Was wird aus der Münchner Innenstadt? Anna’s Hotel in der Schützenstraße
Zwischen dem Stachus-Rondell und dem Münchner Hauptbahnhof, genau in dem Zwickel zwischen Bayer- und Schützenstraße, ragt die überdimensional große runde Litfaßsäule des Pini-Hauses zum Himmel empor; und bis Ende 2019 erhob sich dort auch der Königshof.
Inzwischen ist er abgerissen worden und soll in ganz neuem Design errichtet werden. Von dem weißen Hochhaus mit den Glasfronten, das an die Stelle des alten Königshofes treten soll, geht nach meinem Empfinden etwas Kaltes, Steriles aus. Auf jeden Fall ist es nicht mehr der halbrund gewölbte Vorbau, der markante säulengestützte Baldachin über dem Haupteingang und die hohe Fensterfront, die den Münchnern als „Nobel-Aquarium“ seit den 1950er Jahren vertraut war.
Geht man an der Litfaßsäule des Pini-Hauses rechts vorbei in die Schützenstraße, erhebt sich an dieser Ecke seit 2002 das Anna’s Hotel und Restaurant, das seither für viele Münchner zum Treffpunkt geworden ist, die es sich an einem Nachmittag im Frühling oder Sommer gemütlich machten oder sich vor dem Kinoabend, der Langen Nacht der Musik oder der Nachtschwärmer-Kulturnacht noch kurz stärken wollten.
Gerne habe ich, wenn es meine Zeit zuließ, am Freitagnachmittag vor dem Wochenend-Einkauf auf dem Vorplatz vor dem „Anna’s“ Halt gemacht und eine Auswahl an Sushi oder Dim Sum genossen, denn ein Großteil der Küche, die hier serviert wird, ist von thailändischen bzw. japanischen Einflüssen geprägt.
Ich gebe aber zu, dass Sushi nicht zu meinen Lieblingsgerichten zählt; eher das frisch zubereitete Tatar oder die Mini-Bratpaprikaschoten mit Süßkartoffel-Pommes frites. Diese Auswahl klingt zwar nicht gerade glamourös, aber genau diese Gerichte werden mit Stil und genauem Gespür für die richtigen Geschmacksnoten serviert. Übrigens auch die selbstgemachten Limonaden und Cocktails oder die Auswahl von dreierlei Sorbet, die ich im Sommer als Dessert oder auch pur nur wärmstens empfehlen kann!
Eine Ex-Kollegin und gute Bekannte, mit der ich mich hin und wieder in München treffe, schwört auf Sushi, Chicken Teriyaki und vor allem das Rindersteak mit Salat. An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass meine Bekannte, was die Qualität des Essens in Münchner Restaurants angeht, äußerst kritisch, um nicht zu sagen heikel ist. Bei der gutbürgerlichen bayerischen Küche lässt sie einzig und allein den Ratskeller unter dem Rathaus am Marienplatz gelten; und wenn es leichte und gesunde Küche sein soll, stellt allein die Speisekarte des Anna’s sie zufrieden.
Doch bei unserem letzten Besuch am Samstagmittag hat uns der Geschäftsführer des Restaurants und Hotels persönlich bedient und bestätigt, was zuletzt in den Münchner Tageszeitungen zu lesen war: Das Anna’s Hotel und Restaurant muss zum 31.12.2020 schließen!
Wie der Paulaner im Tal, der von der Wirtslegende Putzi Holenia geführt wurde, hat auch das Anna’s unter der Corona-Krise gelitten; denn vor dem Lockdown kamen hierher die Gäste aus Fernost, aus den USA, aus Dubai und den V.A.E. Und die Gäste aus aller Welt bekamen Spitzenqualität geboten, denn nahezu jedes Hotelzimmer ist ein Designerstück und damit ein Unikat! Von einer futuristischen Kabine, die den Privatgemächern von Captain Kirk oder auch Jean-Luc Picard auf der Enterprise ähnelt, über einen viktorianischen Traum mit Blümchentapete und Schnörkelmöbeln bis hin zur klar, funktional und nüchtern eingerichteten Business-Suite ist hier alles möglich, und selbst die Möbel sind in keinem Zimmer gleich.
Doch im Corona-Jahr sind dem Anna’s wie auch vielen anderen namhaften Münchner Hotels und Gaststätten mit dem Wegbleiben der Touristen zwei Drittel der bisherigen Einnahmen weggebrochen, so dass die laufenden Fixkosten für Miete, Strom und Personal nicht mehr zu stemmen sind. Doch vor Corona hat das Anna’s, haben die Hotels und Gaststätten in München gebrummt und funktioniert!
Es ist schmerzhaft zu hören, dass ein Geschäftsführer, dessen Laden bisher lief und der seine Arbeit – vor allem in der Küche - sichtlich und aufrichtig liebt, Kurzarbeit anmelden muss und von den Behörden zusätzlich die Auflage bekommt, dass er ab dem 1. November 2020 bis zum Ende des Jahres seine Gaststätte nur noch von 16:00 bis 21:00 Uhr öffnen darf. Selbst in der Innenstadt verdient man in diesem Zeitraum nicht viel! Was ist mit der Mittagszeit, der Kernzeit für jede Gaststätte?
Das Gebäude des Hauptbahnhofs wurde abgerissen, so dass die Terminalhalle momentan einem leeren Gerippe ohne Substanz gleicht. Seit dem Abriss des Königshofes sieht es auf diesem Platz derzeit aus wie nach einem Bombenangriff: nichts als Löcher, Trümmer und Staub. Das Anna’s Hotel muss aus dem Pini-Haus weichen. Nach einer Gnadenfrist soll Ende 2022 der Kaufhof am Stachus schließen…
Was wird aus der Münchner Innenstadt, wenn die Kaufhäuser, Läden und Gaststätten wegfallen, die bisher das Leben in ihr ausgemacht und ihr Gesicht geprägt haben?
Praktisch gesehen lässt sich alles, was der Mensch zum Leben braucht - Lebensmittel, Kleidung, Haushaltswaren und Kosmetika - online bestellen und nach Hause liefern. Wir können uns weiterhin mit allem versorgen, was wir brauchen.
Doch was wird bleiben, wenn wir künftig durch München gehen und uns umsehen? Eine öde, sterile, leblose Leere. Aber keine bunte, schillernde Stadt, in der man gerne unterwegs ist, weil ihr Flair die Sinne anregt und beschwingt, so wie sie es dreißig Jahre lang für mich war! Vor allem aber keine Stadt, die lebt und lebenswert ist!