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Blog

Besonderheiten aus München und Oberbayern

Seit 31 Jahren lebe ich nun schon in und um München und Oberbayern...



Vorwort zu meinem Blog-Bereich „Brauchtum, Feste, Märkte und Besonderheiten in München und Bayern“

Seit 31 Jahren lebe ich nun schon in und um München und Oberbayern – ursprünglich komme ich aus dem Frankenland – und kann immer noch nicht sagen, dass ich München und das, was sich darin und darum so alles tut, wie meine Westentasche kenne. Zum einen verschlägt es mich immer wieder in neue Münchner Stadtteile, Orte in Oberbayern oder auch im Frankenland, an denen ich noch nicht war, weil sie vorher irgendwie nicht in mein Bewusstsein gerückt sind. Zum anderen gab und gibt es in München und ganz Bayern Bräuche, Feste, Märkte und Besonderheiten, und diese sind entweder

  • uralt und waren schon immer da,
  • uralt, wurden aber erst in unserer Zeit wieder neu zum Leben erweckt oder
  • Im Lauf der Jahre und Jahrzehnte neu und auf sehr originelle Weise dazugekommen.
Von solchen „Phänomenen“ im weitesten Sinn möchte ich in diesem Bereich erzählen und würde mich freuen, wenn auch Ihr dazu etwas zu erzählen hättet.


12.10.2025 - Aus der Welt der bildenden Künste - Schnitzeljagd einmal anders - "Kunst in Sendling"
Erinnern sich einige meiner geneigten Leserinnen und Leser noch an Wandertage oder Ausflüge, die mit einer Schnitzeljagd verbunden waren? Sie wissen schon, dieses alte Pfadfinderspiel, bei dem es Aufgaben zu lösen oder Dinge zu finden gilt, die auf einem Parcours an an bestimmten Orten versteckt sind und zu denen Hinweise in Form von Pfeilen und Symbolen führen? So ähnlich geht es zu, wenn zwischen Harras, Großmarkthalle und der alten Sendlinger Pfarrkirche die Ausstellungsreihe "Kunst in Sendling" stattfindet; ein Wochenende, an dem die Maler, Skulpturisten, Fotodesigner und andere Künstler entlang der Plinganser- und Oberländerstraße ihre Ateliers öffnen bzw. ihre Werke in Räumen ausstellen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden. Wenn es in der Info-Broschüre heißt, dass die Veranstaltung am Freitag ab 18:00 Uhr, am Samstag ab 14:00 Uhr und am Sonntag ab 12:00 Uhr eröffnet wird, ist dies nicht an jedem Ausstellungsort wörtlich zu nehmen. Zwar haben viele der Beteiligten ihre Räume und Werke zu dieser Zeit für den Empfang ihrer neugierigen Gäste vorbereitet, aber manche beginnen erst, sich und ihre Objekte einzurichten; sprich, man sollte auf dem Weg durch das Herz von Sendling Zeit und Muße mitbringen. Weshalb ich im Titel meines Artikels und in der Einleitung "Kunst in Sendling" mit einer Schnitzeljagd vergleiche? Weil man durch Sträuße aus bunten Luftballons zu den einzelnen Ateliers und Schauräumen geleitet wird, und weil sie einem nicht sofort ins Auge springen; meist muss man treppauf, treppab nach ihnen suchen, ob in den Gebäuden oder in einem der stillen, verwinkelten, tiefgelegten Hinterhöfe der Plinganserstraße.


Aus der Welt der bildenden Künste

Schnitzeljagd einmal anders - "Kunst in Sendling"


Erinnern sich einige meiner geneigten Leserinnen und Leser noch an Wandertage oder Ausflüge, die mit einer Schnitzeljagd verbunden waren? Sie wissen schon, dieses alte Pfadfinderspiel, bei dem es Aufgaben zu lösen oder Dinge zu finden gilt, die auf einem Parcours an an bestimmten Orten versteckt sind und zu denen Hinweise in Form von Pfeilen und Symbolen führen?

So ähnlich geht es zu, wenn zwischen Harras, Großmarkthalle und der alten Sendlinger Pfarrkirche die Ausstellungsreihe "Kunst in Sendling" stattfindet; ein Wochenende, an dem die Maler, Skulpturisten, Fotodesigner und andere Künstler entlang der Plinganser- und Oberländerstraße ihre Ateliers öffnen bzw. ihre Werke in Räumen ausstellen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden.

Wenn es in der Info-Broschüre heißt, dass die Veranstaltung am Freitag ab 18:00 Uhr, am Samstag ab 14:00 Uhr und am Sonntag ab 12:00 Uhr eröffnet wird, ist dies nicht an jedem Ausstellungsort wörtlich zu nehmen. Zwar haben viele der Beteiligten ihre Räume und Werke zu dieser Zeit für den Empfang ihrer neugierigen Gäste vorbereitet, aber manche beginnen erst, sich und ihre Objekte einzurichten; sprich, man sollte auf dem Weg durch das Herz von Sendling Zeit und Muße mitbringen.

Weshalb ich im Titel meines Artikels und in der Einleitung "Kunst in Sendling" mit einer Schnitzeljagd vergleiche? Weil man durch Sträuße aus bunten Luftballons zu den einzelnen Ateliers und Schauräumen geleitet wird, und weil sie einem nicht sofort ins Auge springen; meist muss man treppauf, treppab nach ihnen suchen, ob in den Gebäuden oder in einem der stillen, verwinkelten, tiefgelegten Hinterhöfe der Plinganserstraße.

Zu den Werken des Fotografen und Designers Jonathan Gordon zum Beispiel gelangt man durch den Torbogen der Scheune des Stemmerhofes und über die Treppe, die zum Sendlinger Hoftheater führt, sprich in den ersten Stock hinauf. Nach rechts geht es zum Foyer des Theaters, und nach links in sein Atelier.

Begonnen hat Jonathan Gordon die Präsentation seiner Werke mit Möbeln und Objekten, die er in einem Raum oder einer Landschaft platziert und den Betrachter zum Innehalten bringt. In diesem Jahr hat er sich auf zwei Collagereihen fokussiert: "Emblems" rückt die Darstellung von Händen in den Mittelpunkt, die in einen Handschuh gehüllt sind oder einen Gegenstand halten - einen Geldschein, einen Rührbesen oder ein Wollknäuel zum Beispiel -, und "Flowers are Dying. Lets Buy Jewels", wo zart und fein gestaltete Blüten, Stiele und Zweige in ein unverkennbar blutiges Rot getaucht sind oder Menschen unter Kaskaden von Blüten fast begraben sind, die jene Menschen schier verschlingen...

Einen Stock höher, im Obergeschoss unter dem Dach, hat Miriam Paschke ihr Atelier und ihre Malschule eingerichtet, in der sie Interessierte jeden Alters den Umgang mit Aquarell- und Acrylfarben lehrt und ihre Werke nach zwei grundlegenden Vorgehensweisen erschafft: entweder in Gestalt einer Fotocollage, die sie teilweise übermalt, oder mit Acryl- und Aquarellfarben. Letztere erzeugen das typische Ineinanderfließen der Formen und Farben, von dem ihre florealen Gemälde geprägt sind. Bei Miriam Paschke dominieren entweder warme Rottöne oder der Kontrast von Grün und Gelb.

An der Ausstellungsreihe beteiligt sich auch die Pfarrgemeinde St. Margarethen und stellt dafür den Pfarrsaal und das Untergeschoss der Margarethenkirche zur Verfügung. Zwar liegen in den Tiefen der klassizistischen Kirche aus der Mitte des 19. Jahrhunderts mit ihrer markanten Kuppel und dem weithin sichtbaren Glockenturm keine Gebeine von Heiligen oder Geistlichen begraben; doch weil man über eine Außentreppe in die Tiefe hinabsteigen und den Kopf einziehen muss, wenn man durch das niedrige kleine Portal die "Unterkirche" betritt, nenne ich diesen Raum unter der Erde für mich selbst "die Krypta".

In diesem Jahr haben sich Manuela Müller und Elke Unkrig in der "Krypta" einquartiert und mit ihren Objekten die Vergänglichkeit und Auflösung jeglichen Seins hervorgehoben. 

Manuela Müller ist dafür bekannt, dass sie Formen in einer Collage arrangiert oder die von ihr erwählten Motive in einer Video-Installation zeigt. So hat sie an einer Wand aus Jute eine Handvoll großer Amaryllisblüten, die in tiefem, sattem Violett schimmern, aber bereits welken, mit der Blüte nach unten aufgehängt oder aus champagnerfarbenem Filetgarn ein Netz gehäkelt und es mit weißen und goldgelben Blütenknospen übersät. 

In der Video-Installation "Panta Rhei" zeigt sie die Rolltreppe der U-Bahn am Marienplatz und Menschen, die ständig aufwärts und abwärts fahren, und bringt dadurch zum Ausdruck, wie wir Menschen in einem stetigen, unaufhaltsamen Strom durch Zeit und Raum fließen. 

In "Was bleibt" sieht man den kobaltblauen Spiegel des Königssees, über dem sich die Berge des Watzmann-Massivs erheben. Während See und Gebirge still und reglos vor dem Auge des Betrachters liegen, geht über die Video-Installation auf dem Monitor ein stetiges leises Flirren hinweg. Mit anderen Worten: Auch wenn sich eine Landschaft vor dem Auge des Betrachters nicht verändert, nagt dennoch ständig der Zahn der Zeit an ihr...

Auch die Skulpturistin Elke Unkrig spricht in ihrem Schaffen von Auflösung  und Vergehen, verwendet indes für ihre Darstellungsweise andere Materialien: Holzscheite mit Astlöchern, Querschnitte von Baumstämmen mit Jahresringen und alte knorrige Wurzelstöcke. 

Der mächtige Querschnitt eines Baumstamms, der von einem dunklen Loch ausgehöhlt ist, erinnert an die schimmernden Spitzen von Amethysten in einer Druse, zeigt indes lediglich dunkles altes Holz. Zwei knorrige alte Wurzelstöcke, ineinander geschoben, fast verflochten, halten zwischen sich die Windrose eines Kompasses in der Schwebe. Nackt und dürr wie ein mahnend erhobener Finger steht das Fragment eines Astes im Raum...

In einer Skulpturcollage, die Elke Unkrig den Veränderungen menschlicher Beziehungen in den Corona-Jahren 2020 bis 2022 gewidmet hat, erinnert die Maserung von Holzscheiten, die sie aufgestellt und an der Wand aneinandergereiht hat, an menschliche Silhouetten, die schmal und niedergedrückt wirken und durch die hölzernen Wälle, die sie hoch und undurchdringlich umschließen, voneinander isoliert sind.

All diese Skulpturen ziehen die Aufmerksamkeit des Betrachters unweigerlich auf sich und erfüllen das Gemüt mit nachdenklichem Sinnen, das mit der Zeit in leise Beklemmung übergeht, wenn man ihren Anblick auf sich wirken lässt...

Andere Farbtöne und ein anderes Flair bot die Gemeinschaftsausstellung im Pfarrsaal von St. Margarethen, zu der sich die Malerinnen Kati Weiß, Brigitte Karg, Gabriele Behr und Roswitha Huber zusammengeschlossen haben. Obgleich Stil und Ausdruck im Saal von Ecke  zu Ecke variierten, zeigten die Gemälde dieser vier Künstlerinnen ausnahmslos Licht, Lebendigkeit und Zuversicht.

Im Schaffen von Kati Weiß und Brigitte Karg dominieren Blau-, Grün- und Gelbtöne auf weißem Grund. Doch während die Formen in den abstrakten Gemälden von Kati Weiß so rund, strukturiert und regelmäßig sind, als hätte sie ihre Formen und Farben mit einem Druckstempel aufgetragen, stellt Brigitte Karg meist eine abstrakte Form in den Mittelpunkt ihres Gemäldes, die wie eine Art Welle in ihre Umgebung überfließt. Bei den Bildmotiven von Kati Weiß denke ich automatisch an Lebensfreude und Zuversicht, während jene von Brigitte Karg zwar Kraft und Fülle, aber nach meinem Empfinden mehr Tiefe und Gewicht ausstrahlen.

Mit kraftvollem Purpur- und Weinrot setzt Gabriele Behr gegen das Blau, Grün und Gelb von Kati Weiß und Brigitte Karg einen deutlichen Kontrapunkt. Während die Farben ihrer beiden Malerkolleginnen lebendig, anregend und frisch wirken, verströmen sie bei Gabriele Behr eine anheimelnde, fast intime Wärme und Glut.

Und während die Motive und Formen der drei vorgenannten Malerinnen ausnahmslos abstrakt bleiben, setzt ihre Kollegin Roswitha Huber auf die konkrete, eindeutig erkennbare Gestalt von Blumen, die zum Strauß arrangiert sind oder auf einer Wiese im Wind wehen. Bei Roswitha Huber vereint sich alles zu einem Ganzen: das Lebendige und Frische mit dem Warmen und Anheimelnden. 

Mit einer ebenso ungewöhnlichen wie interessanten Idee wartete an diesem Wochenende Susanne Müller auf, die sich im Erdgeschoss eines jener Gebäude einquartiert hatte, die in den Hinterhöfen der kleinen "Tiefebenen" liegen, die man von der Plinganserstraße über ein paar Stufen erreicht. 

Ihre Idee hängt damit zusammen, dass der Umgang mit Pinseln und flüssigen Farben zwar Spaß macht, aber auch mit Klecksen und Spritzen einhergeht; sprich, wer malt, beschmiert fast unweigerlich sein Hemd, T-Shirt oder seinen Kittel mit Farbe. 

Und Susanne Müller hat aus dieser Tatsache eine Kunstform gemacht: In ihrem Atelier an der Treppe hängen an Kleiderbügeln T-Shirts und Hemden, die reichlich mit Klecksen und Streifen jeglicher Couleur versehen sind. Die Farbkontraste und -übergänge sind bewusst gesetzt; doch die Farben sind asymmetrisch und roh aufgetragen, sollen unfertig, wild und ungezähmt wirken. 

Vor diesem Besuch hatte ich noch gar nicht gewusst, dass kleine Schweinereien auf der Kleidung eine solch lebendige, durchaus ansprechende Wirkung haben können...

Als Letztes suchte ich den kubanischen Maler Nelson Ramos Sandoval auf, der aktuell mit seinen Werken in München gastiert und sich an diesem Wochenende ebenfalls im Tiefgeschoss eines fast leerstehenden Gebäudes an der Plinganserstraße einquartiert hatte.

Auch wenn seine Heimat Kuba zu den Inseln der Karibik gehört, kommen mir bei seinen farbenfrohen, rhythmisch strukturierten Darstellungen die Kalender der Maya und Azteken in den Sinn mit ihren kreisförmig angeordneten, den Zyklen von Sonne und Mond und den Sternzeichen im Lauf der Jahreszeiten entsprechenden Mosaiken und ihren kraftvollen, lebendigen Farben.

Doch während bei den Maya und Azteken runde oder rechteckige Formen dominieren, sieht man in den Gemälden von Nelson Ramos Sandeval überwiegend Blasen und Augen, die über das ganze Bild hinweg tanzen, die sehen, für den Betrachter aber nicht zu fassen sind. 

Und während manche Bilder der Maya und Azteken etwas Dunkles, manchmal auch latent Grausames haben, sind Sandovals Bilder von Licht, Lebensfreude und Heiterkeit geprägt; so als feiere dieser Maler das Leben schlechthin, ohne Gedanken an Blut und Opfer.

Allerdings zeigte es sich an diesem Nachmittag auch, dass die Natur zuweilen jeden Künstler in den Schatten stellt.

Das Geländer vor einem der kleinen tiefgelegten Höfe an der Plinganserstraße war von rot-grünem Weinlaub überrankt, und das Farbenspiel des Weinlaubes wie auch der von keiner menschlichen Hand bewirkte Schwung des Rankenwerks übertraf manch ein Gemälde an Klarheit, Schönheit und Wirkung.
 

Mein Fazit:

Für mich hat sich die Schnitzeljagd durch Sendling auf den Spuren der Kunstschaffenden, die ihre Werke in der Öffentlichkeit zeigten, in jedem Fall gelohnt; eine ebenso anregende wie Geist und Sinne bildende Möglichkeit, den Nachmittag zu verbringen!
  
 



12.10.2025 - Als die Pferde ausgespannt wurden - "Pioniere der Mobilität" im Sudetendeutschen Museum
Unter dem Titel "Pioniere der Mobilität" gastiert derzeit eine kostenlose Sonderausstellung im Erdgeschoss des Sudetendeutschen Museums, die in Aquarellen, Schwarz-Weiß-Fotos und Modellen von der Zeit erzählt, als das Automobil die Pferdefuhrwerke ablöste, die zuvor jahrhundertelang weltweit die einzigen Transportmittel für Güter und Menschen gewesen waren. Ja, kaum jemand weiß heute noch, dass die ersten Eisenbahnzüge auf den Schienen noch von Pferden gezogen wurden! 1832 veranlasste Franz Joseph Ritter von Gerstner, dass zwischen Brünn in Mittelböhmen und Linz in Niederösterreich die erste Pferde-Eisenbahn vom Stapel lief, die sechs Jahre lang Menschen und Güter im Pendelverkehr transportierte... bis im Jahr 1838 ein stählernes Ungetüm auftauchte, das gleich einem Drachen Dampf und Qualm spie und die Pferde ablöste.  Einmal war ich in Prien mit der Schmalspurbahn unterwegs, die zwischen dem Bahnhof und der Uferpromenade des Chiemsees verkehrt, ein andermal mit "Freunden der Dampf-Eisenbahn" auf einer Pfingstfahrt rund um München, und kann dazu nur sagen: Es ist ein beeindruckendes Spektakel, wenn der Dampf aus dem Heizkessel die Zugmaschine anbläst und in Gang setzt. Als erstes hört man ein langgezogenes Zischen und Fauchen, das sich mindestens dreimal wiederholt, bis das Zischen und Fauchen in kurze aber kraftvolle Stöße übergeht. Erst dann beginnen die Kolben der Zugmaschine zu pumpen und übertragen ihre Kraft über die Kurbelwelle in einer runden gleichmäßigen Kreisbewegung auf die Räder, die den Zug langsam und gemächlich auf seinen Schienen am Bahnsteig entlang gleiten lassen... Kurz und gut, ich spreche von der Dampflokomotive, die in ihrer Konstruktion gute hundert Jahre lang gleich blieb und über die Jahrzehnte hinweg nur größer und leistungsstärker wurde. Angeregt von Franz Freiherr von Ritterhofer, dem Gründer und Leiter des Ritterhofer-Werks, das diese Dampflok erbaut hatte, entstand ab 1838 die erste Bahntrasse zwischen Olmütz, Brünn und Prag; sprich, eine ständige Verbindung zwischen Mähren im Osten und Böhmen im Westen.  Gut fünfundzwanzig Jahre später gelang es den Menschen, nicht nur mit Dampf, sondern auch mit den magnetischen Eigenschaften des Stahls und der Kraft der Elektrizität Räder und Zugmaschinen anzutreiben. Die revolutionäre Entwicklung der Elektrizität, die nicht nur in den Städten Europas abends und nachts für "Erleuchtung" sorgte, sondern auch Motoren jeglicher Art antrieb, sorgte im Jahr 1900 erstmals mit einem elektrisch betriebenen Automobil für Aufsehen.


Als die Pferde ausgespannt wurden - Pioniere der Mobilität im Sudetendeutschen Museum


Wie im Fall des Schriftstellers Otfried Preußler bin ich durch das Sudetendeutsche Museum auf einen weltbekannten Landsmann gestoßen, von dem ich nicht gewusst hatte, dass auch er aus dem Sudetenland stammte: Ferdinand Porsche aus Mallersdorf, ein kleiner Ort in der flachen Teichlandschaft Mittelböhmens, nicht weit von der deutschen Sprachinsel Iglau (Jíhlava) entfernt.

Unter dem Titel Pioniere der Mobilität gastiert derzeit eine kostenlose Sonderausstellung im Erdgeschoss des Sudetendeutschen Museums, die in Aquarellen, Schwarz-Weiß-Fotos und Modellen von der Zeit erzählt, als das Automobil die Pferdefuhrwerke ablöste, die zuvor jahrhundertelang weltweit die einzigen Transportmittel für Güter und Menschen gewesen waren.

Ja, kaum jemand weiß heute noch, dass die ersten Eisenbahnzüge auf den Schienen noch von Pferden gezogen wurden! 1832 veranlasste Franz Joseph Ritter von Gerstner, dass zwischen Brünn in Mittelböhmen und Linz in Niederösterreich die erste Pferde-Eisenbahn vom Stapel lief, die sechs Jahre lang Menschen und Güter im Pendelverkehr transportierte... bis im Jahr 1838 ein stählernes Ungetüm auftauchte, das gleich einem Drachen Dampf und Qualm spie und die Pferde ablöste. 

Einmal war ich in Prien mit der Schmalspurbahn unterwegs, die zwischen dem Bahnhof und der Uferpromenade des Chiemsees verkehrt, ein andermal mit "Freunden der Dampf-Eisenbahn" auf einer Pfingstfahrt rund um München, und kann dazu nur sagen:

Es ist ein beeindruckendes Spektakel, wenn der Dampf aus dem Heizkessel die Zugmaschine anbläst und in Gang setzt. 
Als erstes hört man ein langgezogenes Zischen und Fauchen, das sich mindestens dreimal wiederholt, bis das Zischen und Fauchen in kurze aber kraftvolle Stöße übergeht. Erst dann beginnen die Kolben der Zugmaschine zu pumpen und übertragen ihre Kraft über die Kurbelwelle in einer runden gleichmäßigen Kreisbewegung auf die Räder, die den Zug langsam und gemächlich auf seinen Schienen am Bahnsteig entlang gleiten lassen...

Kurz und gut, ich spreche von der Dampflokomotive, die in ihrer Konstruktion gute hundert Jahre lang gleich blieb und über die Jahrzehnte hinweg nur größer und leistungsstärker wurde. Angeregt von Franz Freiherr von Ritterhofer, dem Gründer und Leiter des Ritterhofer-Werks, das diese Dampflok erbaut hatte, entstand ab 1838 die erste Bahntrasse zwischen Olmütz, Brünn und Prag; sprich, eine ständige Verbindung zwischen Mähren im Osten und Böhmen im Westen. 

Gut fünfundzwanzig Jahre später gelang es den Menschen, nicht nur mit Dampf, sondern auch mit den magnetischen Eigenschaften des Stahls und der Kraft der Elektrizität Räder und Zugmaschinen anzutreiben. Die revolutionäre Entwicklung der Elektrizität, die nicht nur in den Städten Europas abends und nachts für "Erleuchtung" sorgte, sondern auch Motoren jeglicher Art antrieb, sorgte im Jahr 1900 erstmals mit einem elektrisch betriebenen Automobil für Aufsehen.

Es war kein Geringerer als Ferdinand Porsche, der das erste Automobil mit elektrischem Antrieb entwickelt und herausgebracht hat: den kupferfarbenen Victorieux Phaeton, der in meinen Augen mit seinen beiden hohen Rädern, dem eleganten Schwung seiner Achse und seiner verspielt-verschnörkelten Karosserie wie ein Kinderwagen für Erwachsene anmutet. 

Bodenständiger, sprich weiß, niedrig und kompakt gebaut war der Mixta, der erste Porsche-Serienwagen mit elektrischem Antrieb. Allerdings wurde er nur von 1895 bis 1905 produziert, da die Batterie den Motor oft erst nach etlichen Versuchen anspringen ließ und ziemlich rasch den Geist aufgab, wenn man unterwegs war. Und es war alles andere als einfach, überhaupt so etwas wie eine Tankstelle zu finden, an der man die Batterie aufladen konnte. 

Der Benzinmotor des Automobil-Prototyps, den Carl Benz erbaut hatte, die Benz Viktoria aus dem Jahr 1892, sprang zuverlässiger an und hielt auf der Fahrt länger durch als Porsches Elektro-Konstrukt. Gleicht der Victorieux Phaeton einem Kinderwagen im XXL-Format, so sieht die schwarz lackierte Benz Viktoria mit ihrer kastenförmigen Karosserie für mich wie eine Kutsche aus, vor der die Pferde eben erst ausgespannt wurden.

Was die Benz Viktoria mit Böhmen und Mähren zu tun hat? Nun, Carl Benz war mit den beiden Ingenieuren, Motorsportlern und - so muss man sie aus damaliger Sicht nennen - Abenteurern Theodor von Liebieg und Dr. Franz Stránsky eng befreundet. Beide lebten in Reichenberg (Liberec) am Fuß des Riesengebirges und verfolgten gemeinsam mit Carl Benz die Idee, die Tauglichkeit eines benzingetriebenen Automobils für den Personenverkehr mit einer Probefahrt zu beweisen. 

Die Fahrt der beiden wagemutigen Herren führte von Reichenberg über Dresden zum Benz-Stammwerk nach Mannheim, von dort am Rhein und an der Mosel entlang, u.a. an Bingen, St. Goar, der Lorelei und dem Deutschen Eck vorbei, und endete nach sechs Tagen und 619 Kilometern in Gonheim an der Mosel vor dem Landhaus der Familie Benz.

Theodor von Liebieg und Franz Stránsky haben in einem Tagebuch, reich illustriert mit Skizzen der Städte und Landschaften, durch die sie reisten, ihre Erlebnisse festgehalten. Ich finde, dass diese Tagebuch-Aufzeichnungen auch heute noch lesens- und bemerkenswert sind, weil jede Seite nicht nur von der puren Freude an der Sensation und am Fahren spricht, sondern auch von der Schönheit der Landschaften und Städte, die sie durchquerten. 

Heute sehen wir in der Benz Viktoria ein klappriges Schnauferl, das im Schneckentempo durch die Lande tuckert. Damals waren die beiden begeistert von der Zuverlässigkeit, mit der jeden Morgen der Motor ihres Vehikels ansprang und ohne Aussetzer lief, sobald er mit der Anlasserkurbel in Gang gesetzt war. 

In jeder Stadt, in der Liebieg und Stránsky mittags oder abends einkehrten, liefen die Leute zusammen, staunten über ihr Qualm spuckendes Etwas und wichen entsetzt zurück, als Dr. Stránsky sie davor warnte, in der Nähe ihres Wagens eine Zigarre anzuzünden; auf Grund des Benzins im Motor sei die Verpuffungsgefahr recht hoch. 

Viele fragten die beiden reisenden Abenteurer, wo sie ihre Pferde gelassen hätten; und die Pferde wiederum, die vor eine Kutsche gespannt ihren Dienst verrichteten, scheuten beim Anblick dieses stinkenden, lärmenden Monstrums.
Doch die Reise nahm ein glückliches Ende, und seither war der Siegeszug des Automobils nicht mehr aufzuhalten...

Doch während es die Namen Benz, Porsche und VW heute noch gibt, existierten damals Marken, die heute kaum jemand mehr kennt. 

Wer von uns weiß heute noch vom weißen kompakten Gatter mit seinem Textildach, der von 1907 bis 1927 gebaut wurde und im Einsatz war, das erste erschwingliche und familientaugliche Serien-Auto von Willibald Gatter? Oder vom noblen moosgrünen Tatra Delta, der Limousine der Reichenberger Automobilfabrik (R.A.F.), gegründet und geleitet von Alfred Neubauer und Hans Ledwinka?

Während das Böhmerland-Rad aus den 1930er Jahren - ein Motorrad für Spritztouren, auf dem drei bis vier Personen Platz fanden, aber vermutlich recht unbequem saßen, da die Sitzfläche pro Person nur klein ist und extrem niedrig liegt - aus heutiger Sicht einen skurril-schrägen Anblick bietet, hat sich am Erscheinungsbild der Fahr- und Motorräder, die ab 1927 von Laurin & Klement in Serie gefertigt wurden, im Lauf der Zeit nicht viel verändert. 

Die Form der Motorhaube, der Sitzfläche und der Karosserie wurde beim Motorrad von Typ zu Typ ein wenig abgewandelt, und der Motor brachte im Lauf der Jahrzehnte immer mehr PS und Geschwindigkeit zu Stande; aber die Gestalt der Fahr- und Motorräder ist auf Grund ihrer Logik und Zweckmäßigkeit von 1927 bis in unser 21. Jahrhundert fast gleich geblieben.

Was mir bis zu diesem Besuch auch nicht bewusst gewesen war: dass Porsche und Volkswagen einst unter ein Dach gehört haben. Denn es war kein anderer als Ferdinand Porsche, der Anfang der 1950er Jahre den VW Käfer herausbrachte, die beliebteste "Familienkutsche" der Deutschen in den Wirtschaftswunder-Jahren. 

Erst seit Anfang der 1960er Jahre gingen Volkswagen und Porsche getrennte Wege, wurde der VW zum erschwinglichen, bodenständigen Auto für alle und der Porsche zum ebenso rasanten wie eleganten Nobelschlitten und seit dem Carrera zum Rennwagen.

Na ja! Ich war ein paar Mal Beifahrerin in einem Porsche und finde, dass er extrem hart gefedert ist, einen jede Unebenheit der Straße spüren lässt und man ziemlich tief darin liegt, wie in einer Badewanne, die etwas zu eng ist, um bequem zu sein; auch macht sich jede Beschleunigung und jede Kurve höchst intensiv bemerkbar.

Ich kann mir nicht helfen, aber für meine Begriffe sitzt und fährt es sich in jedem VW bequemer und angenehmer; oder, wenn es eine gehobene Marke sein soll, in einem BMW oder Mercedes, in dem man lautlos und wie auf Wolken schwebt...

Wer sich diesen Ausflug in die Entstehungsgeschichte des Personen- und Güterverkehrs gönnen und ein wenig in Nostalgie schwelgen möchte: Die  Ausstellung Pioniere der Mobilität gibt es im Sudetendeutschen Museum noch bis Ende November 2025. 


 



30.08.2025 - Aus der Welt der bildenden Künste - Die Aussstellung "Fantasie und Realität" im Münchner Landratsamt
Die Buden- und Hüttenstadt der Auer Dult, überwacht von dem steil aufragenden gotischen Spitzturm der rostroten Maria-Hilf-Kirche, von dem um 12:00 Uhr die klaren, silberhellen Töne des Carillons über den großen ahorngesäumten Platz hallen, habe ich jedes Jahr getreu besucht, seit ich in und um München unterwegs bin. Doch in diesem Jahr habe ich erstmals mit dem Münchner Landratsamt zu tun, dessen dreiteiliger Gebäudekomplex sich von der Bushaltestelle Schweigerstraße aus gesehen hinter der Maria-Hilf-Kirche erhebt. Für gewöhnlich hat man nur dann etwas im Landratsamt zu suchen, wenn man sich in München standesamtlich trauen lässt oder wie ich in einer der Gemeinden außerhalb der Stadtgrenzen lebt und in einer persönlichen Sache Rat und Unterstützung in Anspruch nehmen will. Doch in diesem Jahr fand vom 16. Juli bis zum 14. August die kostenlose Ausstellung "Fantasie und Realität" auf der ersten, zweiten und dritten Etage des rechten Vorderflügels statt, dem Gebäudeteil A, wie er im Plan des gläsernen Zwischenbaus heißt, der die weitläufigen Trakte des Landratsamts zusammenhält und miteinander verbindet. Getragen wurde diese Ausstellung vom Künstlerforum Unterschleißheim, zu dem sich die Malerinnen Babette Klingenberg, Stefania Ihlefeldt, Silvia Müller-Lankow, Eva Rauch, Maria Gruber, Theresia Maier, Gisela Leiter, Linda Ferrante und Annette Wenz zusammengeschlossen haben; und alle zusammen haben mit den Acrylfarben ihrer großformatigen Gemälde die Wände des Gebäudeteils A, die sonst eher nüchtern und spartanisch anmuten, auf farbenprächtige und vielfältige Weise zu neuem Leben erweckt. Und an einem Donnerstagnachmittag - die Öffnungszeiten der Ausstellung fiel mit jenen der Büros im Landratsamt zusammen - ergab es sich, dass ich genug Zeit hatte, um von Stockwerk zu Stockwerk zu wandern und die ausgestellten Gemälde in Ruhe zu betrachten. Ausnahmslos beeindruckt hat mich die Ausdruckskraft ebenso wie die technische und stilistische Sicherheit, die alle Malerinnen in ihren ausgestellten Werken zeigen. So fokussiert sich z.B. Babette Klingenberg auf die Darstellung von Alleen und Parkanlagen in drei höchst unterschiedlichen Stilvariationen: in den geraden, klaren Formen und kraftvollen Farben, von denen einst Gustav Klimts Promenadenwege geprägt waren; in leichten, heiteren, lichterfüllten Farbenspielen, die an Claude Monet nahe herankommen; und in kubistisch abstrahierten Bäumen und Gestalten, wie man sie in ähnlicher Gestalt bei Georges Bracque und beim frühen Wassily Kandinsky findet.


Aus der Welt der bildenden Künste - Die Ausstellung "Fantasie und Realität" im Münchner Landratsamt

                                              
Die Buden- und Hüttenstadt der Auer Dult, überwacht von dem steil aufragenden gotischen Spitzturm der rostroten Maria-Hilf-Kirche, von dem um 12:00 Uhr die klaren, silberhellen Töne des Carillons über den großen ahorngesäumten Platz hallen, habe ich jedes Jahr getreu besucht, seit ich in und um München unterwegs bin.

Doch in diesem Jahr habe ich erstmals mit dem Münchner Landratsamt zu tun, dessen dreiteiliger Gebäudekomplex sich von der Bushaltestelle Schweigerstraße aus gesehen hinter der Maria-Hilf-Kirche erhebt. Für gewöhnlich hat man nur dann etwas im Landratsamt zu suchen, wenn man sich in München standesamtlich trauen lässt oder wie ich in einer der Gemeinden außerhalb der Stadtgrenzen lebt und in einer persönlichen Sache Rat und Unterstützung in Anspruch nehmen will.

Doch in diesem Jahr fand vom 16. Juli bis zum 14. August die kostenlose Ausstellung Fantasie und Realität auf der ersten, zweiten und dritten Etage des rechten Vorderflügels statt, dem Gebäudeteil A, wie er im Plan des gläsernen Zwischenbaus heißt, der die weitläufigen Trakte des Landratsamtes zusammenhält und miteinander verbindet.

Getragen wurde diese Ausstellung vom Künstlerforum Unterschleißheim, zu dem sich die Malerinnen Babette Klingenberg, Stefania Ihlefeldt, Silvia Müller-Lankow, Eva Rauch, Maria Gruber, Theresia Maier, Gisela Leiter, Linda Ferrante und Annette Wenz zusammengeschlossen haben; und alle zusammen haben mit den Acrylfarben ihrer großformatigen Gemälde die Wände des Gebäudeteils A, die sonst eher nüchtern und spartanisch anmuten, auf farbenprächtige und vielfältige Weise zu neuem Leben erweckt.

Und an einem Donnerstagnachmittag - die Öffnungszeiten der Ausstellung fiel mit jenen der Büros im Landratsamt zusammen - ergab es sich, dass ich genug Zeit hatte, um von Stockwerk zu Stockwerk zu wandern und die ausgestellten Gemälde in Ruhe zu betrachten.

Ausnahmslos beeindruckt hat mich die Ausdruckskraft ebenso wie die technische und stilistische Sicherheit, die alle Malerinnen in ihren ausgestellten Werken zeigen.

So fokussiert sich z.B. Babette Klingenberg auf die Darstellung von Alleen und Parkanlagen in drei höchst unterschiedlichen Stilvariationen: in den geraden, klaren Formen und kraftvollen Farben, von denen einst Gustav Klimts Promenadenwege geprägt waren; in leichten, heiteren, lichterfüllten Farbenspielen, die an Claude Monet nahe herankommen; und in kubistisch abstrahierten Bäumen und Gestalten, wie man sie in ähnlicher Gestalt bei Georges Bracque und beim frühen Wassily Kandinsky findet.

Eine der Alleen von Babette Klingenberg ist mir besonders ins Auge gesprungen, weil die Stämme und Äste der Bäume samt dem Geflecht der Zweige in einem dunklem, tiefem Rot gehalten sind; sie gleichen einem Querschnitt durch eine menschliche Lunge mit ihren Bronchialästen und den ihnen entspringenden netzartigen Zweigen. Der Wald bzw. Park als Lunge einer Stadt...

Eine ganz andere Bildersprache spricht ihre Kollegin Silvia Müller-Lankow. Ihre Werke möchte ich als zeit- und gesellschaftskritisch bezeichnen, und ihr Stil liegt in etwa zwischen Max Beckmann und James Ensor. In ihrem Gemälde Der Fall K. sitzt die Gestalt einer Frau mit dem Rücken zum Betrachter auf einem altrosa Koffer und hält einen Teddybären in der Hand, während eine grelle Glühbirne eine kahle nackte Wand beleuchtet und ihr Blick sich auf eine in grellem Rot leuchtende, von schwarzen Schatten umgebene Treppe richtet; beides Elemente, die im Betrachter Unbehagen und Beklemmung wecken.

Ein ähnliches Unbehagen ruft in ihrem Bild Maskenball eine Karnevalsgesellschaft von fünf Frauen hervor, die in farbenprächtige wallende Gewänder gekleidet sind, deren Mienen aber ausnahmslos Kälte, Distanz und Hochmut ausstrahlen. Hinzu kommt, dass ihre Augen entweder geschlossen oder verdeckt sind; sprich, all diese Frauen sehen nichts bzw. sehen nichts und niemanden an...

Doch am größten ist das Unbehagen, ja die Beklemmung, die sich einstellt, wenn man das Gemälde Sieh dich nicht um, der V... geht um betrachtet, das Silvia Müller-Lankow der Erinnerung an die C-Zeit gewidmet hat.

Im linken Vordergrund steht eine Gestalt, die über ihrem schwarzen blickdichten Anzug einen Tüllrock und Beinstulpen in Petrol trägt und einen blassblauen Schirm aufgespannt in der linken Hand hält. Mit ihrem kahlen bleichen Schädel hinter der FFP2-Maske, ihrem strengen schwarzen Anzug und den seltsam verspielt anmutenden Accessoires wirkt diese Gestalt androgyn; doch ganz gleich, ob sie auf den Betrachter eher männlich oder eher weiblich wirkt, sie erscheint ebenso bedrohlich und gespenstisch wie die breite, fast leere Straße hinter ihr, die in einem fahlen blassblau-weißen Licht schimmert.

Ja, dieses Gemälde verkörpert eindrucksvoll das lautlos schleichende Grauen, die kalte Isolation und die leere, kahle Nacktheit der Städte, die mit dem C-Virus über die Welt kam. Zwar nur eine kurze Episode in der Geschichte der Menschheit, doch wer sie bewusst erlebt hat, vergisst sie nicht!

Das künstlerische Schaffen ihrer Malerkollegin Theresia Maier wiederum hat zwei sehr unterschiedliche Gesichter. So zeigt ihr Bild Fantasie und Realität - Was ist noch wahr? Menschen mit Smartphones und Virtual Reality-Brillen an der Schläfe. Die Gesichter dieser Menschen verschmelzen mit ihrem technischen Equipment, während ihre Mienen von Leere und Geistesabwesenheit gezeichnet sind und ihre Augen an ihrem jeweiligen Gegenüber leer und blicklos vorbeistarren. In Realität & Fantasie - KI-Scanning - Illusionen sieht man einen Menschenkopf, durch dessen Schädel und Gesicht sich Koordinaten und Skalen ziehen, sprich, dessen Denken und Fühlen vom undurchschaubaren Moloch KI bis ins Letzte erfasst und kontrolliert wird.

Ganz anders sind dagegen ihre drei Impressionen aus dem Schleißheimer Schlosspark gestaltet. Hier ruht eine echte venezianische Gondel auf dem Schlosskanal, gesäumt von Blumenrabatten in lichten, farbenfrohen Tönen, gefolgt von zwei Ansichten des kleinen Schlosses Lustheim am anderen Ende des Parks, eingebettet in seinen ebenso üppig wie verspielt anmutenden Rokoko-Garten.

Ich kann mir nicht helfen, aber in Theresia Maiers Parkansichten und ihren Stillleben mit Lilien, die durchweg lichte, heitere, zeitlose Schönheit atmen, fühle ich mich wohl und zu Hause, während ich ihr Unbehagen an der digitalen Revolution und ihren Auswirkungen auf Geist und Seele der Menschen, die ihr ausgesetzt sind, in vollem Umfang teile...

Ebenso wohl fühle ich mich bei der Betrachtung der großformatigen Tierporträts von Maria Gruber. Denn es sind beeindruckende Wesen, die den Betrachter aus ihrem schwarzen Hintergrund heraus geradezu anspringen. Wie der Kopf des Tigers vor diesem Schwarz flammt und leuchtet! Wie hinter- und tiefgründig die Miene und der Blick des Gorillas wirkt, von dem man fast nur die in hellem Gold strahlenden Augen sieht, während sein Kopf im Schatten bleibt; und welche Kraft und welches Feuer vom Kopf und von der Mähne eines weißen Pferdes ausgeht, die von einem blauen Schein umflossen sind!-

Zu einer ähnlich starken Ausdrucksweise hat ihre Kollegin Stefania Ihlefeldt gefunden, nur, dass sie keine Tiere porträtiert, sondern Menschen, die noch Persönlichkeiten mit einem lebendigen, fühlenden, ja glühenden Gemüt sind, wie z.B. ihre Roxana mit ihrem vollen flammenden Gesicht, umrahmt von der Fülle ihres lockigen schwarzen Haares und einer nicht weniger üppigen Blumengirlande, oder ihre ätherisch schöne Leda mit dem Schwan, deren Züge Sinn und Sinnlichkeit zugleich verströmen.

Zu erleben, dass es hier und heute noch Künstler gibt, die meinen, dass das Wesen des Menschen nach wie vor mehr ist als nur ein Teil der digitalen Welt, hat mich beruhigt und ermutigt...

Auch Stefania Ihlefelds Kollegin und Mit-Malerin Gisela Leiter interessiert sich nach wie vor für das Wesen des Menschen an sich, was sie u.a. in ihren abstrakten Gemälden Urgrund der Seele und Zeig dich wie du bist zum Ausdruck bringt. In beiden Bildern sieht man goldschimmernde Schleier und Flächen vor einem leuchtend blauen Hintergrund.

Doch eigenartigerweise sprechen mich diese beiden Gemälde nicht so sehr an. Vielleicht, weil ich meine, dass der Urgrund einer Seele und ihr Erscheinungsbild nicht immer nur heiter-golden und strahlend blau im Sinne von „alles bestens" ist...

Das Schaffen von Annette Wenz wiederum ist von einem ganz anderen Fokus und Ausdruck geprägt.

Zum einen konzentriert sie sich auf Landschaften, die mit Wasser zu tun haben, sei es ein Wasserfall, der sich vom breiten Kamm eines Felsplateaus in die Tiefe stürzt (meint sie damit die Victoria-Fälle des Kongo und des Sambesi an der Grenze zwischen Tansania und Kenia?), ein Seestück, sprich ein Blick auf Himmel und Meer, oder ein Flusslauf, der sich durch eine üppig wogende Wiese schlängelt.

Zum anderen sind diese Landschaften strikt nach der Natur gemalt und in dunklem Blau, Grau, Weiß und Schwarz gehalten. Dennoch verströmen die dunklen, gedämpften Farben weder Unbehagen noch Beklemmung; eher wirken sie beruhigend und ausgleichend auf das Gemüt, je länger man den Blick in sie versenkt.

Und dann sind da noch die Bilder von Linda Ferrante. Ihre Papageien und Paradiesvögel, die auf belaubten Ästen sitzen, und ihre Neonfische haben mich in der klaren Reinheit ihrer Farben, in ihrer reinen Gestalt ohne Schnörkel und Zierrat und ihrer Zweidimensionalität an einige Beispiele der Farb-Holzschnitte Japans erinnert, die ich etwa zwei Monate zuvor in der gleichnamigen Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek gesehen hatte...

Gegen Ende meines Rundgangs durch die Ausstellung ließen mich zwei Bilder von Eva Rauch innehalten und besonders aufmerken.

Ihre schwarzen Linien und Bögen vor einem steingrauen Hintergrund, betont von ein paar weißen Flächen und drei roten Kugeln in Fantasie mit Formen, erinnerten mich in ihrer ruhigen, präzisen Klarheit an Paul Klee und Joan Miró, während ihr schlichtes aber kraftvolles Stillleben Apfelernte mit iseinen großen leuchtenden Äpfeln, die um die Äste eines Baumes verteilt liegen, an Gabriele Münter und Maria Franck-Mark von den Blauen Reitern...

 

Mein Fazit:


Wie schon eingangs erwähnt, besteht aus meiner Sicht am technischen Können wie auch an der Ausdruckskraft und Vielseitigkeit der Malerinnen vom Künstlerforum Unterschleißheim nicht der geringste Zweifel.

Nur scheint mir, wenn ich ihre Werke betrachte, dass ihre Motive und Stile alle schon einmal da gewesen sind, vom Naturalismus und Impressionismus über den Jugendstil, den Blauen Reiter und den Expressionismus bis hin zur Postmoderne und zur Pop Art.

All diese Kunststile waren für mich deutlich zu erkennen, als ich mich auf den drei Stockwerken im Gebäudeteil A des Münchner Landratsamtes umsah, und verschafften mir jede Menge "Wiedersehen macht Freude"-Effekte.

Alles in allem hielten sich die Malerinnen der Ausstellung Fantasie und Realität an zeitlos gültige Motive und Ansichten; nur wenige von ihnen wagten sich mit einer Aussage zu unserem aktuellen Zeitgeist ans Licht.

Hier hätten sich z.B. die Expressionisten früherer Zeiten mehr getraut...    



30.08.2025 - Das gemütliche Schwabing - Vom Kurfürstenplatz bis zum Obelisken
Um mich nach meinem Besuch des Amtsgerichts an der Infanteriestraße von einem Schemen wieder in einen ganzen Menschen zu verwandeln, nutze ich derzeit den Schienenersatzbus, der vom Kurfürstenplatz über den Karolinenplatz bis zum Stachus fährt und dort direkt neben dem Justizpalast hält. Früher, d.h. zu meinen Kanzleizeiten, sah ich unter der Woche am Ende des Arbeitstages zu, dass ich so rasch wie möglich in der Unterführung zur U2 verschwand und von dort über den Hauptbahnhof mit der S1 nach Hause fuhr. Nur am Freitag, wenn mein Dienst schon am frühen Nachmittag und nicht erst am Abend endete, fuhr ich hin und wieder mit der 27er-Tram vom Hohenzollernplatz bis zum Stachus, stieg auf dieser Strecke aber nur selten aus und sah mich genauer um. Erst heute geht mir in vollem Umfang auf, wie interessant die Gegend ist, durch die ich damals gegurkt bin! So liegt an der Ecke vor dem Kurfürstenplatz die fünfstöckige Patriziervilla aus der Jugendstil-Zeit, in dessen Erdgeschoss vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 2020 das Café Schwabing untergebracht war, das genauso eine Institution war wie der heute noch existierende Schelling-Salon und der (gottlob!) wieder existierende Alte Simpl. Während der Schelling-Salon an der Ecke Schellingstraße/Barer Straße meist von Literaten frequentiert wurde, die dem gehobenen Bürgertum entstammte, so z.B. Stefan George, Paul Heyse, Ludwig Thoma und Thomas Mann, waren im Café Schwabing eher jene zu Hause, die sich als der avantgardistischen Bohême zugehörig verstanden, so z.B. Heinrich Mann, Oskar Maria Graf, Th. Th. Heine und Carl Zuckmayer, wobei Heinrich Mann und Ludwig Thoma zu den Grenzgängern zählten, die in beiden Häusern verkehrten und wie ihre Kollegen vom Café Schwabing ab und zu für das einst gefürchtete Satiremagazin Simplicissimus schrieben. Heute heißt dieser prachtvolle neubarocke Bau mit seinem Kuppel-Eckturm leider nicht mehr Café Schwabing, sondern Café Neuhauser, obwohl er überhaupt nicht in Neuhausen steht...


Das gemütliche Schwabing - Vom Kurfürstenplatz bis zum Obelisken


Um mich nach meinem Besuch des Amtsgerichts an der Infanteriestraße von einem Schemen wieder in einen ganzen Menschen zu verwandeln, nutze ich derzeit den Schienenersatzbus, der vom Kurfürstenplatz über den Karolinenplatz bis zum Stachus fährt und dort direkt neben dem Justizpalast hält.

Früher, d.h. zu meinen Kanzleizeiten, sah ich unter der Woche am Ende des Arbeitstages zu, dass ich so rasch wie möglich in der Unterführung zur U2 verschwand und von dort über den Hauptbahnhof mit der S1 nach Hause fuhr. Nur am Freitag, wenn mein Dienst schon am frühen Nachmittag und nicht erst am Abend endete, fuhr ich hin und wieder mit der 27er-Tram vom Hohenzollernplatz bis zum Stachus, stieg auf dieser Strecke aber nur selten aus und sah mich genauer um.

Erst heute geht mir in vollem Umfang auf, wie interessant die Gegend ist, durch die ich damals gegurkt bin! So liegt an der Ecke vor dem Kurfürstenplatz die fünfstöckige Patriziervilla aus der Jugendstil-Zeit, in dessen Erdgeschoss vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 2020 das Café Schwabing untergebracht war, das genauso eine Institution war wie der heute noch existierende Schelling-Salon und der (gottlob!) wieder existierende Alte Simpl.

Während der Schelling-Salon an der Ecke Schellingstraße/Barer Straße meist von Literaten frequentiert wurde, die dem gehobenen Bürgertum entstammte, so z.B. Stefan George, Paul Heyse, Ludwig Thoma und Thomas Mann, waren im Café Schwabing eher jene zu Hause, die sich als der avantgardistischen Bohême zugehörig verstanden, so z.B. Heinrich Mann, Oskar Maria Graf, Th. Th. Heine und Carl Zuckmayer, wobei Heinrich Mann und Ludwig Thoma zu den Grenzgängern zählten, die in beiden Häusern verkehrten und wie ihre Kollegen vom Café Schwabing ab und zu für das einst gefürchtete Satiremagazin Simplicissimus schrieben.

Heute heißt dieser prachtvolle neubarocke Bau mit seinem Kuppel-Eckturm leider nicht mehr Café Schwabing, sondern Café Neuhauser, obwohl er überhaupt nicht in Neuhausen steht...

Auf dem kleinen rechteckigen Kurfürstenplatz steht noch heute ein alteingesessenes Reisebüro, ein Toilettenhäuschen und ein privat geführter Blumenladen, dessen Mitarbeiter Meister in der Kunst der Floristik sind; sprich, sie fertigen noch heute wie in alter Zeit im Auftrag ihrer Kunden Blumensträuße, -kränze und -girlanden an. Erhebt sich für mich einmal mehr die bange Frage: Wie lange noch?

Dieselbe bange Frage stelle ich mir bei dem knuffigen kleinen Bistro Zum Feinschmecker, dessen Besitzer Quiches und Pasteten, feine Salate und Mittagsmenüs zu zivilen Preisen frisch zubereitet. Und noch heute bekommt man hier eine großzügig bemessene Leberkäs-Semmel für € 2,80, einen ordentlichen Cappuccino für € 2,50 und ein absolut göttliches, von der Mitbesitzerin selbst und frisch gemachtes Erdbeer-Tiramisu für € 3,50, leicht, locker und nicht zu süß, in einer Qualität, wie man sie in München nicht jeden Tag findet.

Gleiches gilt für die Aprikosen, Feigen, Nektarinen und Pfirsiche der kleinen Obst- und Gemüseläden nahe beim Kurfürstenplatz, die überwiegend von Leuten aus dem Nahen Osten betrieben werden. Ein Pfirsich, eine Nektarine oder eine frische Feige genügt als willkommene, sehr preisgünstige kleine Zwischenmahlzeit und ist mit Supermarkt-Ware überhaupt nicht zu vergleichen... Schllllffff!

Folgt man dem Schienenstrang der 27er-Trambahn die Nordendstraße entlang, erreicht man den Elisabethmarkt, dem gegenüber sich der markante weißgetünchte Marmorpalast der Schauburg erhebt. Neben dem von mir in meinem Artikel Ein Hauch von Boheme erwähnten Galli-Theater im Adalberthof und dem Münchner Theater für Kinder an der Dachauer Straße inszeniert auch die Schauburg spannende Theaterstücke für Kinder und Jugendliche von anspruchsvollem Kaliber, so z.B. nach Herman Melvilles Billy Budd, Michael Endes Momo oder eine Kurzfassung von Thomas Manns Buddenbrooks, die sich auf die Konflikte der Geschwister Thomas, Christian und Tony Buddenbrook in ihren jungen Jahren konzentriert.

Doch der Elisabethmarkt, der 2020 abgerissen und nach einem völlig anderen Konzept neu errichtet wurde, passt heute anders als früher nicht mehr in seine stilvolle Umgebung!

Früher waren die Gebäude, die zum Elisabethmarkt gehört haben, gemauerte weißgetünchte Häuser mit schwarzen Schieferdächern und Fensterläden, die sich dezent und vornehm zugleich in das Bild ihrer Umgebung gefügt haben. Unter anderem gab es dort vor 2020 noch Die Spanische Bottega, deren bayerische Besitzerin, die einen spanischen Landadeligen geheiratet hatte, ihre Gäste mit Kartoffelkuchen, gebackenen Auberginen und Zucchini, Manchegokäse und Serranoschinken, Datteln im Speckmantel und vielen anderen Köstlichkeiten der spanischen Tapas-Küche verwöhnte - und mit dem feinsten eisgekühlten Cava-Prosecco von ganz München.

Doch leider wurden all diese Häuser im Zuge des Umbaus durch hölzerne schmucklose Bretterbuden ersetzt, deren in dicht geschlossenen Reihen aneinandergefügte Holzlamellen mich an  die Wellblechhütten erinnern, die einst die europäischen Kolonialmächte den Bewohnern der Inseln in der Karibik und der Südsee aufoktroyiert haben, während diese ihre Hütten vorher aus den Ästen und Wedeln der Kokospalmen und aus Schilfrohr errichtet hatten, die angesichts der Umgebung und des Tropenklimas viel sinnvoller und gesünder gewesen waren. Und dann das kalte, bleiche, stumpfe Grün, in dem alle Holzlamellen lasiert worden sind! Für mich muss von Grün etwas Frisches und Lebendiges ausgehen! Doch womöglich bin ich in dieser Hinsicht von den flammenden, flutenden Grüntönen Irlands  zu sehr verwöhnt...

Ein Gebäude gibt es am Elisabethmarkt, dessen säulengestützte Jugendstilfassade denkmalgeschützt ist, so dass es beim Umbau (gottlob!) nicht abgerissen werden durfte: den kleinen, niedrigen aber urigen Wintergarten, der seinen Namen dem Anbau verdankt, der hinter dem gemauerten Kern dieses Gebäudes liegt und den ein kleiner lauschiger Biergarten umrahmt. Noch heute bekommt man im Wintergarten von 10:00 bis 12:00 Uhr eine frische Weißwurst für € 1,-- und eine frische kleine Brezn für € 1,50. Drei Weißwürste mit süßem Senf, eine Brezn und eine Augustiner-Halbe, und die klassische Münchner Trilogie ist komplett und perfekt! Vor allem bekommt man hier Weißwürste mit dem genau richtigen Siedepunkt, so dass sie weder aufgeplatzt sind noch ihre Hülle sich nur mühsam von der Wurst ziehen lässt, und sie schmecken hervorragend.

Setzt man nach diesem erfreulichen Frühschoppen (Wenn die Augustiner-Halbe alkoholfrei ist, wie es groß und breit auf der Flasche steht, warum spüre ich dann hinterher beim Aufstehen trotzdem den Anflug eines "Duliöhs" in meinen kleinen grauen Zellen?) die Fahrt mit dem Schienenersatzbus fort, kommt man an dem von mir erwähnten Schelling-Salon vorbei, weil die Trambahn bzw. der Bus die Nordendstraße verlässt und in die Barer Straße einbiegt.

Dort hat sich etwas für die Anrainer und meine Wenigkeit Trauriges zugetragen: Der kleine Fresh Bagels & Muffins Shop hat nach dreißig Jahren aufgegeben und ist fort, samt der beiden Herren, die mit ihrem so liebevoll geführten Bistro alt geworden sind! Was hat man den beiden angetan; mit welchen Kosten und Auflagen hat man ihnen an ihrem Stammplatz das Leben zur Hölle und ihrem Bistro den Garaus gemacht?! Noch heute steht auf einer der Fensterscheiben "We MIss You" geschrieben, und dem schließe ich mich aus vollem Herzen an...

Danach fährt die Trambahn/der Bus genau zwischen der Pinakothek der Moderne und der Alten Pinakothek hindurch (das Tresznjewski auf der linken Seite steht zwar noch, heißt aber nicht mehr so) und steuert das Blumenrondell des Karolinenplatzes an, in dessen Mitte der Obelisk, der zum Gedenken an all jene, die seit Napoleons Zeiten im Krieg gefallen sind, schwarz, steil und spitz gen Himmel ragt.

Normalerweise würde die Tram rund um den Karolinenplatz kurven, dabei die israelische Botschaft und das Amerika-Haus streifen und über die Ottostraße direkt zum Karlsplatz/Stachus vorfahren. Da indes am Karlsplatz im großen Stil gebaut wird und die Trambahnen das Stachus-Rondell nicht mehr passieren dürfen, steuert der Schienenersatzbus derzeit den Königsplatz an und hält direkt auf das mächtige marmorweiße Säulentor der Propyläen zu. Rechter Hand erhascht man einen Blick auf die Musikhochschule an der Arcisstraße, bevor der Bus nach links schwenkt und am Parkcafé und am Alten Botanischen Garten vorbei kurvt, bevor er dem Stachus gegenüber genau neben dem ebenfalls marmorweißen, reich stuckierten Justizpalast hält.

Und genau hier, im Dunstkreis des bayerischen Justizministeriums, ist etwas geschehen, das mich jedes Mal beim Aussteigen an der Endhaltestelle die Haare raufen lässt: Man hat den Bus-Ausstieg direkt vor der Fahrradspur platziert, so dass jeder Passagier automatisch auf dem Fahrradstreifen steht! Wer immer hier aussteigt, muss damit rechnen, vom nächstbesten Radler oder E-Roller-Fahrer über den Haufen gefahren zu werden!

Dazu kann ich nur sagen: "O Herr, lass Hirn vom Himmel fallen!"

 

Die Fürstenrieder Straße als Meile des Grauens



Gleiches gilt für die im gleichen Zeiraum stattfindenden Bauarbeiten am Fernwärmenetz und an der neuen Trambahn-Trasse, die derzeit die komplette Fürstenrieder Straße einnehmen. Ich wehre und sträube mich nicht etwa dagegen, dass am Fernwärme- und Trambahn-Netz gebaut wird; es geht mir darum, dass die Fürstenrieder Straße zu den großen urbanen Verkehrsadern Münchens zählt.

Sie beginnt in Sendling auf der Höhe des Waldfriedhofs, führt schnurgerade von Süden nach Norden und endet an der Unterführung der S-Bahn-Station Laim, dem berühmt-berüchtigten Laimer Giftloch, durch das sich alle zwängen müssen, die mit dem PKW, LKW oder Bus weiter nach Nymphenburg oder Moosach wollen.

Durch die Fürstenrieder Straße pflügen täglich die Kolonnen der Tagespendler und Linienbusse, und da sich auf beiden Seiten dieser Straße die Einkaufs- und Essmeile für die Laimer Anwohner erstreckt, gehen hier auch die Fußgänger ihrer Wege. 

Derzeit blockieren die rot-weiß gestreiften Baustellen-Absperrzäune diesen imposanten Straßenzug fast auf der gesamten Länge, so dass sich die Auto- und Busfahrer derzeit noch mühsamer vorwärts quälen als früher und zu den Stoßzeiten morgens und abends fast nichts mehr geht. 

Und die Baustellen-Absperrzäune haben inzwischen auch von den Gehsteigen Besitz ergriffen und diese in verschachtelte Labyrinthe verwandelt, so dass die Bewohner der Fürstenrieder Straße und ihre Nachbarn derzeit nur nur noch im Slalomlauf voran kommen; und gerade in diesem Teil von Laim sind tagsüber Scharen von Müttern mit Kinderwagen und Senioren mit Rollatoren unterwegs.

Wer hat seinerzeit die Gestaltung und Ausführung dieser Baustelle geplant? Wie zum Kuckuck sollen hier die Leute durchkommen, um ihre Besorgungen zu erledigen? Denn Laim ist kein Viertel der Wohlhabenden, sondern der Klein- bis Mittelstandsbürger und der Arbeiter. Hier säumen kaum schicke Boutiquen die Gehsteige, sondern überwiegend die Drogerie- und Supermärkte, die man zum Leben braucht.

Und zu ihnen wie auch zu den vielen Bäckereien, Cafés und Bistros, die es auf dieser Meile gibt, allen voran zur für ihre ebenso hervorragenden wie preisgünstigen Mittagsgerichte und ihre Ware an sich über Laim hinaus bekannten und beliebten Metzgerei Franz, kommt man derzeit kaum noch hin!

Zwar spricht das Qualitätsniveau der Metzgerei Franz für sich, ebenso wie jenes der Konditorei Ratschiller und der neuen Atlantik-Bäckerei mit ihren Kunstwerken aus Blätter- und Strudelteig und ihren dreistöckigen Torten, vor denen ich den Hut ziehen würde, wenn ich einen auf hätte; und daher hält die Laufkundschaft diesen Institutionen der Fürstenrieder Straße derzeit noch tapfer die Treue.

Doch frage ich mich ernsthaft: Wie lange kommen die Leute dort noch zur Tür hinein, bis der Eingang endgültig verrammelt ist?  

 



13.06.2025 - Farben Japans - Japanische Farbholzschnitte in der Bayerischen Staatsbibliothek
Nachdem ich mich 2024 im Frühsommer im Zuge des Japanfestes im Englischen Garten intensiv auf die Spuren besonnen habe, welche die japanische Kultur im Lauf meines Lebens in meinem Bewusstsein hinterlassen hat, hat mich im Frühjahr 2025 eine Sonderausstellung, die vom 31.03. bis zum 02.07. in der Bayerischen Staatsbibliothek zu sehen ist, erneut mit Lichtgeschwindigkeit nach Japan katapultiert. Diese Sonderausstellung hängt damit zusammen, dass die Bayerische Staatsbibliothek in ihren drei Schatzkammern über einige wertvolle Original-Farbholzschnitte aus der Edo-Zeit (1603 - 1868) verfügt, die sie aktuell im Großformat an den Wänden des Marmorsaals und den Fensterfronten der Galerie im Obergeschoss präsentiert. So erstreckt sich derzeit Katsushika Hokusais "Unter der Welle im Meer vor Kamagawa" bzw. "Große Welle" in leuchtendem, intensivem Preußischblau und schäumendem, blitzendem Weiß über die große Freitreppe ins Obergeschoss und führt als erstes zu seinen Werken, so zu seinem nicht minder berühmten "Sommergewitter am Fuß des Berges" und "Südwind, klares Wetter (Roter Fuji)", wobei es sich nur um drei von insgesamt sechsunddreißig Ansichten der Landschaften rund um den heiligen und höchsten Berg Japans handelt, die Hokusai ab 1831 angefertigt hat. Und die überlebensgroße Statue König Ludwigs I., der die Gründung und Einrichtung der Bayerischen Staatsbibliothek als offen zugängliches Bildungsinstitut für alle veranlasst hat, blickt auf eine neue "Schönheitengalerie", die sich derzeit an der gesamten südlichen Fensterfront des Obergeschosses entlang zieht: Hier zeigen sich in großformatigen Plakaten Hofdamen und Adelige, Geishas, Teehaus-Mädchen und Kurtisanen in prachtvollen Kimonos und komplizierten Hochsteckfrisuren, die vom frühen 17. bis Ende des 19. Jahrhunderts wie unsere heutigen Topmodels Schönheit und Sinnlichkeit verkörpern sollten. An der gegenüberliegenden Fensterreihe grüßen Helden und Heldinnen (in der japanischen Märchen- und Sagenwelt dürfen grundsätzlich auch Frauen Abenteuer erleben und sich als Kämpferinnen bewähren), Daimyos und mächtige Zauberer, Götter, Geister und Dämonen.


Farben Japans - Farbholzschnitte in der Bayerischen Staatsbibliothek


Nachdem ich mich 2024 im Frühsommer im Zuge des Japanfestes im Englischen Garten intensiv auf die Spuren besonnen habe, welche die japanische Kultur im Lauf meines Lebens in meinem Bewusstsein hinterließ, hat mich im Frühjahr 2025 eine Sonderausstellung, die vom 31.03. bis zum 02.07. in der Bayerischen Staatsbibliothek zu sehen ist, erneut mit Lichtgeschwindigkeit nach Japan katapultiert.

Diese Sonderausstellung hängt damit zusammen, dass die Bayerische Staatsbibliothek in ihren drei Schatzkammern über einige wertvolle Original-Farbholzschnitte aus der Edo-Zeit (1603 - 1868) verfügt, die sie aktuell im Großformat an den Wänden des Marmorsaals und den Fensterfronten der Galerie im Obergeschoss präsentiert.

So erstreckt sich derzeit Katsushika Hokusais Unter der Welle im Meer vor Kamagawa bzw. Große Welle in leuchtendem, intensivem Preußischblau und schäumendem, blitzendem Weiß über die große Freitreppe ins Obergeschoss und führt als erstes zu seinen Werken, so zu seinem nicht minder berühmten Sommergewitter am Fuß des Berges und Südwind, klares Wetter (Roter Fuji), wobei es sich nur um drei von insgesamt sechsunddreißig Ansichten der Landschaften rund um den heiligen und höchsten Berg Japans handelt, die Hokusai ab 1831 angefertigt hat.

Und die überlebensgroße Statue König Ludwigs I., der die Gründung und Einrichtung der Bayerischen Staatsbibliothek als offen zugängliches Bildungsinstitut für alle veranlasst hat, blickt auf eine neue "Schönheitengalerie", die sich derzeit an der gesamten südlichen Fensterfront des Obergeschosses entlang zieht: Hier zeigen sich in großformatigen Plakaten Hofdamen und Adelige, Geishas, Teehaus-Mädchen und Kurtisanen in prachtvollen Kimonos und komplizierten Hochsteckfrisuren, die vom frühen 17. bis Ende des 19. Jahrhunderts wie unsere heutigen Topmodels Schönheit und Sinnlichkeit verkörpern sollten.

An der gegenüberliegenden Fensterreihe grüßen Helden und Heldinnen (in der japanischen Märchen- und Sagenwelt dürfen grundsätzlich auch Frauen Abenteuer erleben und sich als Kämpferinnen bewähren), Daimyos und mächtige Zauberer, Götter, Geister und Dämonen.

An all diesen in Farbholzschnitt-Technik gefertigten Drucken ist mir grundsätzlich aufgefallen, dass manche von ihnen eine atemberaubende Fülle an Farben und Dekor und akribisch herausgearbeitete  Details zeigen, stets zweidimensional, in klaren Farben und entweder bei hellem Tageslicht oder vor dem schwarzen Hintergrund der Nacht.

Die Damen und Herren in den Porträts tragen Seiden- und Brokatgewänder von unermesslichem Wert, was ihren Reichtum an Farben und Mustern anbelangt, die von Hand gewebt oder gestickt wurden. Sowohl an den vielfach gefalteten und gewickelten Gewändern, der kunstvoll gebundenen Schleife des Obi als auch an den Frisuren erkennt man den Aufwand und die Komplexität, die allein das Sich-Ankleiden, Frisieren und Schminken erfordert.

Doch die Konturen ihrer Gesichter, Lippen, Nasen, Augen und Augenbrauen gleichen einander für mich wie ein Ei dem anderen. Allein im Ausdruck der Augen und der Mimik unterscheiden sich die Gesichtszüge der porträtierten Menschen, und würde man mir die Gesichter einzeln zeigen, könnte ich nicht sagen, ob ich verschiedene Personen sehe oder ein und dieselbe, nur in verschiedenen Stimmungen.

Ein Merkmal haben die japanischen Farbholzschnitte mit unseren Lithographien gemeinsam: Farben, Flächen, Konturen und Muster lassen sich auf dem Druckstock darstellen und auf dem Papier oder Plakat wiedergeben, nicht aber Übergänge von Licht und Schatten und Farbnuancen. Auf Grund des Herstellungsverfahrens sind Licht und Schatten, Konturen und Farben klar definiert und voneinander abgegrenzt.

In einer Video-Einspielung wird das Verfahren der japanischen Holzdrucktechnik im Detail gezeigt, bei dem der Verleger und der Künstler in Summe den geringsten Arbeits- und Zeitaufwand haben: Der Verleger gibt das Motiv oder Thema vor, der Künstler zeichnet und malt die Vorlage, fertig, aus. 

Danach ist als erstes der Holzschnitzer gefragt, der mit seinen Meißeln und Stechbeiteln aus dem Block die Grate für die Konturen und die Ebenen und Vertiefungen für die Flächen der aufzutragenden Farben herausgräbt und -stichelt, und zwar spiegelverkehrt, da sonst beim Farbübertrag auf das Papier das Bild für den Betrachter verdreht erscheinen würde.

Und dann kommt die mühsame, zeitaufwändige Arbeit des Druckers, der das Relief des Holzschnittes auf das Papier überträgt. Als erstes werden die Konturen in Schwarz herausgearbeitet; d.h. der Drucker fixiert das Papier auf dem Druckstock und ist mit einer speziellen Bürste ausschließlich auf den Graten zugange.

Sind die Konturen getrocknet, wird der Druckstock mit der Farbe eingestrichen, die im Bild am seltensten vorkommt und am weitesten vorne liegt, und der Drucker "massiert" das Papier mit einer anderen Bürste.

Darauf folgt der Himmel oder Hintergrund, vor dem das Bild erscheint und der es zusammenhält.

Je mehr Farben und Details im Bild vorkommen, desto häufiger muss das Papier Farbschicht um Farbschicht eingestrichen und gebürstet werden, so dass je nach der Vielfalt des Farbenspiels Stunden oder auch Tage vergehen können, bis ein solcher Farbholzschnitt tatsächlich fertig ist.

Als ich in den Schatzkammern sah, dass die Originaldrucke nicht größer als Buchseiten im B5-Format oder Postkarten sind - denn sie wurden meist zu einem Buch gebunden oder zu einem Leporello zusammengefügt und gefaltet -, erfüllte mich die akribische Präzisionsarbeit, die von allen Beteiligten bei der Anfertigung der Holzschnitte und Drucke geleistet wurde, mit Respekt und Hochachtung.  Und wieviel Wert diese Künstler auf kleinste Details, feine Linien und komplexe Muster gelegt haben!

Was für Ansichten und Geschichten sind nun in diesen farbenprächtigen Abbildungen zu sehen?

Damen, die sich im Frühjahr am Anblick der blühenden Kirschbäume und Päonien und im Herbst an den Farben der Laubbäume erfreuen, auf der Straße flanieren, musizieren, sich in Kalligraphie üben oder einer Teezeremonie beiwohnen.

Der Theatersaal eines Kabuki-Theaters, die Zuschauer im Parkett und in den Rängen und Logen und die in verschwenderischer Fülle ausgestattete Bühne.

Fahrten an Bord luxuriös möblierter und eingerichteter Schiffe auf einem Fluss oder vor einer Küste.

Berge, Hügel und Fluren oder auch Städte, Straßen und Tempelanlagen im Sonnenschein, bei Regen oder im Schneetreiben.

Edle Samurai und Hofdamen, die auf Geheiß ihres Daimyos in ein Abenteuer ziehen und finstere Dämonen und Widersacher bekämpfen.

Die mannigfaltige japanische Geisterwelt mit ihren Wetter- und Ortsgottheiten, ihren Fuchs-, Katzen- und Fledermausgeistern und ihrem Wirken unter und an den Menschen.

Unter all diesen Gestalten habe ich zumindest eine gefunden, die mir vertraut ist: Prinzessin Mononoké, die gemeinsam mit einer Wölfin das Heer der Tiere und Tiergeister anführt, die lange unbehelligt und ungestört in ihrem Wald gelebt haben und gegen das Vordringen der menschlichen Zivilisation in die unberührte Natur kämpfen.

Wenn ich bedenke, welche Geschöpfe den Heldinnen und Helden als Reittier dienen - Riesenkarpfen, Kraken, Schneeleoparden, Tiger, Drachen, ja sogar eine einzelne Feder -, erscheint es mir jetzt ganz natürlich, dass der Krieger Ashitaka, der neben Prinzessin Mononoké die Hauptrolle spielt, einen Steinbock reitet, und dass die Zügel anders als bei einem Pferd nicht mit Maul und Zunge, sondern mit seinen Hörnern verbunden sind...

Liest man vor diesem Hintergrund ein Manga oder sieht ein Animé der frühen 2000er Jahre, sind im Grunde die Holzschnitte der Edo-Zeit nach wie vor die Vorlagen für Linienführung, Form- und Farbgebung, auch die Themen und Motive, sofern die Zeichner und Regisseure in der ihnen vertrauten Welt bleiben und nicht an einen Stoff aus Europa herangehen.

Nur, dass in einem Animé die Bilder laufen und sprechen, und dass man ihn nicht von rechts nach links und von hinten nach vorne sieht...