Mit freundlichem Gruß aus der Ukraine / Das Bistro OMA in den Pasing Arcaden
Als ich an einem Samstagabend im Frühjahr eine Verabredung mit drei langjährigen Freunden im Münchner Osten hatte und am Vormittag meine Einkäufe für die kommende Woche erledigte, um sie nach Hause zu schaffen und einzulagern, bevor ich zu meinem Treffen aufbrach, suchte ich zu diesem Zweck die Pasing Arcaden auf, der Gesamtfläche nach derzeit das größte Einkaufszentrum Münchens.
Rein subjektiv finde ich, dass die Pasing Arcaden obendrein eine Noblesse verströmen, die man in den Einkaufszentren anderer Stadtteile nicht findet. Nirgendwo sonst gibt es so viele Sitzgruppen, auf denen man eine Weile ausruhen kann, ohne etwas kaufen zu müssen, und zugleich so viele kleine, mit Stil und Charme eingerichtete Boutiquen, deren Sortiment sich als Geschenk oder Mitbringsel eignet: Teeläden, Papeterien, Juweliere, Läden für Essig, Öl und Würzsaucen, andere für Kräuter- und Gewürzmischungen. Und über alle drei Etagen des Einkaufszentrums verteilt findet man Essnischen mit Spezialitäten aus Frankreich, Italien, dem Nahen und Fernen Osten und und und...
Schließlich hatte ich an diesem Samstag mit einer Schar Pasinger und Westendler meine Besorgungen im Souterrain unter der Food Plaza erfolgreich erledigt und bewegte mich mit meinen Einkaufstüten unter dem Gebäudekomplex hindurch auf die Trambahn und den Pasinger Bahnhof zu, als mir ein in Gelb, Blau und hellem Holz eingerichtetes Bistro auffiel, das mir neu war: das kleine ukrainische Bistro OMA, für mich das erste seiner Art, über das ich im Großraum München gestolpert bin.
Noch hielt sich der Andrang der Gäste in Grenzen, und vor meiner Heimfahrt blieb mir ausreichend Zeit für eine kleine Pause... Der kleine Wecker in mir, auf dem "Neugier" geschrieben steht, begann laut und vernehmlich zu summen, und so steuerte ich die Theke an, an der ein junges Mädchen die Gäste bedient und abkassiert, während ihre Mutter in der angrenzenden Küche schaltet und waltet.
Als erstes fiel mein Blick auf eine mehrstöckige Torte, die mit grünem Zuckerguss glasiert und Rosen und Herzen aus Marzipan dekoriert war und als Kievnovsky dort bezeichnet wurde, d.h. "Kiewer Torte". Keine Frage, dass ich herausfinden musste, was es damit auf sich hatte! Und schon hielt ich meinen Teller mit dem Tortenstück und eine Tasse Cappuccino in Händen und ließ mich gegenüber der Theke an einem der kleinen Holztische auf einem der bequemen gelben Polsterstühle nieder.
Wenn ich es recht verstanden und geschmeckt habe, setzt sich die "Kiewer Torte" aus mehreren dünnen Lagen zusammen, die weder Mürb- noch Biskuit- oder Hefeteig sind, sondern nur aus gehackten Nüssen und Puffreis bestehen. Sonst gibt es weder Eischnee noch Eigelb und auch kein Mehl und keinen Zucker, praktisch nichts, das die "Teigschichten" zusammenhalten würde. Was wohl die Nüsse und den Puffreis so fest zusammenhält, dass beides die Milchcreme, die dazwischen gestrichen wird, gut und sicher trägt, ohne dass die Füllung und die "Teigschichten" zu einem einzigen Matsch zusammenfließen, sondern deutlich voneinander getrennt bleiben?
Auf jeden Fall ist die "Kiewer Torte" mit ihrer grünen Glasur und den rosa Marzipanherzchen und -rosen eine köstliche Sünde!
Während ich meinen ersten Vorstoß in eine neue kulinarische Welt in vollen Zügen genoss, rauschten an der Anzeigetafel über der Theke unablässig die Gerichte des Tages an meinen Augen vorbei:
Pelmeni, "Regenbögen", kleine runde Teigtaschen, die in ihrer Größe und Gestalt den uns bekannten Ravioli ähneln und mit Schweine- oder Rinderhackfleisch gefüllt werden... Vareníky, etwas größere Teigtaschen, zu Halbmonden geformt und mit Sauerkraut, Blattspinat oder Kartoffelpüree gefüllt... und zwei Gerichte, die mir zumindest dem Namen nach nicht fremd waren: Soljanka und Borschtsch.
Soljanka ist hauptsächlich ein Synonym für Resteverwertung: Wenn man in der Küche zwei Tomaten und Zwiebeln, etwas Sauerkraut, ein paar kleine Essiggurken und vor allem Fleischwurst übrig hat, schnippelt man alles in einen großen Kochtopf und rührt das Ganze mit Wasser, Tomatenmark, etwas Fleischbrühe, einem halben Becher Sauerrahm sowie etwas Schnittlauch und Petersilie auf. Eine Soljanka kann in der Konsistenz dünn oder dick, im Geschmack eher säuerlich oder eher herzhaft ausfallen; sprich, von einer Restesuppe bis zu einem runden, gehaltvollen Eintopf sind der Bandbreite keine Grenzen gesetzt. Ich habe die Soljanka während meiner Aufenthalte in Dresden kennengelernt, wo sie auch heute noch gerne und oft serviert wird.
Aber vom Borschtsch kannte ich bisher nur den Namen und von den Abbildungen seine purpurrote Farbe. Allein der Name zog mich unwiderstehlich an, so dass ich die Kaffeepause zum Mittagessen erweiterte und bei dem Mädchen an der Theke noch einen kleinen Teller Borschtsch und dazu "Kompot" bestellte. Der Name leitet sich tatsächlich vom deutschen "Kompott" ab, und im Bistro OMA handelt es sich um den Saft eingekochter Johannis- und Himbeeren; je nach Saison können auch Erdbeeren oder Brombeeren dazu kommen.
Und so erfuhr ich an diesem Samstagmittag erstmals, was es mit Borschtsch auf sich hat: Es ist ein dicker Eintopf aus roter Bete, Weißkraut, Tomaten und Zwiebeln, der mit Tomatenmark, Sauerrahm und Schnittlauch abgeschmeckt wird. Gewöhnungsbedürftig an diesem Eintopf ist, dass er nicht wie die meisten uns bekannten Eintöpfe herzhaft-deftig schmeckt, sondern süßsauer mit Betonung auf sauer.
Ein ungewöhnliches Geschmackserlebnis, aber auf seine Art durchaus reizvoll und kalt serviert an heißen Sommertagen nicht zu verachten. Allerdings wird Borschtsch noch schmackhafter, wenn dazu ein rundes Hefebrötchen frisch aus dem Backofen kommt, mit etwas zerlassener Butter und gehacktem Schnittlauch obendrauf!
Eine Suppe gibt es allerdings, die sich noch besser als Durstlöscher eignet: Okroshka, eine kalte Suppe aus Naturjoghurt, Wasser, Salz, Petersilie und Schnittlauch, die mit einer kleingehackten Salatgurke und Fleischwurst gestreckt wird, um als eigenständige Mahlzeit durchzugehen. Bei der Okroshka begegnet man nicht dem eigentümlich süßsauren Geschmack von Bortschtsch; diese Suppe schmeckt eher salzig und säuerlich. Auf jeden Fall passt sie hervorragend an heißen Sommertagen!
Und falls die Neugier auf die Feinheiten der ukrainischen Küche noch nicht gestillt ist, kann man sich am Kühlregal gegenüber der Theke stapelweise mit Pelmeni und Vareníky in allen Variationen von süß bis herzhaft eindecken...
Mein Fazit: Bei OMA bin ich ganz bestimmt nicht zum letzten Mal eingekehrt!