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Blog

Besonderheiten aus München und Oberbayern

Seit 31 Jahren lebe ich nun schon in und um München und Oberbayern...



Vorwort zu meinem Blog-Bereich „Brauchtum, Feste, Märkte und Besonderheiten in München und Bayern“

Seit 31 Jahren lebe ich nun schon in und um München und Oberbayern – ursprünglich komme ich aus dem Frankenland – und kann immer noch nicht sagen, dass ich München und das, was sich darin und darum so alles tut, wie meine Westentasche kenne. Zum einen verschlägt es mich immer wieder in neue Münchner Stadtteile, Orte in Oberbayern oder auch im Frankenland, an denen ich noch nicht war, weil sie vorher irgendwie nicht in mein Bewusstsein gerückt sind. Zum anderen gab und gibt es in München und ganz Bayern Bräuche, Feste, Märkte und Besonderheiten, und diese sind entweder

  • uralt und waren schon immer da,
  • uralt, wurden aber erst in unserer Zeit wieder neu zum Leben erweckt oder
  • Im Lauf der Jahre und Jahrzehnte neu und auf sehr originelle Weise dazugekommen.
Von solchen „Phänomenen“ im weitesten Sinn möchte ich in diesem Bereich erzählen und würde mich freuen, wenn auch Ihr dazu etwas zu erzählen hättet.


05.07.2024 - "House of Banksy - An Unauthorized Exhibition" im Tiefgeschoss der Galeria am Stachus
"The last train is nearly due, the underground is closing soon. In the quiet of Circuit Station, restless in anticipation, a man waits in the shadows." Paul Simon, "A Poem on an Underground Wall" Der Mann, der in diesem Song auf die letzte U-Bahn wartet, gehört zur New Yorker Graffiti-Szene. Sobald der letzte Zug durchgefahren und der Bahnsteig menschenleer ist, wird er sich mit seinem neonroten Acrylstift an der Tunnelwand verewigen und den Menschen, die hierher kommen, seine Botschaft hinterlassen. Dass Sprayer an den Wänden von Apartmentblocks, Bahnanlagen, Werks- und Lagerhallen oder in den Zwischengeschossen und an den Wänden von (U-)Bahnstationen Botschaften und Gemälde hinterlassen und mit ihrem "Tag", ihrem Namenskürzel signieren, ist also nichts Neues; diese Bewegung gibt es schon seit den 1960er Jahren, als sie in New York und London erstmals in Erscheinung trat und später auf die Städte des europäischen Kontinents übergriff. Und nach wie vor ist ihr Tun illegal; nach dem Gesetz schänden sie mit ihren Spraydosen oder Acrylstiften öffentliches Eigentum. Seit 1990, als der junge Sprayer und selbsternannte "Street Artist" Robin Banks sich erstmals an einer Kaimauer seiner Heimatstadt Bristol an der Mündung der Severnbucht verewigt und mit seinem Tag "Banksy" signiert hat, ist seine Vorgehensweise bis heute stets gleich geblieben: Bei Nacht und Nebel oder manchmal auch am hellichten Tag hält ein weißer VW-Sprinter vor der Wand einer Mietskaserne oder an einer Hafen- oder Fabrikmauer zu einer Zeit, in der niemand in dieser Gegend unterwegs ist. Eine Gestalt in einem weißen Maurer-Overall und einer Kapuzenjacke in derselben Farbe - die Kapuze hat er so weit nach vorne gezogen, dass sein Gesicht in ihrem Schatten verborgen bleibt - steigt bewaffnet mit Schablonen und Spraydosen aus dem Lieferwagen. Ohne Aufheben, aber auch ohne zu zögern fixiert er seine Schablone an der Mauer, legt mit seinen Spraydosen los, packt sein "Werkzeug" ein, steigt in seinen Sprinter und fährt davon - und an der Wand bleibt das neueste Werk zurück, das Banksy hinterlassen hat.


                                                               "The last train is nearly due,
                                                               the underground is closing soon.
                                                               In the quiet of Circuit Station,
                                                               restless in anticipation,
                                                               a man waits in the shadows.
"

                                                                              Paul Simon, "A Poem on an Underground Wall"
 

Der Mann, der in diesem Song auf die letzte U-Bahn wartet, gehört zur New Yorker Graffiti-Szene. Sobald der letzte Zug durchgefahren und der Bahnsteig menschenleer ist, wird er sich mit seinem neonroten Acrylstift an der Tunnelwand verewigen und den Menschen, die hierher kommen, seine Botschaft hinterlassen.

Dass Sprayer an den Wänden von Apartmentblocks, Bahnanlagen, Werks- und Lagerhallen oder in den Zwischengeschossen und an den Wänden von (U-)Bahnstationen Botschaften und Gemälde hinterlassen und mit ihrem "Tag", ihrem Namenskürzel signieren, ist also nichts Neues; diese Bewegung gibt es schon seit den 1960er Jahren, als sie in New York und London erstmals in Erscheinung trat und später auf die Städte des europäischen Kontinents übergriff. Und nach wie vor ist ihr Tun illegal; nach dem Gesetz schänden sie mit ihren Spraydosen oder Acrylstiften öffentliches Eigentum.

Seit 1990, als der junge Sprayer und selbsternannte "Street Artist" Robin Banks sich erstmals an einer Kaimauer seiner Heimatstadt Bristol an der Mündung der Severnbucht verewigt und mit seinem Tag "Banksy" signiert hat, ist seine Vorgehensweise bis heute stets gleich geblieben:

Bei Nacht und Nebel oder manchmal auch am hellichten Tag hält ein weißer VW-Sprinter vor der Wand einer Mietskaserne oder an einer Hafen- oder Fabrikmauer zu einer Zeit, in der niemand in dieser Gegend unterwegs ist.

Eine Gestalt in einem weißen Maurer-Overall und einer Kapuzenjacke in derselben Farbe - die Kapuze hat er so weit nach vorne gezogen, dass sein Gesicht in ihrem Schatten verborgen bleibt - steigt bewaffnet mit Schablonen und Spraydosen aus dem Lieferwagen.

Ohne Aufheben, aber auch ohne zu zögern fixiert er seine Schablone an der Mauer, legt mit seinen Spraydosen los, packt sein "Werkzeug" ein, steigt in seinen Sprinter und fährt davon - und an der Wand bleibt das neueste Werk zurück, das Banksy hinterlassen hat.

Das Themenspektrum seiner Graffiti, Skulpturen und Installationen reichen von Szenen aus dem Alltagsleben über Erscheinungen der Mode und des Zeitgeistes bis zu Ereignissen, die Geschichte geschrieben haben.

Und obwohl Banksys Werke erst seit 1990 an den Wänden von Bristol, London, New York, dem Gaza-Streifen und neuerdings auch der Ukraine auftauchen bzw. plötzlich dastehen, erinnern mich seine auf die Kernaussage reduzierten Spraydosen-Gemälde und Skulpturen an die ebenfalls minimalistischen, aber eine bestimmte Situation klar umreißenden Plakate von Henri de Toulouse-Lautrec und dessen lakonisch-ironische Bildersprache.

So zeichnet sich beispielsweise an einer hell erleuchteten Wand die elegante und zugleich unverkennbare Silhouette einer Ratte ab, und unter dem schwarzen Schattenriss steht in Anlehnung an den LOreal-Slogan "Weil ich es mir wert bin" geschrieben: "Weil ich wertlos bin."

Eine Schar von Punkern und Späthippies - auch ihre Silhouetten sind eindeutig zu erkennen - steht vor einem Kiosk brav in der Schlange, in dem Statement-T-Shirts für 30 Euro angeboten werden; ihre Protesthaltung ist in Wahrheit Heuchelei, da sie alle den Konsumzwang, den sie kritisieren, akzeptieren, indem sie ihn durch den Kauf dieses T-Shirts mitmachen.

In einer Szene bei Sothebys werden gerade Banksys Werke versteigert, und in einem leeren Bilderrahmen steht geschrieben: "Ich kann nicht glauben, dass ihr Deppen wirklich für diesen Scheiß bezahlt!"

Denn es ist schon kurios: Sein Leben lang hat Banksy seine Werke für alle geschaffen, die an ihnen vorübergehen, und nie einen Cent dafür verlangt. Doch heute werden seine Graffiti, die man vor dem Abriss eines Gebäudes von der Wand heruntergeschlagen hat, tatsächlich bei Sothebys zu horrenden Preisen versteigert: 675.000 Pfund... 14.650.000 Pfund... Und wer auch immer das jeweilige Werk ersteigert hat, bezahlt tatsächlich diesen Preis!

Bis heute kennt niemand das Gesicht dieses Ausnahmekünstlers; selbst sein "Selbstporträt" zeigt nur zwei große, hell erleuchtete Augen hinter einer Hornbrille und die Andeutung einer Nase. Auch als er sich vor laufender Kamera zum Sinn und Zweck seiner Kunst äußert, liegt sein Gesicht tief in den Schatten seiner Kapuze verborgen, und seine Stimme ist elektronisch verfremdet.

Offiziell heißt es lediglich von ihm, dass er ein erfolgreicher Unternehmer ist. Es muss wohl so sein, denn ohne einen sicheren finanziellen Hintergrund könnte er seine Aktionen nicht genauso ausführen, wie er sie geplant hat, und ohne vor dem permanenten Druck der Behörden, Rechtsanwälte und Gerichte zu kapitulieren und sie zurücknehmen zu müssen.

Aus meiner Sicht tut Banksy gut daran, der große Unbekannte zu bleiben, denn nur das Wirken im Untergrund ermöglicht es einer solch einflussreichen und Aufsehen erregenden Erscheinung wie ihm, dass er weiterhin frei und unabhängig seine Meinung sagt, ohne von Behörden, Presse und Rundfunk und den Social Media "abgeschossen" zu werden.

Denn in den dreißig Jahren seines Schaffens hat er immer wieder auf seine eigenwillige, mitunter auch unbequeme Weise kundgetan, was er von bestimmten Erscheinungen des Zeitgeschehens hält.

Ob er in einem frechen, respektlosen Porträt aus Queen Elizabeth II. eine Schimpansin macht, was man ihm in seiner Heimat Großbritannien ernsthaft übelgenommen hat, oder das Unterhaus des britischen Parlaments im Vorfeld des Brexit-Volksentscheids als ein chaotisches, tobendes Affentheater bezeichnet und alle Anwesenden im Saal ebenfalls in Schimpansen verwandelt;

Ob er im Jahr 2004 10-Pfund-Noten im Wert von 1.000.000 Pfund mit dem Porträt von Prinzessin Diana druckt, sie auf dem Markt von Notting Hill zur Zeit des Karnevals unter das Volk bringt und die Leute tatsächlich mit diesem 10-Pfund-Schein an den Marktständen und in den Läden von Notting Hill bezahlen,

ob er in Bournemouth, einem Badeort an der englischen Südwestküste, einen Park für Erwachsene im Stil der Disney World eröffnet, der absolut nichts Schönes und Heiteres hat, sondern Dekadenz und Tristesse verströmt, wohin man schaut;

ob er im con israelischen Truppen besetzten Gaza-Streifen ein Grandhotel erbauen und einrichten lässt, in dem sich kein Mensch freiwillig aufhalten würde, während die eingesperrten Menschen seit Jahrzehnten dort ausharren müssen und die WeltöffentlichkeiT es ohne Proteste und Kommentare hinnimmt;

oder ob er auf seine Weise zeigt, wie es den Menschen während der Corona-Pandemie, vor allem während der Lockdowns ging, nämlich schlicht und einfach beschissen:

Mit Aussagen dieser Art, die sich zum Teil gegen den allgemeinen Konsens stellen, schafft man sich in unseren Tagen schneller Feinde, als man bis drei zählen kann.

Wenn sich zwei Aspekte gleich einem roten Faden durch Banksys Schaffen ziehen, dann zum einen seine subjektive, individuelle, aber stets klar und eindeutig formulierte Sicht der Dinge, und zum anderen das Motiv, das seinem Schaffen zu Grunde liegt:

Was auch immer geschieht, nie dürfen wir Menschen unser lebendiges, empfindendes Herz verlieren und die Fähigkeit aufgeben, füreinander Liebe zu empfinden und sie zu leben, ganz gleich, wie sehr wir Gefahr laufen, verwundet zu werden.

Das zeigt das "Mädchen mit dem roten Ballon", sein berühmtestes Graffiti-Werk; das zeigen die beiden Kinder, die auf einem Berg von Waffen stehen und gemeinsam einen roten Ballon in Gestalt eines Herzens hoch halten; und das zeigen auch die Tänzerin, die Akrobatin und die beiden Judo-Kämpfer in seiner jüngsten Bilderreihe, die er auf den verbleibenden Trümmern zerbombter Städte in der Ukraine hinterlassen hat.

Mein Fazit: Die ehemalige „Galeria“ am Stachus ist drauf und dran, sich diesen Namen wirklich zu verdienen. Erst die Meisterwerke der Renaissance, jetzt die Banksy-Werkschau; was wird als Nächstes kommen? Aus meiner Sicht muss es etwas geben, das als Nächstes kommt, damit das Herz von München am Leben bleibt.

Was die aktuelle Ausstellung betrifft, kann ich nur einmal mehr sagen: Münchnerinnen und Münchner, Zugereiste und Gäste, seht Euch an, was im Tiefgeschoss der „Galeria“ vor sich geht; die zwamzig Euro Eintritt lohnen sich für die Fülle an Gemälden, Fotos und Objekten, die es zu sehen gibt!

Und wartet mit eurem Besuch nicht zu lange, denn Banksy bleibt - genau wie seine Werke - nicht lange an diesem Ort; früher oder später wird er wieder spurlos verschwinden!



05.07.2024 - "Wolke 8" - Ein Sommer-Kulturfestival im Gasteig HP8
Es ist schon eine Weile her, seit ich erstmals das Gasteig-Ausweichquartier gegenüber dem Heizkraftwerk Süd an der Brudermühlstraße besucht habe; doch im Rahmen meiner Suche nach Dingen, die München seinen Bürgern und Gästen umsonst bietet, stieß ich unlängst auf die Ankündigung eines Sommerfestes, das am 30. Juni dort stattfinden sollte. Von 14:30 bis 19:30 konnten interessierte Besucherinnen und Besucher im gesamten Gelände allerhand anfangen: Wolkenbilder malen, in einem Workshop Klavier spielen und kleine Stücke komponieren, Lieder und Tänze aus dem oberbayerischen Raum erlernen und vieles mehr, ohne dass die Veranstaltungen einen Cent gekostet haben. Also stieg ich die Rampe hinunter, die in den Gebäudekomplex als Ganzes und direkt auf den Saal X zu führt. Heute betritt man die zentrale Halle E, das einstige Elektrizitäts- und Umspannwerk der Stadtwerke München und heute das Kernstück des Interimsquartiers Gasteig HP8, nicht mehr über die Anfahrts- und Laderampe, sondern geht links um die Halle herum und findet den Haupteingang an der Längsseite. Den ersten Programmpunkt erreichte ich etwas später als um 14:30, kam aber nicht zu spät, um ihn noch ausführlich mitzubekommen: An der Stirnseite der Halle E, die jetzt viel heller gestaltet ist als in der Zeit des Umbaus und deren umlaufende Galerien in der ersten und zweiten Etage in Blau, Stahlgrau, Weiß und Gelb gehalten sind, stand eine Trachten- und Musikgruppe aus Oberbayern auf der Bühne, deren Sängerin eine Schar freiwilliger Chorsängerinnen und -sänger zischen, kauen, schnauben und gähnen ließ, um die Nasennebenhöhlen und andere wichtige "Singwerkzeuge" frei zu bekommen und aufzuwärmen. Dann brachte die Sängerin der Menge zu ihren Füßen einen einfachen Jodler und die dazu gehörenden Wechsel vom Brust- ins Kehlkopf- und Kopfregister bei, in einfachen Worten: wo beim Jodler die tiefen, mittleren und hohen Töne sitzen. Der Wechsel vom Brust- ins Kehlkopfregister war noch recht einfach zu schaffen; doch der Überschlag ins Kopfregister, der in schwindelerregenden Höhen jubilierte, trug die Amateur-Jodlerinnen und -Jodler aus der Kurve... Doch alles in allem war die Stimmung der Menschen im Saal gelöst und heiter, so dass viele, die mit einer Partnerin oder einem Partner gekommen waren, sich auch an den nächsten Programmpunkt heranwagten: ein Rundtanz im Stil eines Zwiefachen, jener zwischen Dreiviertel- und Viervierteltakt wechselnde Tanz, der in der oberbayerischen Volksmusik am häufigsten vorkommt. Mir allerdings schwebte eine einmalige Gelegenheit vor, die sich so bald nicht wieder bieten würde: in der Isarphilharmonie auf der Bühne in den Reihen der Orchestermusiker zu sitzen! Zu diesem Zweck galt es, sich rechtzeitig vor den großen stählernen Flügeltüren anzustellen, die ins Parkett und zur Bühnenrampe führten. Also verließ ich die Reihen der Paare, die sich in der Mitte der Halle E zu einem Kreis formierten, einander umfassten und Tanzhaltung annahmen, und wartete mit einer Schar ebenso neugieriger wie geduldiger Gäste, bis die Saalordner die Stahltore aufstießen und für uns freigaben. Von einer Art Zeremonienmeister wurden wir über das Mikrophon aufgefordert, uns auf die ersten beiden Reihen vor der Bühnenrampe zu verteilen und unsere Plätze einzunehmen; und da heutzutage der Preisspiegel für die Konzerte in der Isarphilharmonie meist bei € 80,-- aufwärts beginnt - ein Spektrum, das mir grundsätzlich zu hoch liegt -, war es für mich allein ein Erlebnis, direkt vor der Bühnenrampe mit Blick auf die Stuhlreihen zu sitzen, die für die Orchestermusiker und ihre Gäste in großzügigen Kreisen angeordnet waren.


Es ist schon eine Weile her, seit ich erstmals das Gasteig-Ausweichquartier gegenüber dem Heizkraftwerk Süd an der Brudermühlstraße besucht habe; doch im Rahmen meiner Suche nach Dingen, die München seinen Bürgern und Gästen umsonst bietet, stieß ich unlängst auf die Ankündigung eines Sommerfestes, das am 30. Juni dort stattfinden sollte.

Von 14:30 bis 19:30 konnten interessierte Besucherinnen und Besucher im gesamten Gelände allerhand anfangen: Wolkenbilder malen, in einem Workshop Klavier spielen und kleine Stücke komponieren, Lieder und Tänze aus dem oberbayerischen Raum erlernen und vieles mehr, ohne dass die Veranstaltungen einen Cent gekostet haben.

Also stieg ich die Rampe hinunter, die in den Gebäudekomplex als Ganzes und direkt auf den Saal X zu führt. Heute betritt man die zentrale Halle E, das einstige Elektrizitäts- und Umspannwerk der Stadtwerke München und heute das Kernstück des Interimsquartiers Gasteig HP8, nicht mehr über die Anfahrts- und Laderampe, sondern geht links um die Halle herum und findet den Haupteingang an der Längsseite. Den ersten Programmpunkt erreichte ich etwas später als um 14:30, kam aber nicht zu spät, um ihn noch ausführlich mitzubekommen:

An der Stirnseite der Halle E, die jetzt viel heller gestaltet ist als in der Zeit des Umbaus und deren umlaufende Galerien in der ersten und zweiten Etage in Blau, Stahlgrau, Weiß und Gelb gehalten sind, stand eine Trachten- und Musikgruppe aus Oberbayern auf der Bühne, deren Sängerin eine Schar freiwilliger Chorsängerinnen und -sänger zischen, kauen, schnauben und gähnen ließ, um die Nasennebenhöhlen und andere wichtige "Singwerkzeuge" frei zu bekommen und aufzuwärmen.

Dann brachte die Sängerin der Menge zu ihren Füßen einen einfachen Jodler und die dazu gehörenden Wechsel vom Brust- ins Kehlkopf- und Kopfregister bei, in einfachen Worten: wo beim Jodler die tiefen, mittleren und hohen Töne sitzen. Der Wechsel vom Brust- ins Kehlkopfregister war noch recht einfach zu schaffen; doch der Überschlag ins Kopfregister, der in schwindelerregenden Höhen jubilierte, trug die Amateur-Jodlerinnen und -Jodler aus der Kurve...

Doch alles in allem war die Stimmung der Menschen im Saal gelöst und heiter, so dass viele, die mit einer Partnerin oder einem Partner gekommen waren, sich auch an den nächsten Programmpunkt heranwagten: ein Rundtanz im Stil eines Zwiefachen, jener zwischen Dreiviertel- und Viervierteltakt wechselnde Tanz, der in der oberbayerischen Volksmusik am häufigsten vorkommt.

Mir allerdings schwebte eine einmalige Gelegenheit vor, die sich so bald nicht wieder bieten würde: in der Isarphilharmonie auf der Bühne in den Reihen der Orchestermusiker zu sitzen! Zu diesem Zweck galt es, sich rechtzeitig vor den großen stählernen Flügeltüren anzustellen, die ins Parkett und zur Bühnenrampe führten.

Also verließ ich die Reihen der Paare, die sich in der Mitte der Halle E zu einem Kreis formierten, einander umfassten und Tanzhaltung annahmen, und wartete mit einer Schar ebenso neugieriger wie geduldiger Gäste, bis die Saalordner die Stahltore aufstießen und für uns freigaben.

Von einer Art Zeremonienmeister wurden wir über das Mikrophon aufgefordert,  uns auf die ersten beiden Reihen vor der Bühnenrampe zu verteilen und unsere Plätze einzunehmen; und da heutzutage der Preisspiegel für die Konzerte in der Isarphilharmonie meist bei € 80,-- aufwärts beginnt - ein Spektrum, das mir grundsätzlich zu hoch liegt -, war es für mich allein ein Erlebnis, direkt vor der Bühnenrampe mit Blick auf die Stuhlreihen zu sitzen, die für die Orchestermusiker und ihre Gäste in großzügigen Kreisen angeordnet waren.

Als jede und jeder auf einem Stuhl saß, teilte der Zeremonienmeister ein Formblatt aus, das alle Besucherinnen und Besucher zu unterschreiben hatten: den Haftungsausschluss des Gasteig HP8 im Fall von selbstverschuldeten Unfällen auf der Bühne. Erst nachdem er alle Formblätter eingesammelt hatte, und nach einer Mahnung zur Vorsicht bei den kreisrunden Spurrillen im Parkettboden, an denen bestimmte Segmente erhöht oder gesenkt werden können, durften wir die Bühne betreten und uns auf die Stühle verteilen, d.h. auf jene, vor denen keine Notenständer mit aufgeschlagener Partitur standen.

Auf dieses Zuschauerexperiment ließ sich an diesem Nachmittag das Münchner Kammerorchester ein, das ausschließlich aus Streichern bestand und vom Konzertmeister geleitet wurde.

Auf dem Programm standen der erste Satz und der Walzer aus Tschaikowskijs "Serenade für Streichorchester" op. 58 sowie "Hirta Rounds", ein Werk des irischen Komponisten David Finney.

Neben den Streicherinnen und Streichern, die ihre Plätze auf der Bühne einnahmenm, teils vor, teils hinter, manchmal sogar direkt neben ihren Gästen, trat auch ein Musikjournalist als Moderator auf, der sonst in der Münchner Jazz-Szene unterwegs ist, aber die klassische Musik weder vergessen hat noch ihr abgeneigt ist. Er gab eine kurze Einführung zu den Besonderheiten der Stücke, die wir hören würden, und zu der besonderen Arbeitsweise eines Kammerorchesters.

Denn der Konzertmeister gibt zwar mit seinem Bogen das Zeichen zum Einsatz, konzentriert sich dann aber wie alle anderen Musiker auf seine Noten und sein Instrument. Während er spielt, kann er jeweils nur Sekundenblicke in den Raum werfen, aber nicht mit seinem Bogen Tempi- oder Dynamikwechsel anzeigen, wie es ein Dirigent mit seinem Taktstock tut.

Das heißt, in einem Kammerorchester ist jeder Musiker auf sich und sein eigenes Können angewiesen, muss aber auf seine Mitspieler hören und sie aus den Augenwinkeln im Blick behalten, damit aus den Instrumentenstimmen ein harmonischer Zusammenklang entsteht.

Es war ein besonderes, einmaliges Erlebnis, den Musikerinnen und Musikern so nahe zu kommen - ich saß hinter zwei Damen in der Reihe der ersten Geigen - und nicht nur die Melodiebögen und Harmonien aus nächster Nähe zu hören, sondern auch die Schwingungen zu spüren, die von den Instrumenten ausgehen und den Parkettboden der Bühne leise vibrieren lassen.

Dazu kamen natürlich auch die sanft rauschenden und wogenden Klänge Tschaikowskijs, die das Münchner Kammerorchester für diesen Nachmittag ausgewählt hatte.

"Hirta Rounds", das moderne 13-Minuten-Stück von David Finney, kam als Kontrast nach dem ersten Satz von Tschaikowskijs "Serenade für Streichorchester". Es war dem Wesen nach ganz anders, da es keine dahinfließenden und sich beständig fortspinnenden Kadenzen gab, nur flüchtig hingewehte, scheinbar zusammenhanglose Klangfragmente.

Gleichwohl riefen diese flüchtigen Impressionen vor meinem inneren Auge einen Reigen von Bildern wach: die Brandung, die gegen die Felsklippen einer kleinen baumlosen Grasinsel donnert...der Wind, der das Gras, die Disteln und den Strandhafer auf dem Scheitel der Insel zaust und beugt und die Wogen des Atlantik zu weißer Gischt aufpeitscht...und immer wieder - zumindest für mich - das Bild eines Hirten, der seine Schafherde über die weite Grasebene treibt und sie mit seinen Rufen zusammenhält.

Gerne wäre ich noch länger in den Reihen der Musiker auf der Bühne der Isarphilharmonie sitzen geblieben! Doch rasch ging die Stunde vorüber, und schon stand der nächste Punkt auf dem Programm: Werke von Komponisten aus der Musikhochschule an der Arcisstraße.

Zu den Werken der jungen Komponisten gab der Dozent der Komponistenklasse jeweils eine kurze Einführung. Es war kein Geringerer als Gerd Baumann, der zusammen mit Sebastian Horn die Formation "Dreiviertelblut" gegründet und zum Leben erweckt hat.

Was das Publikum zu hören bekam, waren die Facharbeiten dieses Sommersemesters: Die jungen Komponisten waren aufgefordert, ein Stück zum Thema "Wolken" zu erschaffen und mit Musikern ihrer Wahl auf dem Sommerfest "Wolke 8" zu spielen.

Früher komponierte man, indem man am Flügel oder Klavier saß und sein Werk auf Notenblätter niederschrieb. Heute sitzt man an einem kleinen Keyboard, das mit einem PC und einem Mischpult verkabelt ist, gibt seine Komposition in den PC ein und tariert sie am Mischpult aus.

Auf diese Weise entstanden Stücke wie "Doch kein Sturm" für eine Sängerin, ein Alphorn, das einem Regen-Abflussrohr aus dem Baumarkt glich, und eine Tänzerin, die über Kabel und Drähte mit dem PC und dem Mischpult verbunden war; oder "Wenn die Wolken..." für Klarinette, Cello und ein Mikroskop über einem Subwoofer; oder "Les Couleurs de tes Nuages" für Gesang, Klarinette und Cello.

Es waren durchweg interessante Stücke. Manche klangen recht postmodern, andere eher träumerisch und meditativ; aber nie entstanden derart schrille oder befremdende Klänge, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer in Scharen aus dem Probenraum geflohen wären. Vielmehr gelang gelang es den jungen Musikerinnen und Musikern, ihr Publikum auf den Stühlen festzuhalten; und dies war allein deshalb eine bemerkenswerte Leistung, weil es in diesem kleinen, engen, gegen Hitze und Kälte kaum isolierten Probenraum beklemmend heiß, schwül und stickig war.

Wie halten es die Musiker aus, in diesem kleinen engen Kabuff zu arbeiten? Und wie um alles in der Welt soll hier ein Orchester von dreißig oder vierzig Mann zusammen proben? Ein Ding der Unmöglichkeit!

Nach der Komponistenstunde verließen die Musiker ebenso wie das Publikum aufatmend und nach Luft hungernd den Saal. Wenigstens die Außentemperatur hatte sich merklich abgekühlt, da sich die niedrigen Wolken mehr und mehr zu Regenschauern ballten; aber das störte in diesem Augenblick niemanden. Jede und jeder brauchte einen Schluck zu trinken und ein paar Atemzüge Luft!

Und so blieb auch für mich Zeit für ein Getränk im Vorübergehen; denn zu essen gab es an der Imbissbude zu dieser Zeit leider nicht mehr als Schokoladeneis und Popcorn.

Und schließlich stand – zumindest für mich - die letzte Veranstaltung auf dem Programm: ein Workshop mit der Orchesterklasse der Münchner Musikhochschule, in dem ein junger Dirigent namens Manuel seinem Publikum in einer knappen Stunde die Grundzüge seines Fachs nahebringen sollte.

Es waren etwa dreißig junge Menschen, die auf ihren Stühlen eng zusammenrücken mussten und sich nicht mehr rühren durften, sobald sie saßen, damit alle in dieser Hutschachtel von einer Bühne Platz fanden.

Will man Manuels Ausführungen glauben, muss man als Dirigent nur eines wissen: wann man beginnt und wo die Eins des zu betonenden Taktes sitzt. Wäre die Vorgabe der Tempi und der Dynamiken in einem symphonischen Werk tatsächlich so einfach, wie Manuel es in seinen kurzen Einführungen demonstriert und mit freiwilligen Probanden vorgeführt hat, könnte sich praktisch jede und jeder vor ein Orchester stellen und mit ihm loslegen...

Doch was Klangschichten und -strukturen, Melodieführung, Harmonien und sonstige Inhalte einer Komposition angeht, gibt es genügend Leute, die eine Menge dazu zu sagen haben, so dass es am Ende doch nicht so einfach ist...

Alles in allem waren es vier lehrreiche, kurzweilige und anregende Stunden, die ich auf dem Sommerfest "Wolke 8" im Gasteig HP8 verbracht habe.

Doch ein großes und generelles Aber muss ich am Ende loswerden.

Die Räume, in denen renommierte, ausgebildete Musikerinnen und Musiker gezwungen sind, ihr Können darzubieten, sind eine Qual und Zumutung für jeden, dessen/deren Sinne noch nicht voll und ganz abgestumpft und vergröbert sind.

Dies beginnt schon bei der zentralen "Halle E". Da es mittlerweile eine unausgesprochene Tatsache ist, dass die Stadt München derzeit für die Grundsanierung und Renovierung des "alten" Gasteigs keine Mittel übrig hat, so dass uns allen das Interimsquartier HP8 noch lange erhalten bleiben wird, hätte man das Äußere dieses ehemaligen Elektrizitäts- und Umspannwerks etwas ansprechender und einladender herrichten können.

Aber nein, es gähnen nach wie vor die nackten roten Ziegelwände und die grauen Betonrampen der ehemaligen Werkshalle, die nun einmal nichts Erhebendes oder auch nur etwas Einladendes an sich haben.

Auch der neue "Saal X", jener glatte, gesichtslose anthrazitgraue Klotz, der für Konzerte und Vorträge extra neu erbaut wurde, bietet für das Auge weder Reiz noch Charme. Lieblos und rein auf Funktionalität ausgerichtet wurde er ins Gelände geknallt und sagt genauso wie die "Halle E": "Friss oder stirb!"

Und der Konzertsaal der Isarphilharmonie lässt in mir nur einen Gedanken zu: "Was hat damals den Architekten geritten und die Münchner Stadträte, die seinem Entwurf zugestimmt haben?"

Viele sagen, im Vergleich zur Philharmonie im "alten" Gasteig sei dieser neue Konzertsaal wenigstens akustisch gut ausbalanciert, und man höre alle Instrumente gleichermaßen klar und deutlich, wo sich vorher viele Klangnuancen und ganze Instrumentenstimmen im Raum verloren haben und untergegangen sind. Mag sein!

Doch das Auge sitzt genauso mit im Konzertsaal wie die Ohren. Wie kann man einen Raum, in dem Menschen neunzig Minuten und länger sitzen und neben den Musikern auf der Bühne auch die Wände und die Decke des Raumes vor Augen haben, komplett in düsteres, stumpfes Anthrazit kleiden?! Ob die Stuhlreihen im Parkett und in den Rängen oder die Verkleidung der Wände und der Decke, alles schimmert je nach Lichteinfall dunkelgrau oder schwarz. Hell erleuchtet und in hellem Holz gehalten sind allein die beiden Treppenaufgänge im Parkett und die Bühne.

Will der Architekt und wollen die Münchner Stadträte jene, die sich in diesem Raum längere Zeit aufhalten, in Depressionen und Gedanken an Kreuz, Gruft und Grabesluft treiben?

In meiner Vorstellung ist Musik ein lebendiges, dynamisches Wogen und Pulsieren und zugleich ein Leuchten und Strahlen. Wieso hat man diesen Aspekten nicht den geringsten Raum gegeben und stattdessen solch einen erstickenden und erdrückenden Kontrapunkt gesetzt?

Und wer hat an die Bedürfnisse und Belange von Orchestermusikern gedacht, als er in einer Lagerhalle aus Ziegeln und Stahlbeton, die so gut wie keine Isolierung gegen Hitze und Kälte bietet, eine Hutschachtel zu einem Probenraum erklärte?

Wenn schon der Konzertmeister des Münchner Kammerorchesters, das auf Holz- und Blechblasinstrumente und Schlagwerk verzichtet, im Interview mit dem Musikjournalisten erklärt, es sei eine Zumutung, ja eine Schande, ein Ensemble in solch einer drangvollen Enge proben zu lassen - wo soll ein komplettes Symphonieorchester von dreißig oder vierzig Mann hin? In einem Probenraum wie diesem haben die Musiker weder genug Raum für sich selbst noch ist es möglich, Instrumentengruppen anders über den Raum zu verteilen, um unterschiedliche Klangnuancen und -strukturen auszuprobieren.

Aktuell bietet im Gasteig HP8 nur der Konzertsaal der Isarphilharmonie einem Klangkörper vom Rang der Münchner Symphoniker oder des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks genügend Raum für Ensemble- und Generalproben, und - wie gesagt - dieser Konzertsaal ist in meinen Augen so gestaltet, dass man hier drin auf Dauer seelisch eingeht.

In diesem Sinne kann ich nur den Antrag von Sir Simon Rattle und anderen bedeutenden Musikern in München unterstützen: Seht zu, dass der neue Konzertsaal im Werksviertel fertig wird!

Sollte auch dies finanziell für die Stadt München nicht tragbar sein: Nutzt den Kongress-Saal des Deutschen Museums oder - zumindest in den Sommermonaten - das frühere Odeon im Finanzministerium!



08.06.2024 - In stilvollem Ambiente - Musik bei Ludwig Beck am Rathauseck
Angesichts des offenkundigen Niedergangs der Galeria-Karstadt-Kette, den ich des Langen und Breiten beklagt habe, erscheint es mir fast als ein kleines Wunder, dass sich das inhabergeführte Kaufhaus Ludwig Beck, das sich seit 1861 direkt neben dem Neuen Rathaus am Marienplatz erhebt, nie einer Kette oder einem Konzern angeschlossen hat und sich dennoch bis heute zu behaupten vermag. Eine Ex-Kollegin von mir, mit der mich hin und wieder treffe - diejenige, welche stets hohe Ansprüche an das gastronomische Niveau eines Restaurants stellt - schwört auf das Angebot an Handtaschen und Sonnenbrillen im Erdgeschoss, mag die Bademode dieses Hauses und hat mir vor kurzem ihren neuen Sommermantel präsentiert, den sie ebenfalls hier fand. Und was mich angeht, übt die große Musikabteilung, die sich auf die fünfte Etage und eine tiefer liegende Zwischenebene verteilt - diese Zwischenebenen sind seit jeher eine Besonderheit dieses Hauses -, eine geradezu magnetische Anziehungskraft auf mich aus. Seit dem Siegeszug des WWW haben Youtube und Spotify den Markt für CDs, Schallplatten und DVDs zum Einsturz gebracht und fast eliminiert; das erkennt man allein an dem Nischenangebot in unseren Drogerie- und Media-Märkten, das auf einige wenige Regale geschrumpft ist. Doch nach wie vor gibt es Fans, die unermüdlich nach den Alben von Musikern suchen, die zum immateriellen Erbe der Menschheit zählen, und die seinerzeit ihre Werke mit Ernst und Hingabe im Studio aufgenommen haben. Allen, die auf der Suche nach dieser Art Musik sind und Wert auf qualitativ hochwertige Aufnahmen legen, kann ich die Musikabteilung des Kaufhauses Ludwig Beck wärmstens empfehlen, ganz gleich, ob Klassik, Jazz, Ethno-Folk oder seit der Jahrtausendwende auch Rock auf hohem Niveau. Noch vor etwa zehn Jahren fanden in diesem Haus auf dem erhöhten, mit hellem Holz verschalten Podium an der Stirnseite des tiefgelegten Zwischengeschosses am Freitag- und Samstagnachmittag kleine kostenlose Konzerte statt, in denen Musikerinnen und Musiker aus dem Bereich Klassik oder Jazz ihr neues Album vorstellten und einige Stücke daraus spielten; doch seit etwa 2010 war von diesen informellen Konzerten zum Nulltarif nichts mehr zu sehen und zu hören. Doch seit Anfang Januar dieses Jahres hat Ludwig Beck zu meiner Freude diese Tradition wieder aufleben lassen! Eine Stunde vor Konzertbeginn bauen die Betreiber und Mitarbeiter der Musikabteilung fünf Stuhlreihen auf der kleinen Freifläche vor der Bühne auf. Beginnt das Konzert um 16:00 Uhr, genügt es, wenn man sich um 15:30 dort einfindet. Doch dann sollte man sich so rasch wie möglich auf einem Stuhl einquartieren, denn zu Beginn des jeweiligen Konzerts sind die Stuhlreihen ebenso wie die Mauervorsprünge und Fensternischen an der rechten Längsseite des Zwischengeschosses jedes Mal bis auf den letzten Platz besetzt.


II. In stilvollem Ambiente - Gehobene Musik bei Ludwig Beck am Rathauseck
 

Angesichts des offenkundigen Niedergangs der Galeria-Karstadt-Kette, den ich des Langen und Breiten beklagt habe, erscheint es mir fast als ein kleines Wunder, dass sich das inhabergeführte Kaufhaus Ludwig Beck, das sich seit 1861 direkt neben dem Neuen Rathaus am Marienplatz erhebt, nie einer Kette oder einem Konzern angeschlossen hat und sich dennoch bis heute zu behaupten vermag.

Eine Ex-Kollegin von mir, mit der mich hin und wieder treffe - diejenige, welche stets hohe Ansprüche an das gastronomische Niveau eines Restaurants stellt - schwört auf das Angebot an Handtaschen und Sonnenbrillen im Erdgeschoss, mag die Bademode dieses Hauses und hat mir vor kurzem ihren neuen Sommermantel präsentiert, den sie ebenfalls hier fand.

Und was mich angeht, übt die große Musikabteilung, die sich auf die fünfte Etage und eine tiefer liegende Zwischenebene verteilt - diese Zwischenebenen sind seit jeher eine Besonderheit dieses Hauses -, eine geradezu magnetische Anziehungskraft auf mich aus.

Seit dem Siegeszug des WWW haben Youtube und Spotify den Markt für CDs, Schallplatten und DVDs zum Einsturz gebracht und fast eliminiert; das erkennt man allein an dem Nischenangebot in unseren Drogerie- und Media-Märkten, das auf einige wenige Regale geschrumpft ist.

Doch nach wie vor gibt es Fans, die unermüdlich nach den Alben von Musikern suchen, die zum immateriellen Erbe der Menschheit zählen, und die seinerzeit ihre Werke mit Ernst und Hingabe im Studio aufgenommen haben. Allen, die auf der Suche nach dieser Art Musik sind und Wert auf qualitativ hochwertige Aufnahmen legen, kann ich die Musikabteilung des Kaufhauses Ludwig Beck wärmstens empfehlen, ganz gleich, ob Klassik, Jazz, Ethno-Folk oder seit der Jahrtausendwende auch Rock auf hohem Niveau.

Noch vor etwa zehn Jahren fanden in diesem Haus auf dem erhöhten, mit hellem Holz verschalten Podium an der Stirnseite des tiefgelegten Zwischengeschosses am Freitag- und Samstagnachmittag kleine kostenlose Konzerte statt, in denen Musikerinnen und Musiker aus dem Bereich Klassik oder Jazz ihr neues Album vorstellten und einige Stücke daraus spielten; doch seit etwa 2010 war von diesen informellen Konzerten zum Nulltarif nichts mehr zu sehen und zu hören.

Doch seit Anfang Januar dieses Jahres hat Ludwig Beck zu meiner Freude diese Tradition wieder aufleben lassen!

Eine Stunde vor Konzertbeginn bauen die Betreiber und Mitarbeiter der Musikabteilung fünf Stuhlreihen auf der kleinen Freifläche vor der Bühne auf. Beginnt das Konzert um 16:00 Uhr, genügt es, wenn man sich um 15:30 dort einfindet. Doch dann sollte man sich so rasch wie möglich auf einem Stuhl einquartieren, denn zu Beginn des jeweiligen Konzerts sind die Stuhlreihen ebenso wie die Mauervorsprünge und Fensternischen an der rechten Längsseite des Zwischengeschosses jedes Mal  bis auf den letzten Platz besetzt.

Beim ersten Konzert Anfang Januar 2024 trat der koreanische Pianist Willam Youn am hauseigenen Flügel auf. Schon seit einigen Jahren lebt und wirkt er in München; und neuerdings haben es ihm die Werke der französischen Impressionisten angetan.

Auf seinem aktuellen Album hat William Youn Sonaten von Gabriel Fauré, Rainaldo Hahn und Nadia Boulanger eingespielt. Wie er in seinen kurzen Einführungen zu diesen Komponisten erklärte, liebt er die Feinheit, den Reichtum an Klangfarben und Schattierungen und das Träumerische, Fließende, das der impressionistischen Musik zu eigen ist.

Und fürwahr verstand es der junge, einfühlsam auf die von ihm erwählte Musik reagierende Pianist, seine Melodien gleich Regenbogenschleiern aus vielfarbigem Licht zu entfalten, über dem Raum schweben zu lassen und das Publikum, darunter auch meinereine, ins Reich der Träume zu entführen.

Eine kostbare, viel zu kurze Dreiviertelstunde lang war alles Laute, Grobe und Hässliche aus der Welt entschwunden; es gab nur noch perlende, teils heitere, teils leicht melancholische Klänge. Was durch das gesamte Konzert hindurch blieb, war der Eindruck lichter, heller Anmut, ohne dass es grelle oder schroffe Töne gegeben hätte oder das sensible, höchst aufmerksame Spiel des Pianisten jemals ins Seichte und Oberflächliche abgedriftet wäre.

Zwei Wochen später war seine Kollegin Claire Huangci bei Ludwig Beck zu Gast. Ihre Eltern stammen ursprüng-lich aus Hongkong, haben sich aber lange vor ihrer Geburt in Philadelphia niedergelassen. Schon mit dreizehn Jahren studierte sie am renommierten Curtis Institute und erzählte wie nebenbei: "Juja Wang war damals eine Klassenkameradin von mir; ich habe sie gut gekannt", und: "Ach ja, Lang Lang kenne ich seit damals auch recht gut."

Genau diese beiden, Juja Wang und Lang Lang, sind aktuell die Star-Pianisten schlechthin, die u.a. bei Klassik am Odeonsplatz oder bei den weltweit ausgestrahlten Silvesterkonzerten auftreten; und Claire Huangci spricht von ihnen wie eine kleine Schülerin, die zwischen den beiden auf der Schulbank sitzt und mit ihnen das Pausenbrot teilt...

Wie William Youn lebt auch sie schon seit Jahren in Deutschland, allerdings nicht in München, sondern in Hannover, wo sie ihr Klavierstudium abgeschlossen hat. Dort ist sie auch verheiratet und seit etwas über einem Jahr stolze Mutter einer kleinen Tochter.

Während sich ihr koreanischer Kollege von den französischen Impressionisten angezogen fühlt, hat sich Claire Huangci auf Schuberts späte Klaviersonaten gestürzt. Offenbar ist dies durchaus wörtlich zu nehmen, denn wie die Feuilletonistin der Münchner Abendzeitung in ihrem kurzen Interview mit der Pianistin berichtete, gelang es ihr am Abend vor ihrem Gastspiel bei Ludwig Beck, im Herkulessaal der Residenz mit ihrem Temperament und ihrer Spielfreude ihr Publikum zu packen und mitzureißen.

Da auch dieser jungen Pianistin leider nicht mehr als eine Dreiviertelstunde zur Verfügung stand, spielte sie nur einige Auszüge aus drei Sonaten und der Fantaisie in C-Dur. Doch in dieser knapp bemessenen Zeit gelang es ihr durchaus, die Freude und Begeisterung herüberzubringen, die ihr die Musik von Franz Schubert bereitet. 

Das jüngste Live-Konzert, das am Samstag nach meiner Entlassung aus der Klinik stattfand - so ergab sich für mich die Gelegenheit, meine Rückkehr nach Hause zu feiern -, war von ganz anderem Kaliber. Diesmal hatten sich die Blues-, Country- und Folk-Gitarristen Oliver Mally und Peter Schneider mit vier Gitarren, einer Mundharmonika und ihrem neuen Album bei Ludwig Beck eingefunden.

Auch dieses Nachmittagskonzert habe ich keine Sekunde lang bereut. Die Stücke bzw. Songs, die Oilver Mally singt und gemeinsam mit seinem Kompagnon Peter Schneider spielt, lassen die späten 1960er bzw. frühen 1970er Jahre wieder aufleben. Zum Teil ähneln sie der Musik von Eric Clapton, Eric Burdon mit oder ohne Animals und der Doors; zum Teil der Art Folk, die man mit der Westküste der USA zwischen San Francisco und Monterey assoziiert, sprich mit The Moody Blues, The Mamas and the Papas, The Eagles etc.

Wenn eine Frau den Blues singt und spielt, handeln ihre Songs meist davon, dass sie von ihrem Partner schlecht behandelt oder verlassen wurde, oder dass sie unter tristen, perspektivenlosen Bedingungen lebt und arbeitet.

Wenn ein Mann den Blues singt und spielt, fährt er entweder einen Monster-Truck tausend Meilen weit quer durch den Kontinent oder ist zu einer Reise ins Ungewisse aufgebrochen, hat sein Mädchen und sein Zuhause verlassen oder in einer Autobahnraststätte eine interessante Zufallsbekanntschaft kennengelernt, weiß aber genau, dass er sie nicht wiedersehen wird.  

Während Toni Braxton einmal gesagt hat, der Blues fühle sich so an, wie man sich fühlt, wenn man gerade aufgehört hat zu weinen, schieben Männer den Blues eher lässig und ein wenig mürrisch aus dem Mundwinkel heraus, und der Rhythmus ihrer Gitarre entspricht dem Donnern und Wummern eines schweren LKW-Motors..

Im Folk der 1960er/frühen 1970er Jahre wiederum - vor allem, wenn er von der Westküste der USA stammt -, schwingt immer ein wenig die Brandung des Pazifik mit, die teils voller Kraft und Wucht gegen die Klippen der Steilküste donnert, teils sanft und gleichmäßig schwingt und fließt, vor und zurück, vor und zurück. Dieses Wogende, Fließende und zugleich Kraftvolle hört man z.B. in Songs wie Nights in White Satin, California Dreaming oder auch in Waiting for the Sun und End of the Night von den Doors.

Genau die Mischung dieser beiden Lebensgefühle bringen Oliver Mally und Peter Schneider herüber. Für die Songs, die in Richtung Folk gehen, nehmen sie einfache Konzertgitarren her. Für ihre Blues-Nummern verwenden sie Western-Gitarren mit Stahlsaiten und verstärktem Korpus, wobei Peter Schneider es fertigbringt, allein mit seinem Slide-Kapodaster, den er über dem Ringfinger trägt, die Saiten wie die einer elektrischen Leadgitarre heulen und jaulen zu lassen; eine Spieltechnik, die Ry Cooder im Soundtrack des Films Paris, Texas und bei der Son de Cuba-Musik des Buena Vista Social Club eingesetzt hat. 

Alles in allem sorgten diese beiden Sanges- und Spielbrüder für eine schwerelos-entspannte Reise ins Reich der Träume, die einmal mehr viel zu früh endete.

Was alle Programme bei Ludwig Beck miteinander gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass diese Mini-Konzerte nach wie vor keinen Cent kosten; es sei denn, man möchte das neue Album des Musikers gleich mitnehmen und von ihm mit seinem Autogramm signieren lassen.                      



08.06.2024 - Was man in München (fast) umsonst bekommt
Leider hat mich eine Infektion, die ich vor sechs Jahren schon einmal in schwerer Form hatte, zehn Tage lang in die dermatologische Klinik Thalkirchen befördert, wo die für meine Station zuständigen Ärzte mich untersuchten, behandelten und mir erklärten, wie diese Art Wundinfektion zu Stande kommt und wie ich mich vor ihr schützen kann. Am ersten Mai, als ich in meinem Krankenzimmer noch allein war, drang um 12:00 Uhr Mittags durch das geöffnete Fenster Blasmusik zu mir herein, die aus dem Patientengarten im Innenhof stammen musste; denn auf dem alten Münchner Südfriedhof, der dem Gebäudekomplex der Klinik direkt gegenüber liegt (was manch einem Patienten schon etwas makaber vorkommt), wird außer bei Trauerfeiern keine Blasmusik gespielt. Es handelte sich weder um die bei Paraden üblichen Märsche noch war es die in Bierzelten und auf Volksfesten übliche Humbatäterä-Musik; eher waren es traditionelle Weisen aus dem süddeutschen Raum, die von draußen an mein Ohr heranwehten. Da ich einen Tag nach meiner Ankunft unter dem Einfluss meiner Antibiotika-Infusion zu kaum mehr fähig war, als im Bett zu liegen und belämmert aus der Wäsche zu schauen, empfand ich den hellen, klaren und zugleich weichen Klang der Trompeten, Posaunen und Flügelhörner als wohltuend und aufheiternd; er schien mich in meinem Bett einzuhüllen, anzuheben und zu tragen. Ein Platzkonzert, das mich obendrein keinen Cent gekostet hat! Während meines zehntägigen stationären Aufenthalts - ja, ich bin wieder heil und wohlauf aus dem Krankenhaus herausgekommen - hatte ich vor allem nachmittags und abends Zeit, ein wenig darüber nachzusinnen, was man in und um München umsonst geboten bekommt; und nun, da ich zu Hause und auch im Arbeitsleben wieder angekommen bin, möchte ich einige dieser Veranstaltungen hervorheben.


I. In der grünen Idylle - Gans woanders und Gans am Wasser
 

Zu meiner Freude hat seit Mitte April im grün und schattig gelegenen Anbau meines Hexenhäuschens an der Pilgersheimer Straße die Open Air-Konzertsaison begonnen.

Bei selbstgebackenen Kuchen und Pizzen finden jetzt wieder an jedem Samstag und Sonntag von 14:00 bis 17:00 und von 19:30 bis 22:00 auf der kleinen Bühne an der Stirnseite des windschiefen Innenhofes Konzerte von Musikerinnen und Musikern aus München und Umgebung statt, während zugleich eine Dame, die in der Nähe ihr kleines "Körperatelier" betreibt, am Nachmittag vorbei kommt, kostenlos Kinder schminkt und sie je nach Wunsch in Löwen, Superhelden, Schmetterlinge oder Paradiesvögel verwandelt.

Im Hinblick auf die musikalische Richtung hat sich das Kulturcafé Gans woanders hauptsächlich dem Jazz und Swing verschrieben. Meist engagieren die Betreiber eine Band, die mindestens aus einem Gitarristen, einem Kontrabassisten und einem Schlagzeuger besteht; und meist singt eine Solistin.

So war im Gans woanders in diesem Frühling die Malis Swing Connection zu Gast, die ich seit ihrem Auftritt beim Jazz-Brunch an Bord der M.S. Utting Anfang Januar 2023 kenne und in guter Erinnerung habe.

Und an jenem Sonntag im April trat dort Tricia Leonard aus London mit ihrer Band auf und rückte die Songs von Cole Porter, Irving Berlin und George Gershwin in den Mittelpunkt. Ihre helle, bewegliche, britisch und nicht amerikanisch klingende Stimme passt erstaunlich gut zu der anmutigen, unbeschwerten Leichtigkeit, die von der Musik dieser Komponisten ausgeht.

Auch ihre drei männlichen Bandkollegen an der E-Gitarre, am Schlagzeug und Kontrabass verstanden es, ein Rhythmusgerüst und einen Klangteppich aufzubauen, der die Stimme der Solistin und ihr Publikum an diesem von keinem Wölkchen getrübten, ungewöhnlich warmen Sonntag im Frühling sicher und zugleich federleicht durch den Nachmittag trug.

An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass es in der entgegengesetzten Ecke Münchens einen Ableger des Gans woanders gibt, der mit seinen Schäfer- und Bauwägelchen als Imbissbuden und seinen unterschiedlich hohen Holzklötzen als Sitzgelegenheiten auf seine Art ebenso schräg herüberkommt wie sein "Schwesterunternehmen" in Giesing: das Gans am Wasser am Mollsee im westlichen Teil des Westparks.

Für mich ergibt sich im Zusammenhang mit dem Gans am Wasser ein kleines Manko: Während ich "meine" vertraute östliche Hälfte des Westparks mit den öffentlichen Verkehrsmitteln recht schnell erreiche, ist es für mich etwas umständlicher, in den Teil zu gelangen, der auf der anderen Seite der Garmischer Autobahn liegt; dafür brauche ich gut eine halbe Stunde länger.

Schade, denn auch dieser Abschnitt, der sich zwischen dem Heimeranplatz und der Garmischer Straße erstreckt, ist auf seine Art schön und stimmungsvoll. Zwar gibt es hier nicht die spektakulären Pagoden und Gartenanlagen aus dem Fernen Osten und auch nicht die weitläufigen Terrassenstufen des Rosengartens; aber neben dem Sardenhaus, einem mittelalterlich anmutenden Aussichtsturm und dem wuchtigen, vierschrötigen Bayerwaldhaus gibt es auch hier Baum-, Ziergräser- und Blumeninseln, sanft gewölbte Aussichtshügel - und den schmalen, aber langgezogenen Mollsee, an dessen rechtem Ufer die Hütten und Buden des Freiluftlokals Gans am Wasser liegen.

Man bekommt dort Bratwurst- und Steaksemmeln, Pizzaschnitten oder gleich ganze Pizzen, Crepes und Kuchen, Eis und Getränke... Kurz, während im Wirtshaus am Rosengarten auf der Ostseite gähnende Leere herrscht und vom Betrieb dieses riesigen Gebäudes nur eine Getränkebude übrig geblieben ist, wird man jenseits der Fußgängerbrücke, sprich auf der anderen Seite der Garmischer Autobahn, mit fast allem, was der Magen begehrt, bestens versorgt.

Auch hier finden von Ende April bis Anfang Oktober an jedem Samstag und Sonntag von 14:00 bis 17:00 Uhr und von 19:30 bis 22:00 Uhr auf der kleinen Bühne des Gans am Wasser Open Air-Konzerte statt. Im Grunde handelt es sich bei der Bühne nur um eine kreisrunde Fläche direkt am Mollsee, um die herum sich die erwähnten Holzklötze als Sitzgelegenheiten in einem Halboval wie Orgelpfeifen aneinanderreihen.

Auch beim Konzept des Gans am Wasser stammen die Musikerinnen und Musiker aus München und Umgebung; nur fokussiert man sich am Mollsee teils auf Folk- und Chanson-Interpreten, die bekannte Songs aus den 1960er bis 1970er Jahren covern, teils auf Liedermacher, die ihre Stücke selbst schreiben, komponieren, spielen und singen.

Löblich finde ich es, dass sowohl beim Gans am Wasser als auch beim Gans woanders der Eintritt zu den Konzerten grundsätzlich frei ist; man zahlt nur das, was man freiwillig einlegt, wenn in einer Pause jemand mit dem Instrumentenkoffer durch die Reihen der Zuhörerinnen und Zuhörer geh



08.03.2024 - Leonardo - Der dem Menschen Wohlgesonnene
Natürlich wäre ein Streifzug durch die Meisterwerke der italienischen Renaissance nicht komplett ohne den einen, der nicht nur Raffael, Sebastiano und Michelangelo den Weg bereitet, sondern die Mannigfaltigkeit des menschlichen Schöpfergeistes verkörpert hat wie kaum ein anderer: Leonardo da Vinci. Und das, obwohl er gar nicht so viel malte, sondern sowohl die Tier- und Pflanzenwelt als auch die Proportionen und die Anatomie des Menschen und nicht zuletzt die Gesetze der Mechanik studierte. Studien, deren Ergebnisse er in seiner legendären Proportionsstudie nach Vitruv, seinen Aufzeichnungen über die Entwicklung des menschlichen Fötus in der Gebärmutter und seinen Skizzen zu Artilleriegeschützen und Flugapparaten verewigt hat. Einräumen muss ich an dieser Stelle, dass Leonardo aus meiner Sicht Farben längst nicht so zum Strahlen und Leuchten bringt wie Raffael, nicht so subtil und eindrucksvoll mit Licht und Schatten spielt wie Sebastiano und nicht solch gewaltige Szenen erschafft wie Michelangelo. Aber dafür ist Leonardo fähig, Gesichter zum Leben zu erwecken und allein mit der Mimik, Gestik und Haltung seiner Gestalten Geschichten zu erzählen wie kaum ein anderer seiner Kollegen, die zeitlich nach ihm kamen. 


Leonardo - Der dem Menschen Wohlgesonnene

Natürlich wäre ein Streifzug durch die Meisterwerke der italienischen Renaissance nicht komplett ohne den einen, der nicht nur Raffael, Sebastiano und Michelangelo den Weg bereitet, sondern die Mannigfaltigkeit des menschlichen Schöpfergeistes verkörpert hat wie kaum ein anderer: Leonardo da Vinci.

Und das, obwohl er gar nicht so viel malte, sondern sowohl die Tier- und Pflanzenwelt als auch die Proportionen und die Anatomie des Menschen und nicht zuletzt die Gesetze der Mechanik studierte. Studien, deren Ergebnisse er in seiner legendären Proportionsstudie nach Vitruv, seinen Aufzeichnungen über die Entwicklung des menschlichen Fötus in der Gebärmutter und seinen Skizzen zu Artilleriegeschützen und Flugapparaten verewigt hat.

Einräumen muss ich an dieser Stelle, dass Leonardo aus meiner Sicht Farben längst nicht so zum Strahlen und Leuchten bringt wie Raffael, nicht so subtil und eindrucksvoll mit Licht und Schatten spielt wie Sebastiano und nicht solch gewaltige Szenen erschafft wie Michelangelo.

Aber dafür ist Leonardo fähig, Gesichter zum Leben zu erwecken und allein mit der Mimik, Gestik und Haltung seiner Gestalten Geschichten zu erzählen wie kaum ein anderer seiner Kollegen, die zeitlich nach ihm kamen. 

Anders als Raffael, Sebastiano und Michaelangelo hatte Leonardo mit Rom, dem Papst und der Kurie wenig zu tun; er lebte und wirkte hauptsächlich in Florenz und Mailand, bis ihn Franz I. von Frankreich nach Schloss Chambord an der Loire berief, dessen Architektur er maßgeblich mitgestaltet hat; und auf Schloss Amboise, seinem letzten Wohnsitz, ist er unter dem Schutz seines letzten Mäzens friedlich und hochgeachtet gestorben.

In den Jahren seines Wirkens in Florenz und Mailand hat er sich vorwiegend der Damenwelt gewidmet. Vom Blick und von den Zügen der Frauen, die er porträtiert hat, geht ein Selbstbewusstsein und eine geistige Wachheit und Reife aus, die seine Kollegen entweder nicht wahrgenommen haben oder nicht darstellen wollten, weshalb auch immer.

Im Rahmen dieser Ausstellung erwartete mich eine Überraschung, von der ich bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts wusste. 
Wohl die ganze Welt kennt die Mona Lisa, die im Louvre hängt und um die sich tagein, tagaus ganze Massen an Touristen scharen. Zwar ist es das erste, quasi das Originalbild, das von der Mona Lisa entstand; doch es ist nicht das einzige!

In Wahrheit war Leonardo weder mit seiner Gesamtkomposition noch mit den Zügen und der Miene der von ihm porträtierten Dame zufrieden, so dass er sie noch einmal verewigte, mit weicheren, zarteren Zügen als in seiner Erstfassung, aber mit einer deutlich reduzierten Farbpalette im Hintergrund. Diese Version der Mona Lisa hängt in der Galerie von Islewood in Großbritannien.

Doch - es war schier zum Verzweifeln - Leonardo war mit dem Resultat seiner Bemühungen immer noch nicht zufrieden. Also ging er ein drittes Mal an dasselbe Porträt, stattete den Hintergrund mit mehr Farben und Licht aus, hüllte seine Dame in ein helleres, leichteres Gewand und verlieh ihren Zügen mehr Lebendigkeit und Heiterkeit als bei seinen Vorgängerversionen.
Und die dritte Mona Lisa, die heute im Prado von Madrid hängt, betrachtete er selbst als als die gelungene, so, wie er sie letzten Endes haben wollte.

Somit können sich drei Galerien rühmen, die Mona Lisa zu beherbergen; aber jede hat eine andere...

Natürlich darf in dieser Ausstellung das Letzte Abendmahl nicht fehlen, jenes auf eine Leinwand gebannte, aus einem einzigen Akt bestehende Drama, das seit seiner Entstehung für einen ganzen Reigen abenteuerlicher Legenden und Spekulationen gesorgt hat. 

Ob der deutlich sichtbare Abstand zwischen Jesus und Johannes wirklich einen Querverweis auf die wahre Bedeutung des Heiligen Grals darstellt, und ob es in Wahrheit nicht Johannes, sondern Maria Magdalena ist, die Jesus am nächsten sitzt - jene These, die Dan Brown in Sakrileg aufgestellt hat -, sei dahingestellt; auf jeden Fall ist das Letzte Abendmahl ein Werk, dessen Dramatik und Ausdruckskraft nicht seinesgleichen hat.

Auch im Saal auf der zweiten Etage, der Leonardos Schaffen gewidmet ist, sind mir zwei Werke besonders aufgefallen:

Auf einem Ölgemälde stellt Leonardo anders als die meisten seiner Zeitgenossen Jesus nicht als Baby auf dem Arm seiner Mutter Maria oder als Schmerzensmann am Kreuz dar, sondern als Salvator Mundi, den Retter und Erlöser der Welt. Mit gelöster, beinahe heiterer Miene hält Jesus die Welt, die sich in seinem Gewand und seiner Gestalt spiegelt, leicht und mühelos in der Hand als Zeichen, dass er sowohl die Welt überwunden hat als auch die Welt in all ihren Erscheinungen und Gestalten verkörpert.

Und es gibt von ihm einen Christuskopf als gezeichnete Skizze, in der das Angesicht Jesu eine Reinheit, Güte und Liebe ausstrahlt, die man in anderen Gemälden dieser Art selten findet; so als habe Leonardo nach so vielen Schreckensbildern von der Marter Jesu am Kreuz und bedrohlichen bis furchteinflößenden Visionen vom Jüngsten Gericht ausnahmsweise einmal der Liebe, Güte und Vergebung Raum geben wollen. 

Vielleicht war Leonardo in dieser Hinsicht von allen Malern der Renaissance den Menschen am freundlichsten und wohlwollendsten gesonnen...