 

Doch ganz gleich, wie "jung" oder "alt" es sein mag, teuer und kostbar ist jedes Instrument, das ein Orchestermusiker sein eigen nennt und mit dem er beinahe verwachsen ist, wenn er sein Leben lang als Berufsmusiker spielt und jeden Tag acht Stunden probt bzw. am Abend mit seinem Ensemble auftritt...

Genau in der Mitte des Korridors stand ein Klavier aus schwarzem Ebenholz, an dem um 18:15 Uhr ebenfalls ein Solist spielen und Auskunft geben sollte. Doch ich fürchte, sein Auftritt auf der Galerie der Isarphilharmonie ging ein wenig unter, denn um 18:00 Uhr tönte aus dem Erdgeschoss die Ankündigung über alle Ebenen der Halle hinweg: "Liebe Gäste, es ist soweit: Wir schneiden die Geburtstagstorte an! Wenn Sie sich bitte an der rechten Seite anstellen und dann mit der Torte auf der linken Seite weggehen würden..." Wenn ich mich rechtzeitig für das Münchner Kammerorchester anstellen wollte, um mir einen Platz auf der Bühne der Isarphilharmonie zu sichern, würde mein Zeitfenster für die Torte knapp werden! 

Als ich ins Erdgeschoss hinabstieg und an die Schlange zur Rechten aufschloss, reichte der Vorrat an Tellern und Servietten noch, doch Gabeln wurden bereits zur Mangelware. Immerhin rückte die Schlange erstaunlich rasch vorwärts, so dass ich gute Chancen auf mein Gratisstück hatte! Einen Teller und eine Serviette hatte ich bald in der Hand, und dann stand ich auch schon vor der Anrichte.

Im Urzustand hatte die Geburtstagstorte einen Umfang von über einem Quadratmeter eingenommen; doch keine Viertelstunde nach dem offiziellen Anschnitt sah sie aus, als sei ein Termitenheer über sie hergefallen. Gleichwohl balancierte ich nur eine Minute später mein Stück auf dem Teller!

Es war mit Himbeersirup und Puderzucker glasiert und mit einer weißen Wellenlinie aus Zuckerguss versehen, bestand aus drei Schichten Biskuit-Nussboden, und an der bayerischen Creme zwischen den Böden hatte die Konditorei nicht gespart. Kurz, sie sah professionell aus und versprach einen sündhaft-köstlichen Genuss! Leider waren die Gabeln inzwischen endgültig ausgegangen, so dass ich mir mit meiner Serviette zu helfen versuchte.

Das Konditor-Meisterwerk schmeckte ebenso köstlich wie es aussah. Nur: Wer schon einmal versucht hat, eine Cremetorte mit Hilfe einer Serviette zu essen, weiß, wofür und wozu man die Gabel erfunden hat... Immerhin habe ich mir mein Stück einverleibt, ohne auf meinem Beistelltisch oder meiner Kleidung für eine Schweinerei zu sorgen!

Kaum war ich meinen Teller auf der Anrichte der Caféteria losgeworden, war es auch schon Zeit, um sich für das Konzert des Münchner Kammerorchesters anzustellen; und um 18:20 Uhr stießen die Saalordner die Tore auf. Schon zum zweiten Mal marschierte ich mit den anderen Gästen durch das Parkett nach vorne zur Rampe und betrat nach Unterzeichnung des Haftungsausschlusses die Bühne der Isarphilharmonie.

An diesem Abend waren die Stühle für die Gäste nicht neben denen mit den Notenständern und den aufgeschlagenen Partituren platziert, sondern in drei Reihen hinter ihnen. Offenbar war es für die Musikerinnen und Musiker des MKO beim "Wolke 8"-Sommerfest doch ein wenig irritierend gewesen, auf einmal wildfremde Laien direkt neben sich sitzen zu haben, während sie auf ihre Noten und Musikerkollegen achtzugeben hatten...

Wenn es erlaubt wäre, würde ich klassische Musik gern immer auf diese Weise hören: auf dem hell erleuchteten Parkettboden mit seinen kreisrunden Segmenten, die nach den Erfordernissen eines Stückes angehoben oder gesenkt werden können, während ich von meinem Sitz aus die Bögen der Streicher über den Steg ihrer Instrumente eilen sehe und der Holzboden unter mir unter den Schallwellen der Töne leise vibriert. In Momenten wie diesen möchte ich nichts als dasitzen und mich in den Wohlklang der Streicher hüllen wie in ein weiches kostbares Tuch...

Leider ist der Zuschauerraum einschließlich der Ränge und der Decke unverändert kohlrabenschwarz, so dass ich immer noch an Kreuz, Gruft und Grabesluft denken muss, wenn ich den Blick zufällig einmal von den Instrumenten wende und nach oben und in die Runde richte...

Der Abend mit dem MKO begann mit der 1. Symphonie in C-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach, nach Friedemann der zweite begabte Musikersohn von Johann Sebastian Bach, der von Leipzig nach Hamburg wechselte und dort sowohl die Stücke seines Vaters als auch seine eigenen mit Erfolg aufführte.

C.P.E. Bach hat durchaus seinen eigenen Stil; frischer, anmutiger und zugleich gefühlvoller als der seines berühmten Vaters, dessen Kompositionen - vor allem seiner geistlichen Musik - nach meinem Empfinden etwas Herbes und Strenges innewohnt, das der klaren, unerbittlichen Logik seiner Harmonielehre folgt. Bei J.S. Bachs Sohn kann man die Figuren, Verneigungen und Compliments des Rokoko förmlich sehen, während er zugleich auf deutliche Kontraste in der Dynamik und den Wechsel zwischen rasch dahineilenden und bedächtig atmenden Passagen setzt.  

Es hilft, den Melodiebögen genauer zu folgen, wenn ein Experte wie Ulrich Habersetzer von BR Klassik die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf bestimmte Tempiwechsel, Einsätze und Dialoge der Streichergruppen lenkt und besondere Feinheiten der Komposition hervorhebt.

Auch - zumindest mir -, wenn ein junger Dirigent wie Xandi van Dijk sichtlich für die Musik und die Stücke brennt, die sein Orchester spielt, und die Gewohnheit hat, jede musikalische Phrase mit den Bewegungen seines ganzen Körpers und leisem, aber deutlich hörbarem Raunen und Flüstern wiederzugeben. Hat Xandi van Dijk seine Technik von Sir Simon Rattle übernommen? War er irgendwann bei ihm in einem Meisterkurs gewesen?

Nach dem Ausflug in die Generalbasszeit stand auch an diesem Abend ein modernes Stück eines lebenden zeitgenössischen Komponisten auf dem Programm, "Wald" von Enno Poppe. Einfach nur ein Wald? Wohl eher der verbotene Wald von Hogwarts in der Walpurgisnacht oder in den Rauhnächten!

Da waren Gnome, Kobolde und Trolle, die brummend und grummelnd durch das Unterholz polterten; Hexen, die Tränke brauten und über dem Kessel tuschelnd und kichernd ihre Zaubersprüche raunten; mittendrin das Gejaule und Geschrei zweier liebestoller Kater, die einander im Streit um eine Favoritin in die Wolle gerieten; und zwischendurch das Jammern und Wimmern unerlöster Seelen...Kurz, ein Wald, dessen Lauten man in einem Konzertsaal aufmerksam und gespannt lauscht, in dem man aber nicht um Mitternacht oder in der frühen Dämmerung unterwegs sein möchte!

Doch dann war die Zeit auf der Bühne der Isarphilharmonie leider auch schon wieder zu Ende. 

Es stand der letzte Programmpunkt dieses Abends an; der Versuch, Musik, Literatur und darstellende Kunst zu einem Gesamtkunstwerk zu verschmelzen, der im Saal X stattfinden sollte. Ich war gespannt, auf welche Weise dies vonstatten gehen würde; denn genau jene drei Elemente - die Welt der Klänge, des Wortes und der bildhaften Darstellung - haben in meinem Bewusstsein und meiner Vorstellungswelt seit jeher zusammengehört.

Also verließ ich die Halle E, überquerte den Campus und hielt auf die sandsteinfarbene Front des Saales X zu. Wie ich es bereits bei seiner Einweihung für richtig gehalten hatte, waren heute im Parkett gepolsterte Stühle dicht aneinandergereiht, damit das Publikum nicht nur Rock- und Pop-Konzerte, sondern auch Vorträge und Stücke anhören konnte, die Stille und Konzentration erforderten. Die schlichten schwarzen Wände und der kompakte, in sich geschlossene Raum erinnern mich stark an die Black Box im alten Gasteig; und wie dort gibt es auch an der Stirnseite des Saales X eine erhöhte, erstaunlich geräumige, im Gegensatz zum Zuschauerraum hell erleuchtete Bühne.

Über der Bühne war das Motto und der Inhalt der Vorstellung an die Wand projiziert: "Über Tyrannei - Zwanzig Lektionen für den Widerstand", ein Graphic Novel, dessen Worte und Texte Timothy Snyder verfasst und Nora Krug in Zeichnungen umgesetzt hat. In diesem Graphic Novel geht es um den Widerstand, den Menschen gegen die NS-Diktatur geleistet haben, und auch um die Regeln bzw. Verhaltensweisen, mit deren Hilfe man gegen ein totalitäres Regime oder System Widerstand leisten kann. Während Bilder an die Wand projiziert wurden, sollte jemand Passagen aus diesem Werk vorlesen und danach ein Streichquartett das Gelesene ins Gemüt sinken lassen. 

Da die zwanzig Lektionen - eher Leitsätze - für den Widerstand vor Beginn der Veranstaltung ebenfalls an der Wand zu lesen standen, nahm ich an, dass die Vorleserin auf diese zwanzig Punkte nach und nach eingehen würde; und auch, dass Vortrag, Bild und Musik zu einer fließenden Collage verschmelzen würden, die Verstand, Gemüt und Sinne gemeinsam erfassten und mitnahmen.

Doch leider kam es anders. Die Zeichnungen, die im Lauf der Veranstaltung über der Bühne erschienen, erschienen mir so nüchtern und trocken wie die Graphiken und Leitsätze, die ein Overhead-Projektor in der Schule oder in einem Workshop an die Wand warf.

Es wurde kaum von Episoden aus dem Widerstand gegen das NS-Regime erzählt und auf keine der angekündigten zwanzig Lektionen eingegangen. Nur aus dem Prolog und Epilog trug die Vorleserin einige Passagen vor: zum einen, wie wichtig es ist, sich ein Bewusstsein für Geschichte zu bewahren, und dass Geschichte nicht vergessen und abgetan werden darf, wenn sich die Fehler vergangener Generationen nicht wiederholen sollen; und zum anderen, dass es gilt, sich der Sprache und Rhetorik von Diktatoren bewusst zu widersetzen. 

Und zwischen den gelesenen Textpassagen spielte das Streichquartett ausnahmslos Stücke, die von bleischwerem Gram erfüllt waren.

Trocken-moralisierende Abhandlungen und brütende Trauermusik sind nicht gerade etwas, das Gemüt und Sinne anspricht und mitnimmt; sie wirken wie die gewichtige Rede des Rektors einer Schule bei einer offiziellen Feier in der Aula, der man sich nicht entziehen kann und die man über sich ergehen lässt. Ich kann es jenen, die sich im Zuge der Veranstaltung erhoben und den Saal verließen - und es waren ihrer einige -, nicht verdenken und wäre vielleicht auch gegangen, wenn die Worte und ihr Sinn nicht richtig und wichtig gewesen wären. 

Die gesamte Veranstaltung setzte meinem Gemüt und auch dem anderer Zuschauer einen Dämpfer auf, so dass wir, als sie zu Ende ging, den Saal X in stiller, beklommen-bedrückter Stimmung verließen. 

Hiermit endete auch der offizielle Teil der Jubiläumsfeier "40 Jahre Gasteig". In der Halle E hätte es jetzt noch anderthalb Stunden Musik von einem DJ gegeben, aber danach war mir nicht zu Mute; also verließ ich das Gelände und ging zur U-Bahn-Station Brudermühlstraße, um nach Hause zu fahren. 

Bis zu diesem Gesamtkunstwerk im Saal X war der Abend für mich eine kurzweilige, anregende und auch lehrreiche Zeit gewesen, die ich genossen und gerne mitgenommen habe. 

Doch muss es sein, dass man Menschen, die eine Feier besuchen und sie genießen, einen Abend lang ihre Sorgen und Nöte hinter sich lassen wollen, mit Moralpredigten Gesinnung beibringt und sie mit beschwertem Sinn und Gemüt in die Nacht entlässt?