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30.08.2025 - Aus der Welt der bildenden Künste - Die Aussstellung "Fantasie und Realität" im Münchner Landratsamt
Die Buden- und Hüttenstadt der Auer Dult, überwacht von dem steil aufragenden gotischen Spitzturm der rostroten Maria-Hilf-Kirche, von dem um 12:00 Uhr die klaren, silberhellen Töne des Carillons über den großen ahorngesäumten Platz hallen, habe ich jedes Jahr getreu besucht, seit ich in und um München unterwegs bin. Doch in diesem Jahr habe ich erstmals mit dem Münchner Landratsamt zu tun, dessen dreiteiliger Gebäudekomplex sich von der Bushaltestelle Schweigerstraße aus gesehen hinter der Maria-Hilf-Kirche erhebt. Für gewöhnlich hat man nur dann etwas im Landratsamt zu suchen, wenn man sich in München standesamtlich trauen lässt oder wie ich in einer der Gemeinden außerhalb der Stadtgrenzen lebt und in einer persönlichen Sache Rat und Unterstützung in Anspruch nehmen will. Doch in diesem Jahr fand vom 16. Juli bis zum 14. August die kostenlose Ausstellung "Fantasie und Realität" auf der ersten, zweiten und dritten Etage des rechten Vorderflügels statt, dem Gebäudeteil A, wie er im Plan des gläsernen Zwischenbaus heißt, der die weitläufigen Trakte des Landratsamts zusammenhält und miteinander verbindet. Getragen wurde diese Ausstellung vom Künstlerforum Unterschleißheim, zu dem sich die Malerinnen Babette Klingenberg, Stefania Ihlefeldt, Silvia Müller-Lankow, Eva Rauch, Maria Gruber, Theresia Maier, Gisela Leiter, Linda Ferrante und Annette Wenz zusammengeschlossen haben; und alle zusammen haben mit den Acrylfarben ihrer großformatigen Gemälde die Wände des Gebäudeteils A, die sonst eher nüchtern und spartanisch anmuten, auf farbenprächtige und vielfältige Weise zu neuem Leben erweckt. Und an einem Donnerstagnachmittag - die Öffnungszeiten der Ausstellung fiel mit jenen der Büros im Landratsamt zusammen - ergab es sich, dass ich genug Zeit hatte, um von Stockwerk zu Stockwerk zu wandern und die ausgestellten Gemälde in Ruhe zu betrachten. Ausnahmslos beeindruckt hat mich die Ausdruckskraft ebenso wie die technische und stilistische Sicherheit, die alle Malerinnen in ihren ausgestellten Werken zeigen. So fokussiert sich z.B. Babette Klingenberg auf die Darstellung von Alleen und Parkanlagen in drei höchst unterschiedlichen Stilvariationen: in den geraden, klaren Formen und kraftvollen Farben, von denen einst Gustav Klimts Promenadenwege geprägt waren; in leichten, heiteren, lichterfüllten Farbenspielen, die an Claude Monet nahe herankommen; und in kubistisch abstrahierten Bäumen und Gestalten, wie man sie in ähnlicher Gestalt bei Georges Bracque und beim frühen Wassily Kandinsky findet.


Aus der Welt der bildenden Künste - Die Ausstellung "Fantasie und Realität" im Münchner Landratsamt

                                              
Die Buden- und Hüttenstadt der Auer Dult, überwacht von dem steil aufragenden gotischen Spitzturm der rostroten Maria-Hilf-Kirche, von dem um 12:00 Uhr die klaren, silberhellen Töne des Carillons über den großen ahorngesäumten Platz hallen, habe ich jedes Jahr getreu besucht, seit ich in und um München unterwegs bin.

Doch in diesem Jahr habe ich erstmals mit dem Münchner Landratsamt zu tun, dessen dreiteiliger Gebäudekomplex sich von der Bushaltestelle Schweigerstraße aus gesehen hinter der Maria-Hilf-Kirche erhebt. Für gewöhnlich hat man nur dann etwas im Landratsamt zu suchen, wenn man sich in München standesamtlich trauen lässt oder wie ich in einer der Gemeinden außerhalb der Stadtgrenzen lebt und in einer persönlichen Sache Rat und Unterstützung in Anspruch nehmen will.

Doch in diesem Jahr fand vom 16. Juli bis zum 14. August die kostenlose Ausstellung Fantasie und Realität auf der ersten, zweiten und dritten Etage des rechten Vorderflügels statt, dem Gebäudeteil A, wie er im Plan des gläsernen Zwischenbaus heißt, der die weitläufigen Trakte des Landratsamtes zusammenhält und miteinander verbindet.

Getragen wurde diese Ausstellung vom Künstlerforum Unterschleißheim, zu dem sich die Malerinnen Babette Klingenberg, Stefania Ihlefeldt, Silvia Müller-Lankow, Eva Rauch, Maria Gruber, Theresia Maier, Gisela Leiter, Linda Ferrante und Annette Wenz zusammengeschlossen haben; und alle zusammen haben mit den Acrylfarben ihrer großformatigen Gemälde die Wände des Gebäudeteils A, die sonst eher nüchtern und spartanisch anmuten, auf farbenprächtige und vielfältige Weise zu neuem Leben erweckt.

Und an einem Donnerstagnachmittag - die Öffnungszeiten der Ausstellung fiel mit jenen der Büros im Landratsamt zusammen - ergab es sich, dass ich genug Zeit hatte, um von Stockwerk zu Stockwerk zu wandern und die ausgestellten Gemälde in Ruhe zu betrachten.

Ausnahmslos beeindruckt hat mich die Ausdruckskraft ebenso wie die technische und stilistische Sicherheit, die alle Malerinnen in ihren ausgestellten Werken zeigen.

So fokussiert sich z.B. Babette Klingenberg auf die Darstellung von Alleen und Parkanlagen in drei höchst unterschiedlichen Stilvariationen: in den geraden, klaren Formen und kraftvollen Farben, von denen einst Gustav Klimts Promenadenwege geprägt waren; in leichten, heiteren, lichterfüllten Farbenspielen, die an Claude Monet nahe herankommen; und in kubistisch abstrahierten Bäumen und Gestalten, wie man sie in ähnlicher Gestalt bei Georges Bracque und beim frühen Wassily Kandinsky findet.

Eine der Alleen von Babette Klingenberg ist mir besonders ins Auge gesprungen, weil die Stämme und Äste der Bäume samt dem Geflecht der Zweige in einem dunklem, tiefem Rot gehalten sind; sie gleichen einem Querschnitt durch eine menschliche Lunge mit ihren Bronchialästen und den ihnen entspringenden netzartigen Zweigen. Der Wald bzw. Park als Lunge einer Stadt...

Eine ganz andere Bildersprache spricht ihre Kollegin Silvia Müller-Lankow. Ihre Werke möchte ich als zeit- und gesellschaftskritisch bezeichnen, und ihr Stil liegt in etwa zwischen Max Beckmann und James Ensor. In ihrem Gemälde Der Fall K. sitzt die Gestalt einer Frau mit dem Rücken zum Betrachter auf einem altrosa Koffer und hält einen Teddybären in der Hand, während eine grelle Glühbirne eine kahle nackte Wand beleuchtet und ihr Blick sich auf eine in grellem Rot leuchtende, von schwarzen Schatten umgebene Treppe richtet; beides Elemente, die im Betrachter Unbehagen und Beklemmung wecken.

Ein ähnliches Unbehagen ruft in ihrem Bild Maskenball eine Karnevalsgesellschaft von fünf Frauen hervor, die in farbenprächtige wallende Gewänder gekleidet sind, deren Mienen aber ausnahmslos Kälte, Distanz und Hochmut ausstrahlen. Hinzu kommt, dass ihre Augen entweder geschlossen oder verdeckt sind; sprich, all diese Frauen sehen nichts bzw. sehen nichts und niemanden an...

Doch am größten ist das Unbehagen, ja die Beklemmung, die sich einstellt, wenn man das Gemälde Sieh dich nicht um, der V... geht um betrachtet, das Silvia Müller-Lankow der Erinnerung an die C-Zeit gewidmet hat.

Im linken Vordergrund steht eine Gestalt, die über ihrem schwarzen blickdichten Anzug einen Tüllrock und Beinstulpen in Petrol trägt und einen blassblauen Schirm aufgespannt in der linken Hand hält. Mit ihrem kahlen bleichen Schädel hinter der FFP2-Maske, ihrem strengen schwarzen Anzug und den seltsam verspielt anmutenden Accessoires wirkt diese Gestalt androgyn; doch ganz gleich, ob sie auf den Betrachter eher männlich oder eher weiblich wirkt, sie erscheint ebenso bedrohlich und gespenstisch wie die breite, fast leere Straße hinter ihr, die in einem fahlen blassblau-weißen Licht schimmert.

Ja, dieses Gemälde verkörpert eindrucksvoll das lautlos schleichende Grauen, die kalte Isolation und die leere, kahle Nacktheit der Städte, die mit dem C-Virus über die Welt kam. Zwar nur eine kurze Episode in der Geschichte der Menschheit, doch wer sie bewusst erlebt hat, vergisst sie nicht!

Das künstlerische Schaffen ihrer Malerkollegin Theresia Maier wiederum hat zwei sehr unterschiedliche Gesichter. So zeigt ihr Bild Fantasie und Realität - Was ist noch wahr? Menschen mit Smartphones und Virtual Reality-Brillen an der Schläfe. Die Gesichter dieser Menschen verschmelzen mit ihrem technischen Equipment, während ihre Mienen von Leere und Geistesabwesenheit gezeichnet sind und ihre Augen an ihrem jeweiligen Gegenüber leer und blicklos vorbeistarren. In Realität & Fantasie - KI-Scanning - Illusionen sieht man einen Menschenkopf, durch dessen Schädel und Gesicht sich Koordinaten und Skalen ziehen, sprich, dessen Denken und Fühlen vom undurchschaubaren Moloch KI bis ins Letzte erfasst und kontrolliert wird.

Ganz anders sind dagegen ihre drei Impressionen aus dem Schleißheimer Schlosspark gestaltet. Hier ruht eine echte venezianische Gondel auf dem Schlosskanal, gesäumt von Blumenrabatten in lichten, farbenfrohen Tönen, gefolgt von zwei Ansichten des kleinen Schlosses Lustheim am anderen Ende des Parks, eingebettet in seinen ebenso üppig wie verspielt anmutenden Rokoko-Garten.

Ich kann mir nicht helfen, aber in Theresia Maiers Parkansichten und ihren Stillleben mit Lilien, die durchweg lichte, heitere, zeitlose Schönheit atmen, fühle ich mich wohl und zu Hause, während ich ihr Unbehagen an der digitalen Revolution und ihren Auswirkungen auf Geist und Seele der Menschen, die ihr ausgesetzt sind, in vollem Umfang teile...

Ebenso wohl fühle ich mich bei der Betrachtung der großformatigen Tierporträts von Maria Gruber. Denn es sind beeindruckende Wesen, die den Betrachter aus ihrem schwarzen Hintergrund heraus geradezu anspringen. Wie der Kopf des Tigers vor diesem Schwarz flammt und leuchtet! Wie hinter- und tiefgründig die Miene und der Blick des Gorillas wirkt, von dem man fast nur die in hellem Gold strahlenden Augen sieht, während sein Kopf im Schatten bleibt; und welche Kraft und welches Feuer vom Kopf und von der Mähne eines weißen Pferdes ausgeht, die von einem blauen Schein umflossen sind!-

Zu einer ähnlich starken Ausdrucksweise hat ihre Kollegin Stefania Ihlefeldt gefunden, nur, dass sie keine Tiere porträtiert, sondern Menschen, die noch Persönlichkeiten mit einem lebendigen, fühlenden, ja glühenden Gemüt sind, wie z.B. ihre Roxana mit ihrem vollen flammenden Gesicht, umrahmt von der Fülle ihres lockigen schwarzen Haares und einer nicht weniger üppigen Blumengirlande, oder ihre ätherisch schöne Leda mit dem Schwan, deren Züge Sinn und Sinnlichkeit zugleich verströmen.

Zu erleben, dass es hier und heute noch Künstler gibt, die meinen, dass das Wesen des Menschen nach wie vor mehr ist als nur ein Teil der digitalen Welt, hat mich beruhigt und ermutigt...

Auch Stefania Ihlefelds Kollegin und Mit-Malerin Gisela Leiter interessiert sich nach wie vor für das Wesen des Menschen an sich, was sie u.a. in ihren abstrakten Gemälden Urgrund der Seele und Zeig dich wie du bist zum Ausdruck bringt. In beiden Bildern sieht man goldschimmernde Schleier und Flächen vor einem leuchtend blauen Hintergrund.

Doch eigenartigerweise sprechen mich diese beiden Gemälde nicht so sehr an. Vielleicht, weil ich meine, dass der Urgrund einer Seele und ihr Erscheinungsbild nicht immer nur heiter-golden und strahlend blau im Sinne von „alles bestens" ist...

Das Schaffen von Annette Wenz wiederum ist von einem ganz anderen Fokus und Ausdruck geprägt.

Zum einen konzentriert sie sich auf Landschaften, die mit Wasser zu tun haben, sei es ein Wasserfall, der sich vom breiten Kamm eines Felsplateaus in die Tiefe stürzt (meint sie damit die Victoria-Fälle des Kongo und des Sambesi an der Grenze zwischen Tansania und Kenia?), ein Seestück, sprich ein Blick auf Himmel und Meer, oder ein Flusslauf, der sich durch eine üppig wogende Wiese schlängelt.

Zum anderen sind diese Landschaften strikt nach der Natur gemalt und in dunklem Blau, Grau, Weiß und Schwarz gehalten. Dennoch verströmen die dunklen, gedämpften Farben weder Unbehagen noch Beklemmung; eher wirken sie beruhigend und ausgleichend auf das Gemüt, je länger man den Blick in sie versenkt.

Und dann sind da noch die Bilder von Linda Ferrante. Ihre Papageien und Paradiesvögel, die auf belaubten Ästen sitzen, und ihre Neonfische haben mich in der klaren Reinheit ihrer Farben, in ihrer reinen Gestalt ohne Schnörkel und Zierrat und ihrer Zweidimensionalität an einige Beispiele der Farb-Holzschnitte Japans erinnert, die ich etwa zwei Monate zuvor in der gleichnamigen Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek gesehen hatte...

Gegen Ende meines Rundgangs durch die Ausstellung ließen mich zwei Bilder von Eva Rauch innehalten und besonders aufmerken.

Ihre schwarzen Linien und Bögen vor einem steingrauen Hintergrund, betont von ein paar weißen Flächen und drei roten Kugeln in Fantasie mit Formen, erinnerten mich in ihrer ruhigen, präzisen Klarheit an Paul Klee und Joan Miró, während ihr schlichtes aber kraftvolles Stillleben Apfelernte mit iseinen großen leuchtenden Äpfeln, die um die Äste eines Baumes verteilt liegen, an Gabriele Münter und Maria Franck-Mark von den Blauen Reitern...

 

Mein Fazit:


Wie schon eingangs erwähnt, besteht aus meiner Sicht am technischen Können wie auch an der Ausdruckskraft und Vielseitigkeit der Malerinnen vom Künstlerforum Unterschleißheim nicht der geringste Zweifel.

Nur scheint mir, wenn ich ihre Werke betrachte, dass ihre Motive und Stile alle schon einmal da gewesen sind, vom Naturalismus und Impressionismus über den Jugendstil, den Blauen Reiter und den Expressionismus bis hin zur Postmoderne und zur Pop Art.

All diese Kunststile waren für mich deutlich zu erkennen, als ich mich auf den drei Stockwerken im Gebäudeteil A des Münchner Landratsamtes umsah, und verschafften mir jede Menge "Wiedersehen macht Freude"-Effekte.

Alles in allem hielten sich die Malerinnen der Ausstellung Fantasie und Realität an zeitlos gültige Motive und Ansichten; nur wenige von ihnen wagten sich mit einer Aussage zu unserem aktuellen Zeitgeist ans Licht.

Hier hätten sich z.B. die Expressionisten früherer Zeiten mehr getraut...    



30.08.2025 - Das gemütliche Schwabing - Vom Kurfürstenplatz bis zum Obelisken
Um mich nach meinem Besuch des Amtsgerichts an der Infanteriestraße von einem Schemen wieder in einen ganzen Menschen zu verwandeln, nutze ich derzeit den Schienenersatzbus, der vom Kurfürstenplatz über den Karolinenplatz bis zum Stachus fährt und dort direkt neben dem Justizpalast hält. Früher, d.h. zu meinen Kanzleizeiten, sah ich unter der Woche am Ende des Arbeitstages zu, dass ich so rasch wie möglich in der Unterführung zur U2 verschwand und von dort über den Hauptbahnhof mit der S1 nach Hause fuhr. Nur am Freitag, wenn mein Dienst schon am frühen Nachmittag und nicht erst am Abend endete, fuhr ich hin und wieder mit der 27er-Tram vom Hohenzollernplatz bis zum Stachus, stieg auf dieser Strecke aber nur selten aus und sah mich genauer um. Erst heute geht mir in vollem Umfang auf, wie interessant die Gegend ist, durch die ich damals gegurkt bin! So liegt an der Ecke vor dem Kurfürstenplatz die fünfstöckige Patriziervilla aus der Jugendstil-Zeit, in dessen Erdgeschoss vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 2020 das Café Schwabing untergebracht war, das genauso eine Institution war wie der heute noch existierende Schelling-Salon und der (gottlob!) wieder existierende Alte Simpl. Während der Schelling-Salon an der Ecke Schellingstraße/Barer Straße meist von Literaten frequentiert wurde, die dem gehobenen Bürgertum entstammte, so z.B. Stefan George, Paul Heyse, Ludwig Thoma und Thomas Mann, waren im Café Schwabing eher jene zu Hause, die sich als der avantgardistischen Bohême zugehörig verstanden, so z.B. Heinrich Mann, Oskar Maria Graf, Th. Th. Heine und Carl Zuckmayer, wobei Heinrich Mann und Ludwig Thoma zu den Grenzgängern zählten, die in beiden Häusern verkehrten und wie ihre Kollegen vom Café Schwabing ab und zu für das einst gefürchtete Satiremagazin Simplicissimus schrieben. Heute heißt dieser prachtvolle neubarocke Bau mit seinem Kuppel-Eckturm leider nicht mehr Café Schwabing, sondern Café Neuhauser, obwohl er überhaupt nicht in Neuhausen steht...


Das gemütliche Schwabing - Vom Kurfürstenplatz bis zum Obelisken


Um mich nach meinem Besuch des Amtsgerichts an der Infanteriestraße von einem Schemen wieder in einen ganzen Menschen zu verwandeln, nutze ich derzeit den Schienenersatzbus, der vom Kurfürstenplatz über den Karolinenplatz bis zum Stachus fährt und dort direkt neben dem Justizpalast hält.

Früher, d.h. zu meinen Kanzleizeiten, sah ich unter der Woche am Ende des Arbeitstages zu, dass ich so rasch wie möglich in der Unterführung zur U2 verschwand und von dort über den Hauptbahnhof mit der S1 nach Hause fuhr. Nur am Freitag, wenn mein Dienst schon am frühen Nachmittag und nicht erst am Abend endete, fuhr ich hin und wieder mit der 27er-Tram vom Hohenzollernplatz bis zum Stachus, stieg auf dieser Strecke aber nur selten aus und sah mich genauer um.

Erst heute geht mir in vollem Umfang auf, wie interessant die Gegend ist, durch die ich damals gegurkt bin! So liegt an der Ecke vor dem Kurfürstenplatz die fünfstöckige Patriziervilla aus der Jugendstil-Zeit, in dessen Erdgeschoss vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 2020 das Café Schwabing untergebracht war, das genauso eine Institution war wie der heute noch existierende Schelling-Salon und der (gottlob!) wieder existierende Alte Simpl.

Während der Schelling-Salon an der Ecke Schellingstraße/Barer Straße meist von Literaten frequentiert wurde, die dem gehobenen Bürgertum entstammte, so z.B. Stefan George, Paul Heyse, Ludwig Thoma und Thomas Mann, waren im Café Schwabing eher jene zu Hause, die sich als der avantgardistischen Bohême zugehörig verstanden, so z.B. Heinrich Mann, Oskar Maria Graf, Th. Th. Heine und Carl Zuckmayer, wobei Heinrich Mann und Ludwig Thoma zu den Grenzgängern zählten, die in beiden Häusern verkehrten und wie ihre Kollegen vom Café Schwabing ab und zu für das einst gefürchtete Satiremagazin Simplicissimus schrieben.

Heute heißt dieser prachtvolle neubarocke Bau mit seinem Kuppel-Eckturm leider nicht mehr Café Schwabing, sondern Café Neuhauser, obwohl er überhaupt nicht in Neuhausen steht...

Auf dem kleinen rechteckigen Kurfürstenplatz steht noch heute ein alteingesessenes Reisebüro, ein Toilettenhäuschen und ein privat geführter Blumenladen, dessen Mitarbeiter Meister in der Kunst der Floristik sind; sprich, sie fertigen noch heute wie in alter Zeit im Auftrag ihrer Kunden Blumensträuße, -kränze und -girlanden an. Erhebt sich für mich einmal mehr die bange Frage: Wie lange noch?

Dieselbe bange Frage stelle ich mir bei dem knuffigen kleinen Bistro Zum Feinschmecker, dessen Besitzer Quiches und Pasteten, feine Salate und Mittagsmenüs zu zivilen Preisen frisch zubereitet. Und noch heute bekommt man hier eine großzügig bemessene Leberkäs-Semmel für € 2,80, einen ordentlichen Cappuccino für € 2,50 und ein absolut göttliches, von der Mitbesitzerin selbst und frisch gemachtes Erdbeer-Tiramisu für € 3,50, leicht, locker und nicht zu süß, in einer Qualität, wie man sie in München nicht jeden Tag findet.

Gleiches gilt für die Aprikosen, Feigen, Nektarinen und Pfirsiche der kleinen Obst- und Gemüseläden nahe beim Kurfürstenplatz, die überwiegend von Leuten aus dem Nahen Osten betrieben werden. Ein Pfirsich, eine Nektarine oder eine frische Feige genügt als willkommene, sehr preisgünstige kleine Zwischenmahlzeit und ist mit Supermarkt-Ware überhaupt nicht zu vergleichen... Schllllffff!

Folgt man dem Schienenstrang der 27er-Trambahn die Nordendstraße entlang, erreicht man den Elisabethmarkt, dem gegenüber sich der markante weißgetünchte Marmorpalast der Schauburg erhebt. Neben dem von mir in meinem Artikel Ein Hauch von Boheme erwähnten Galli-Theater im Adalberthof und dem Münchner Theater für Kinder an der Dachauer Straße inszeniert auch die Schauburg spannende Theaterstücke für Kinder und Jugendliche von anspruchsvollem Kaliber, so z.B. nach Herman Melvilles Billy Budd, Michael Endes Momo oder eine Kurzfassung von Thomas Manns Buddenbrooks, die sich auf die Konflikte der Geschwister Thomas, Christian und Tony Buddenbrook in ihren jungen Jahren konzentriert.

Doch der Elisabethmarkt, der 2020 abgerissen und nach einem völlig anderen Konzept neu errichtet wurde, passt heute anders als früher nicht mehr in seine stilvolle Umgebung!

Früher waren die Gebäude, die zum Elisabethmarkt gehört haben, gemauerte weißgetünchte Häuser mit schwarzen Schieferdächern und Fensterläden, die sich dezent und vornehm zugleich in das Bild ihrer Umgebung gefügt haben. Unter anderem gab es dort vor 2020 noch Die Spanische Bottega, deren bayerische Besitzerin, die einen spanischen Landadeligen geheiratet hatte, ihre Gäste mit Kartoffelkuchen, gebackenen Auberginen und Zucchini, Manchegokäse und Serranoschinken, Datteln im Speckmantel und vielen anderen Köstlichkeiten der spanischen Tapas-Küche verwöhnte - und mit dem feinsten eisgekühlten Cava-Prosecco von ganz München.

Doch leider wurden all diese Häuser im Zuge des Umbaus durch hölzerne schmucklose Bretterbuden ersetzt, deren in dicht geschlossenen Reihen aneinandergefügte Holzlamellen mich an  die Wellblechhütten erinnern, die einst die europäischen Kolonialmächte den Bewohnern der Inseln in der Karibik und der Südsee aufoktroyiert haben, während diese ihre Hütten vorher aus den Ästen und Wedeln der Kokospalmen und aus Schilfrohr errichtet hatten, die angesichts der Umgebung und des Tropenklimas viel sinnvoller und gesünder gewesen waren. Und dann das kalte, bleiche, stumpfe Grün, in dem alle Holzlamellen lasiert worden sind! Für mich muss von Grün etwas Frisches und Lebendiges ausgehen! Doch womöglich bin ich in dieser Hinsicht von den flammenden, flutenden Grüntönen Irlands  zu sehr verwöhnt...

Ein Gebäude gibt es am Elisabethmarkt, dessen säulengestützte Jugendstilfassade denkmalgeschützt ist, so dass es beim Umbau (gottlob!) nicht abgerissen werden durfte: den kleinen, niedrigen aber urigen Wintergarten, der seinen Namen dem Anbau verdankt, der hinter dem gemauerten Kern dieses Gebäudes liegt und den ein kleiner lauschiger Biergarten umrahmt. Noch heute bekommt man im Wintergarten von 10:00 bis 12:00 Uhr eine frische Weißwurst für € 1,-- und eine frische kleine Brezn für € 1,50. Drei Weißwürste mit süßem Senf, eine Brezn und eine Augustiner-Halbe, und die klassische Münchner Trilogie ist komplett und perfekt! Vor allem bekommt man hier Weißwürste mit dem genau richtigen Siedepunkt, so dass sie weder aufgeplatzt sind noch ihre Hülle sich nur mühsam von der Wurst ziehen lässt, und sie schmecken hervorragend.

Setzt man nach diesem erfreulichen Frühschoppen (Wenn die Augustiner-Halbe alkoholfrei ist, wie es groß und breit auf der Flasche steht, warum spüre ich dann hinterher beim Aufstehen trotzdem den Anflug eines "Duliöhs" in meinen kleinen grauen Zellen?) die Fahrt mit dem Schienenersatzbus fort, kommt man an dem von mir erwähnten Schelling-Salon vorbei, weil die Trambahn bzw. der Bus die Nordendstraße verlässt und in die Barer Straße einbiegt.

Dort hat sich etwas für die Anrainer und meine Wenigkeit Trauriges zugetragen: Der kleine Fresh Bagels & Muffins Shop hat nach dreißig Jahren aufgegeben und ist fort, samt der beiden Herren, die mit ihrem so liebevoll geführten Bistro alt geworden sind! Was hat man den beiden angetan; mit welchen Kosten und Auflagen hat man ihnen an ihrem Stammplatz das Leben zur Hölle und ihrem Bistro den Garaus gemacht?! Noch heute steht auf einer der Fensterscheiben "We MIss You" geschrieben, und dem schließe ich mich aus vollem Herzen an...

Danach fährt die Trambahn/der Bus genau zwischen der Pinakothek der Moderne und der Alten Pinakothek hindurch (das Tresznjewski auf der linken Seite steht zwar noch, heißt aber nicht mehr so) und steuert das Blumenrondell des Karolinenplatzes an, in dessen Mitte der Obelisk, der zum Gedenken an all jene, die seit Napoleons Zeiten im Krieg gefallen sind, schwarz, steil und spitz gen Himmel ragt.

Normalerweise würde die Tram rund um den Karolinenplatz kurven, dabei die israelische Botschaft und das Amerika-Haus streifen und über die Ottostraße direkt zum Karlsplatz/Stachus vorfahren. Da indes am Karlsplatz im großen Stil gebaut wird und die Trambahnen das Stachus-Rondell nicht mehr passieren dürfen, steuert der Schienenersatzbus derzeit den Königsplatz an und hält direkt auf das mächtige marmorweiße Säulentor der Propyläen zu. Rechter Hand erhascht man einen Blick auf die Musikhochschule an der Arcisstraße, bevor der Bus nach links schwenkt und am Parkcafé und am Alten Botanischen Garten vorbei kurvt, bevor er dem Stachus gegenüber genau neben dem ebenfalls marmorweißen, reich stuckierten Justizpalast hält.

Und genau hier, im Dunstkreis des bayerischen Justizministeriums, ist etwas geschehen, das mich jedes Mal beim Aussteigen an der Endhaltestelle die Haare raufen lässt: Man hat den Bus-Ausstieg direkt vor der Fahrradspur platziert, so dass jeder Passagier automatisch auf dem Fahrradstreifen steht! Wer immer hier aussteigt, muss damit rechnen, vom nächstbesten Radler oder E-Roller-Fahrer über den Haufen gefahren zu werden!

Dazu kann ich nur sagen: "O Herr, lass Hirn vom Himmel fallen!"

 

Die Fürstenrieder Straße als Meile des Grauens



Gleiches gilt für die im gleichen Zeiraum stattfindenden Bauarbeiten am Fernwärmenetz und an der neuen Trambahn-Trasse, die derzeit die komplette Fürstenrieder Straße einnehmen. Ich wehre und sträube mich nicht etwa dagegen, dass am Fernwärme- und Trambahn-Netz gebaut wird; es geht mir darum, dass die Fürstenrieder Straße zu den großen urbanen Verkehrsadern Münchens zählt.

Sie beginnt in Sendling auf der Höhe des Waldfriedhofs, führt schnurgerade von Süden nach Norden und endet an der Unterführung der S-Bahn-Station Laim, dem berühmt-berüchtigten Laimer Giftloch, durch das sich alle zwängen müssen, die mit dem PKW, LKW oder Bus weiter nach Nymphenburg oder Moosach wollen.

Durch die Fürstenrieder Straße pflügen täglich die Kolonnen der Tagespendler und Linienbusse, und da sich auf beiden Seiten dieser Straße die Einkaufs- und Essmeile für die Laimer Anwohner erstreckt, gehen hier auch die Fußgänger ihrer Wege. 

Derzeit blockieren die rot-weiß gestreiften Baustellen-Absperrzäune diesen imposanten Straßenzug fast auf der gesamten Länge, so dass sich die Auto- und Busfahrer derzeit noch mühsamer vorwärts quälen als früher und zu den Stoßzeiten morgens und abends fast nichts mehr geht. 

Und die Baustellen-Absperrzäune haben inzwischen auch von den Gehsteigen Besitz ergriffen und diese in verschachtelte Labyrinthe verwandelt, so dass die Bewohner der Fürstenrieder Straße und ihre Nachbarn derzeit nur nur noch im Slalomlauf voran kommen; und gerade in diesem Teil von Laim sind tagsüber Scharen von Müttern mit Kinderwagen und Senioren mit Rollatoren unterwegs.

Wer hat seinerzeit die Gestaltung und Ausführung dieser Baustelle geplant? Wie zum Kuckuck sollen hier die Leute durchkommen, um ihre Besorgungen zu erledigen? Denn Laim ist kein Viertel der Wohlhabenden, sondern der Klein- bis Mittelstandsbürger und der Arbeiter. Hier säumen kaum schicke Boutiquen die Gehsteige, sondern überwiegend die Drogerie- und Supermärkte, die man zum Leben braucht.

Und zu ihnen wie auch zu den vielen Bäckereien, Cafés und Bistros, die es auf dieser Meile gibt, allen voran zur für ihre ebenso hervorragenden wie preisgünstigen Mittagsgerichte und ihre Ware an sich über Laim hinaus bekannten und beliebten Metzgerei Franz, kommt man derzeit kaum noch hin!

Zwar spricht das Qualitätsniveau der Metzgerei Franz für sich, ebenso wie jenes der Konditorei Ratschiller und der neuen Atlantik-Bäckerei mit ihren Kunstwerken aus Blätter- und Strudelteig und ihren dreistöckigen Torten, vor denen ich den Hut ziehen würde, wenn ich einen auf hätte; und daher hält die Laufkundschaft diesen Institutionen der Fürstenrieder Straße derzeit noch tapfer die Treue.

Doch frage ich mich ernsthaft: Wie lange kommen die Leute dort noch zur Tür hinein, bis der Eingang endgültig verrammelt ist?  

 



30.08.2025 - Ein kleiner juristischer Exkurs
Derzeit zwingt mich mein Los des Öfteren zum Amtsgericht in der Infanteriestraße, in das frühere Kasernenviertel von München. Einem Außenstehenden mag mein Anliegen als ein rein privater Kampf erscheinen, der nur für mich von lebenswichtiger Bedeutung ist und die Belange anderer nicht berührt. Doch je länger sich mein Kampf hinzieht, desto deutlicher scheint mir, als ginge es nicht allein um meine Sache, sondern um die menschlichen Werte Freiheit, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit. Mehr und mehr gewinne ich den Eindruck, als solle und müsse ich für diese drei Werte geradestehen, die sich in meiner persönlichen und privaten Sache verkörpern. Wäre es nicht so, brächten mich keine zehn Pferde in dieses Gericht, um meine Schriftsätze mit den dazugehörigen Anlagen einem Rechtspfleger persönlich vorzulegen und zu Protokoll zu geben! Denn wie das Oberlandesgericht an der Prielmayerstraße ist auch das Amtsgericht an der Infanteriestraße ein ebenso hoher wie breiter, abweisend wirkender Klotz aus rotbraunem Backstein, dessen Fenster tief in die in die schroff und düster anmutende Fassade eingelassen sind., so dass sie im Mauereerk fast verschwinden. Hat man den Pförtner und die Sicherheitsschleuse passiert und darf in den Wartebereich hinauf, sind im Gebäude die Korridore schmal und eng, die Decken aber himmelhoch. Jeder Schritt und Tritt hallt im Gewölbe wider, und in seinem düsteren undurchdringlichen Mauerwerk scheint die geballte Not, Angst und Drangsal der abertausend Menschen hängen geblieben zu sein, die je in die Mühlen der Justiz geraten sind oder sich auf Grund einer Notlage hinein begeben haben. Beim Anblick dieses düster und bedrohlich anmutenden Gemäuers frage ich mich wie beim Oberlandesgericht, ob es hier drin irgendwo einen Raum gibt, in dem noch eine Guillotine oder ein Galgen steht... Und doch scheint es mir in meiner aktuellen Situation etwas zu nützen, dass ich von 1992 bis 2000, sprich acht Jahre lang in einer Anwaltskanzlei für Medien- und Presserecht tätig war.


Ein kleiner juristischer Exkurs


Derzeit zwingt mich mein Los des Öfteren zum Amtsgericht in der Infanteriestraße, in das frühere Kasernenviertel von München. Einem Außenstehenden mag mein Anliegen als ein rein privater Kampf erscheinen, der nur für mich von lebenswichtiger Bedeutung ist und die Belange anderer nicht berührt.

Doch je länger sich mein Kampf hinzieht, desto deutlicher scheint mir, als ginge es nicht allein um meine Sache, sondern um die menschlichen Werte Freiheit, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit. Mehr und mehr gewinne ich den Eindruck, als solle und müsse ich für diese drei Werte geradestehen, die sich in meiner persönlichen und privaten Sache verkörpern.

Wäre es nicht so, brächten mich keine zehn Pferde in dieses Gericht, um meine Schriftsätze mit den dazugehörigen Anlagen einem Rechtspfleger persönlich vorzulegen und zu Protokoll zu geben!

Denn wie das Oberlandesgericht an der Prielmayerstraße ist auch das Amtsgericht an der Infanteriestraße ein ebenso hoher wie breiter, abweisend wirkender Klotz aus rotbraunem Backstein, dessen Fenster tief in die in die schroff und düster anmutende Fassade eingelassen sind, so dass sie im Mauerwerk fast verschwinden.

Hat man den Pförtner und die Sicherheitsschleuse passiert und darf in den Wartebereich hinauf, sind im Gebäude die Korridore schmal und eng, die Decken aber himmelhoch. Jeder Schritt und Tritt hallt im Gewölbe wider, und in seinem düsteren undurchdringlichen Mauerwerk scheint die geballte Not, Angst und Drangsal der abertausend Menschen hängen geblieben zu sein, die je in die Mühlen der Justiz geraten sind oder sich auf Grund einer Notlage hinein begeben haben.

Beim Anblick dieses düster und bedrohlich anmutenden Gemäuers frage ich mich wie beim Oberlandesgericht, ob es hier drin irgendwo einen Raum gibt, in dem noch eine Guillotine oder ein Galgen steht...

Und doch scheint es mir in meiner aktuellen Situation etwas zu nützen, dass ich von 1992 bis 2000, sprich acht Jahre lang in einer Anwaltskanzlei für Medien- und Presserecht tätig war. In dieser Zeit habe ich über das Diktiergerät an meinem Computer die Schriftsätze und Verträge des damaligen Inhabers dieser Kanzlei und der von ihm rekrutierten Rechtsanwälte ins Reine geschrieben, vollendet und mit den dazugehörigen Anlagen in den Briefkasten des zuständigen Gerichts gebracht.

Und bei jedem Schriftsatz habe ich mich bemüht, seine seitenfüllenden Schachtelsätze zu einem sowohl sinngemäß als auch grammatikalisch korrekten Ende zu bringen. Dies hat er sogar in meinem Arbeitszeugnis honoriert: "Frau M. hat alle Schriftsätze mit gutem und bemerkenswert kritischem Gefühl für die deutsche Sprache vollendet."

Dieser Anwalt war in der täglichen Routinearbeit aufbrausend bis jähzornig, was alle Mitarbeiter seiner Kanzlei zu sehen und zu hören bekamen, und vor Gericht ein bei Richtern, gegnerischen Kollegen und Prozessgegnern gefürchteter "Wadlbeißer".

Heute aber erkenne ich zu meinem Erstaunen, dass mir während dieser acht Jahre die juristische Denk- und vor allem Ausdrucksweise zu einem gewissen Grad in Fleisch und Blut übergegangen sein muss, so dass ich noch heute weiß, wie ein Schriftsatz auszusehen hat und welche Redewendungen man darin anwendet.

In meinem Wirtschaftsfachwirt-Präsenzstudiengang, den ich von 2019 bis 2020 an der IHK München und Oberbayern absolviert habe, hatten wir u.a. auch einen Kurs in Zivil-, Handels- und Steuerrecht, und dem Unterrichtsmaterial und den Erläuterungen des uns unterrichtenden Rechtsanwalts habe ich entnommen, dass die Sprache der deutschen Gerichte und Behörden noch heute die des späten 19. Jahrhunderts ist...

Mit einem Mal tönen auch die Lieblings-Redewendungen dieses Kanzlei-Inhabers wieder in meinem inneren Ohr, an die ich gute fünfundzwanzig Jahre lang nicht mehr gedacht habe: "apodiktisch" (keinen Widerspruch zulassend); "expressis verbis" (in ausdrucksvollen Worten) mit drei rollenden rs, und "venire contra factum proprium" (seine eigene Sache widerlegen).

Doch genug von diesem kleinen Exkurs in die Welt der Juristen! All dies ändert nichts daran, dass ich mich nach acht Jahren radikal von der Jurisprudenz abgewendet habe, weil vor Gericht leider allzu oft nicht der Recht bekommt, der Recht hat, sondern der mit dem größeren Geldbeutel, der sich einen brillianten Rechtsanwalt leisten kann. Ein armer Wicht wird durch die Mühlen der Justiz gedreht und verliert am Ende...

Und jedes Mal, wenn ich dieses schreckliche Gemäuer an der Infanteriestraße verlasse, fühle ich mich, als tauchte ich an die rettende Wasseroberfläche empor, nachdem mich jemand mit aller Macht unter Wasser gedrückt und mir die Luft zum Atmen geraubt hat.



02.08.2025 - Vom Zauber alter Landgasthöfe
Gegenüber den Köstlichkeiten aus dem Nahen und Fernen Osten, die seit gut fünfzehn Jahren unsere Städte geradezu überrannt haben und inzwischen das Bild der Fußgängerzonen und Einkaufszentren prägen, möchte ich auch den Schätzen und Köstlichkeiten der gutbürgerlichen Küche ein Denkmal setzen. Denn die bayerische Form der Gastlichkeit vor allem in Gestalt der altehrwürdigen Landgasthöfe, von denen es jahrzehntelang in jedem Dorf eine gab, ist durch die Dominanz der Küche aus dem Nahen und Fernen Osten und auch durch das Rentenalter der Wirtspaare eine vom Aussterben bedrohte Gattung, es sei denn, dass sich ihre Kinder dafür entscheiden, das Erbe ihrer Eltern fortzuführen. Und so erscheint es mir als recht und billig, im Rahmen eines Abschieds an zwei solche Landgasthöfe zu erinnern. Eine langjährige Bekannte von mir, die in Nymphenburg (im gleichnamigen Stadtteil, nicht etwa im Schloss oder Park) geboren und aufgewachsen ist, war fünfundvierzig Jahre lang zwischen dem Pilsen- und dem Wörthsee zu Hause. Nach dem Tod ihres Mannes, mit dem sie in vorgerücktem Alter noch ein spätes und großes Eheglück erlebt hat, ist sie auf die Empfehlung und Vermittlung ihres  Sohnes und ihrer Schwiegertochter hin in einen kleinen Ort bei Bregenz umgezogen, sprich an das österreichische Ufer des Bodensees, um fortan in ihrer Nähe zu leben, hat aber ihren früheren Heimatkreis nicht völlig aufgegeben und sozusagen dort noch einen Koffer stehen. Bevor sie ihre vertraute Heimat verließ, hat sie mich eingeladen, mit ihr zwei Gaststätten zu besuchen, die sie seit vielen Jahren kennt; und so ergab es sich, dass unser Zusammentreffen von ihrer Trauer um ihren Mann und vom Abschiednehmen in jeder Hinsicht geprägt war, aber auch vom bewussten Genießen eines gediegenen Ambientes und eines hohen gastronomischen Niveaus; von dem ich nachfolgend ein wenig erzählen möchte.


Vom Zauber alter Landgasthöfe


Gegenüber den Köstlichkeiten aus dem Nahen und Fernen Osten, die seit gut fünfzehn Jahren unsere Städte geradezu überrannt haben und inzwischen das Bild der Fußgängerzonen und Einkaufszentren prägen, möchte ich auch den Schätzen und Köstlichkeiten der gutbürgerlichen Küche ein Denkmal setzen.

Denn die bayerische Form der Gastlichkeit vor allem in Gestalt der altehrwürdigen Landgasthöfe, von denen es jahrzehntelang in jedem Dorf eine gab, ist durch die Dominanz der Küche aus dem Nahen und Fernen Osten und auch durch das Rentenalter der Wirtspaare eine vom Aussterben bedrohte Gattung, es sei denn, dass sich ihre Kinder dafür entscheiden, das Erbe ihrer Eltern fortzuführen. Und so erscheint es mir als recht und billig, im Rahmen eines Abschieds an zwei solche Landgasthöfe zu erinnern.

Eine langjährige Bekannte von mir, die in Nymphenburg (im gleichnamigen Stadtteil, nicht etwa im Schloss oder Park) geboren und aufgewachsen ist, war fünfundvierzig Jahre lang zwischen dem Pilsen- und dem Wörthsee zu Hause. Nach dem Tod ihres Mannes, mit dem sie in vorgerücktem Alter noch ein spätes und großes Eheglück erlebt hat, ist sie auf die Empfehlung und Vermittlung ihres  Sohnes und ihrer Schwiegertochter hin in einen kleinen Ort bei Bregenz umgezogen, sprich an das österreichische Ufer des Bodensees, um fortan in ihrer Nähe zu leben, hat aber ihren früheren Heimatkreis nicht völlig aufgegeben und sozusagen dort noch einen Koffer stehen.

Bevor sie ihre vertraute Heimat verließ, hat sie mich eingeladen, mit ihr zwei Gaststätten zu besuchen, die sie seit vielen Jahren kennt; und so ergab es sich, dass unser Zusammentreffen von ihrer Trauer um ihren Mann und vom Abschiednehmen in jeder Hinsicht geprägt war, aber auch vom bewussten Genießen eines gediegenen Ambientes und eines hohen gastronomischen Niveaus; von dem ich nachfolgend ein wenig erzählen möchte.

 

Der Bernhardhof / Gasthof Erlinger in Andechs

 

Von Seefeld, einem Dorf zu Füßen des gleichnamigen Schlosses und Stammsitzes der Grafen von Toerring, zum Ort und Kloster Andechs sind es gerade einmal zehn Fahrminuten über die rollenden Hügel und grünen Wiesen des Fünf-Seen-Landes hinweg, das sich zwischen dem Ammersee und dem Starnberger See erstreckt; und genau dazwischen liegen der Wörthsee, der Pilsensee, an dem meine Bekannte fünfundvierzig Jahre lang gelebt hat, und der Echinger See.

Diesen fünf Seen verdankt die oben genannte Region ihren Namen, mit dem sie seit dreißig Jahren so emsig und erfolgreich um Besucher wirbt, dass manch einem Einheimischen der Strom der Tagestouristen vor allem an den Wochenenden zuviel wird.

Eine deutlich ansteigende Landstraße führ von Seefeld direkt in den Ort Andechs, ein Dorf, über dem sich eine kleine aber steile Anhöhe erhebt, gekrönt von den imposanten Zwiebeltürmen des Klosters Andechs, zu dem man nur zu Fuß hinauf pilgern darf.

Obwohl Kloster Andechs selbst ein Flair und ein gastronomisches Angebot bietet, das weit über das Fünf-Seen-Land hinaus bekannt und berühmt ist, findet man schon im Ortszentrum einige ansehnliche Gaststätten von gutem Ruf; und einer davon ist der Bernhardhof mit seinen weißgetünchten Mauern und dem altersschwarzen Gebälk seines mächtigen Dachstuhls.

In einer Zeit, die von gefühlt abertausend fernöstlichen, türkischen, griechischen oder italienischen Restaurants geprägt ist, genießt der Anblick, den der Bernhardhof seinen Gästen bietet, fast schon Seltenheitswert:

Hohe, mächtige Gewölbe aus dickem Mauerwerk, das im Sommer für Kühle sorgt und im Winter die Wärme des gemauerten Kamins in der Gaststube hält; aus gedrechseltem Holz gefertigte Sitzgruppen und -bänke, die von Meistern ihres Fachs für die Ewigkeit gefertigt wurden, die mit üppigen Polstern im Biedermeierstil bedeckt sind; edles Porzellan, Pokale und Urkunden auf den Fensterbänken und dem umlaufenden Kaminsims, die von den hervorragenden gastronomischen Leistungen sprechen, derer sich die Wirtsfamilie Erlinger rühmt.

So ist Großmutter Rosi für ihre selbstgebackenen Kuchen und Torten berühmt, von denen viele Gäste sagen, sie seien die besten im ganzen Fünf-Seen-Land. Um die Probe aufs Exempel zu machen, hat meine Bekannte eine Erdbeer-Rhabarber-Schichttorte probiert, ich eine mit Bananen und Nuss-Schoko-Creme. In der Tat mundeten beide Torten hervorragend, ebenso wie der liebevoll von Hand gefilterte Kaffee, den wir dazu serviert bekamen.

Das Wirtspaar Erlinger kümmert sich um die Verwaltung des Anwesens und - gemeinsam mit den freundlichen und flinken Bedienungen in Tracht - um das Wohl ihrer Hotel- und Tagesgäste.

Und der Stammhalter der Familie hat nach seiner Ausbildung die Küche übernommen. Zwar ist die Auswahl der Gerichte auf der Speisekarte begrenzt; doch zum einen bereitet der Chefkoch mit seinem Team jedes gewählte Gericht frisch zu, und zum anderen kündet eine ganze Serie an Michelin- und Gourmet-Sternen von dem hohen Niveau, auf dem dieser gerade einmal fünfundzwanzig Jahre junge Mann jetzt schon unterwegs ist.

Bemerkenswert finde ich neben den von Hand mit Sorgfalt zubereiteten und voller Stolz servierten Gerichten und Backwaren die einzigartige Atmosphäre, die alte Landgasthöfe wie der Bernhardhof verströmen:

Zum einen atmet das gediegene Mobiliar und Dekor Stil, ohne zu streng oder zu plüschig zu wirken; zum anderen herrscht selbst bei lebhaftem Kommen und Gehen der Gäste eine Ruhe und Stille, die über die Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hinweg in dem alten Mauerwerk hängengeblieben ist.

Wie schon vorher erwähnt, genießen Häuser dieser Art in unserer auf rasche und systematische Abfertigung ausgerichteten Zeit fast schon Seltenheitswert. Hier im Bernhardhof, bei der Wirtsfamilie Erlinger, sieht, spürt und schmeckt man, dass jeder Gast als Mensch wahrgenommen wird und zählt!



Der Gasthof Dietrich in Auing am Wörthsee

 

Nach einem kleinen Umtrunk und ausgiebigem Schwelgen in Erinnerungen in der ebenso stilvoll wie gemütlich eingerichteten Wohnung meiner Bekannten schlug sie für das Abendessen den Gasthof Dietrich in Auing am Wörthsee vor.

Da ich ihn ebensowenig kannte wie vor diesem Nachmittag den Bernhardhof in Andechs, aber dem Urteil meiner Bekannten, die selbst eine ausgezeichnete und vielseitige Köchin ist, jederzeit vertrauen kann, stimmte ich ihrem Vorschlag zu.

Von Seefeld und dem Pilsensee liegt der Wörthsee nur einen weiteren Katzensprung entfernt. Wieder führt die Straße über rollende Hügel und durch saftige grüne Wiesen, von denen man an Föhntagen bis zum Ettaler Manndl und zur Benediktenwand hinüber blicken kann.

Rund um den Wörthsee findet man u.a. den großen Augustiner-Biergarten und kleine stille Dörfer wie Steinebach und Auing; und in Auing kennt meine Bekannte seit Jahrzehnten den Gasthof Dietrich, den vor einigen Jahren ein junges Wirtspaar aus Kroatien übernommen hat.

Beim Gasthof Dietrich sind die Mauern nicht ganz so dick wie beim Bernhardhof in Andechs, und er ist niedriger und gedrungener gebaut; doch auch dieses Abendrestaurant ist in einem alten Gebäude untergebracht. Sein Stil und seine Bauweise deuten auf das frühe 20. Jahrhundert hin. Auch die Gaststube ist deutlich niedriger und die Polster auf den Sitzgruppen sind schlichter als bei der Wirtsfamilie Erlinger in Andechs; aber dafür bestehen sowohl das Dachgebälk als auch die Verschalung der Innenräume samt allen Möbeln durchgängig aus hellem glattem Kiefernholz.

Und ganz gleich, ob Schnitzel, Braten, gegrillter Fisch oder Steak aus der Region, der Gasthof Dietrich bietet für jeden Geschmack etwas, auch - wie meine Bekannte mir verriet - Salate für Vegetarier und Veganer. Doch bei dem jungen Wirtspaar aus Kroatien liegt der Schwerpunkt eindeutig auf den Klassikern der Balkanküche:

čevapčiči (Grillwürstchen aus frischem Hackfleisch), rajzniči (Spieße aus kurz gegrilltem Fleisch) und pliesniči (Hackbraten mit Käsefüllung), stets mit frischem Salat als Beilage und je nach Wahl mit Djuvecreis oder Pommes frites serviert.

Meine Bekannte wählte an diesem Abend "halb und halb", sprich, čevapčiči und einen Fleischspieß mit Djuvec-Reis; und wie sie mir versicherte, war beides von ausgezeichneter Qualität.

Da Gaststätten im Raum München und Oberbayern heute nur noch selten Innereien anbieten, weil man sie entweder heiß und innig liebt (wie ich) oder vor ihnen voller Abscheu zurückprallt (wie viele Menschen), wählte ich gebratene Leber mit gegrillten Ananas-Scheiben und Pommes frites und war gespannt, was bei meiner Wahl herauskommen würde.

Die Leber, die ich im Gasthof Dietrich serviert bekam, hätte nicht besser zubereitet sein können: butterweich und saftig und keine Spur von Trockenheit oder Bitterkeit, wie es bei gebratener Leber gelegentlich vorkommt. Die Pommes frites kommen spür- und schmeckbar direkt aus der Fritteuse und sind mit frischem Bratfett zubereitet; und die gegrillten Ananas-Scheiben sorgen für einen kleinen besonderen Gaumenkitzel zum Abschluss der Mahlzeit (zumindest bei mir).

Grundsätzlich sind die Portionen, die man serviert bekommt, reichlich und großzügig bemessen, so dass es nicht alle Gäste schaffen, ihren Teller leer zu essen; doch in diesem Fall bietet der Gasthof Dietrich, wie es in Landgasthöfen nicht selten vorkommt, Papiertüten zum Mitnehmen an.

Doch an diesem Abend haben wir beide unsere gute und reichliche Mahlzeit bis auf den letzten Bissen verputzt und gingen nach einem letzten Slivovič (sie) bzw. Espresso (ich) hochzufrieden und - trotz des bevorstehenden Abschiedes meiner Bekannten von ihrer vertrauten Heimat - in ruhiger Harmonie nach Hause.



02.08.2025 - Minztee und Kaffee - Was die Lebensgeister weckt
Kaum etwas habe ich in den Sommermonaten im schattenlosen Hauptgelände der Theresienwiese auf dem Afrika-Fest oder des südlichen Olympiaparks auf dem Tollwood als entspannender und zugleich stärkender empfunden als einen frisch vom Zweig gebrühten Minztee. Im herb-frischen Duft der Minze, der aus dem Teeglas aufsteigt, liegt etwas, das auf wundersame Weise anregt und zugleich beruhigt; und wenn ich mich mit solch einem Glas aus der Hitze und dem gleißenden Sonnenlicht in die Schatten eines großen offenen Zeltes zurückziehe und den ersten süß-würzigen Schluck schlürfe, atme ich jedes Mal unwillkürlich tief durch. Ja, die Betreiber der Teestuben rund ums Mittelmeer und die Imazighen, die mit ihren Zelten und Kamelen durch die ausgedörrte Sahara Nordafrikas ziehen, wissen schon, was sie an ihrer Teepause am Nachmittag oder Abend haben! Sofern man von der Hitze nicht allzu geplättet ist, mundet dazu ein Keks mit frisch gezupften oder gehackten Korianderblättchen recht gut, denn auch im Koriander findet sich die eigentümliche Mischung aus Süße, Frische und Herbheit wieder, die den Duft und Geschmack der Minze auszeichnet. Wem die Geschmacksverstärkung durch den Koriander zu viel ist, findet in einer mit gehackten Mandeln oder etwas magerem Speck gefüllten Dattel einen besänftigenden, willkommenen Ausgleich oder geht vor den hauchfeinen Honigfäden des Engelshaars, das von einer Lage geriebener und gerösteter Haselnüsse aufgefangen und geerdet wird, in die Knie...


Minztee und Kaffee – Was die Lebensgeister weckt


Kaum etwas habe ich in den Sommermonaten im schattenlosen Hauptgelände der Theresienwiese auf dem Afrika-Fest oder des südlichen Olympiaparks auf dem Tollwood als entspannender und zugleich stärkender empfunden als einen frisch vom Zweig gebrühten Minztee.

Im herb-frischen Duft der Minze, der aus dem Teeglas aufsteigt, liegt etwas, das auf wundersame Weise anregt und zugleich beruhigt; und wenn ich mich mit solch einem Glas aus der Hitze und dem gleißenden Sonnenlicht in die Schatten eines großen offenen Zeltes zurückziehe und den ersten süß-würzigen Schluck schlürfe, atme ich jedes Mal unwillkürlich tief durch.

Ja, die Betreiber der Teestuben rund ums Mittelmeer und die Imazighen, die mit ihren Zelten und Kamelen durch die ausgedörrte Sahara Nordafrikas ziehen, wissen schon, was sie an ihrer Teepause am Nachmittag oder Abend haben!

Sofern man von der Hitze nicht allzu geplättet ist, mundet dazu ein Keks mit frisch gezupften oder gehackten Korianderblättchen recht gut, denn auch im Koriander findet sich die eigentümliche Mischung aus Süße, Frische und Herbheit wieder, die den Duft und Geschmack der Minze auszeichnet.

Wem die Geschmacksverstärkung durch den Koriander zu viel ist, findet in einer mit gehackten Mandeln oder etwas magerem Speck gefüllten Dattel einen besänftigenden, willkommenen Ausgleich oder geht vor den hauchfeinen Honigfäden des Engelshaars, das von einer Lage geriebener und gerösteter Haselnüsse aufgefangen und geerdet wird, in die Knie...

Und da jede der von mir erwähnten Süßigkeiten recht gehaltvoll ist, reicht zum Nachmittagstee ein einziges Stück, um meinereine höchst gelassen dem Abend entgegen zu tragen.

Ähnlich. stärkend und entspannend wirkt die Nachmittagsrunde mit Kaffee auf arabische Art. Denn während wir Europäer uns Kaffee kaum anders vorstellen können als mit siedendem Wasser aufgebrüht und durch eine Filtertüte oder ein Pad gesiebt, verläuft die Zubereitung des echten, ursprünglichen arabischen oder türkischen Kaffees anders: Erstens werden die Kaffeebohnen vor dem Genuss grundsätzlich frisch geröstet und gemahlen, gerne etwas körniger und gröber als bei uns. Zweitens wird der frisch gemahlene Kaffee nicht nur gebrüht, sondern richtiggehend gekocht und mit dem Satz in der Tasse serviert. Und drittens gibt man zum gemahlenen Kaffee auf der arabischen Halbinsel und in Nordafrika gern Kardamom, Zimt, Nelke und Muskatnuss als zusätzliche Würze hinzu.

Ein Kaffee nach echter arabischer Tradition wird in winzige Porzellantässchen eingeschenkt, duftet intensiv und ist eigentlich nur ein dickflüssiger Schluck, quasi das I-Tüpfelchen nach dem Essen; aber dafür macht das Tablett immer wieder die Runde, und man trinkt so viele winzige Tässchen Kaffee wie man möchte. Erst wenn man das leere Tässchen zwischen Daumen und Zeigefinger leicht wackeln lässt, zeigt man damit an, dass man genug hat.

Für uns sind die süßen Gewürze des Orients ebenso ungewohnt wie der starke Aufguss; doch ähnlich wie bei der aztekischen Kakao-Zeremonie ist in der arabisch-islamischen Welt eine winzige Tasse Kaffee gehaltvoller und wirkt stärker als bei uns ein ganzes Haferl.

Und ist das Tässchen hinterher leer, kann man es umstürzen und angesichts der Form, die der ausgekippte Kaffeesatz auf der Untertasse bildet, ein wenig sinnieren, was die Zukunft bringen mag...

 

Meze - Die herrliche Qual der Wahl


Kaum etwas bietet eine solche Vielfalt an Gewürzen, Aromen und Farben wie eine Meze-Tafel, bei der alles aufgefahren wird, wozu die kalte Küche des südöstlichen Mittelmeerraumes fähig ist.

Ob Kichererbsen, weiße Bohnen, Linsen, Bulgur oder Couscous; ob säuerlich marinierte rote Bete, Gurken, Zwiebeln und Zitronen; ob Joghurtpasten mit Gurken, Zucchini, Auberginen oder Schafskäse - angesichts dieser Fülle an Köstlichkeiten gehen mir die Augen über, und meine Geschmacksnerven tanzen Cha-Cha-Cha.

Allein ein Buffet mit einer Auswahl an kalten Speisen würde genügen, um eine ganze Kompanie Gäste ausreichend zu verköstigen; und in der Tat richtet man dergleichen am Wochenende her und lädt Gäste ein, um sich mit ihnen einen gemütlichen Vormittag oder Abend zu machen.

Ähnlich wie ein Rodicio in Spanien oder Portugal oder ein französisches Diner in vier Gängen dient eine Meze-Tafel sowohl dem Genuss als auch dem geselligen Beisammensein ohne Hetze und Eile.

Doch Obacht! Die Gerichte, die zur Meze gereicht werden, sind ursprünglich als Vorspeise gedacht.

Das Hauptgericht - der gegrillte Braten vom Huhn, Rind oder Lamm mit dem gedünsteten, höchst aromatisch angereicherten Reis oder den gebackenen Kartoffeln oder Auberginen - kommt erst danach!

Und als krönender Abschluss folgen dann noch zum starken, gehaltvollen Minztee oder Kaffee die ebenso kleinen aber mächtigen Süßspeisen, die auch noch untergebracht werden wollen...

Nur, wie kommt man nach so einem Festschmaus nach Hause? Auf allen vieren oder waagrecht rollend?