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Blog

Musik und Emotionen

Im Blog-Bereich „Weggefährten“ schildere ich u.a. meine Begegnungen mit wegweisenden Musikern des 20. Jahrhunderts...



Vorwort zu meinem Blog-Bereich „Musik oder Channeling?“ Im Blog-Bereich „Weggefährten“ schildere ich u.a. meine Begegnungen mit wegweisenden Musikern des 20. Jahrhunderts. Ich hätte sie auch im Bereich „Musik oder Channeling?“ unterbringen können; doch ihr Einfluss ging bei mir tiefer, dauerte länger an und tauchte immer wieder auf.

In „Musik oder Channeling?“ soll es um Musiker-/innen, Sängerinnen und Sänger gehen, die auf ihre ganz besondere Weise mehr waren und sind als musikalische Eintagsfliegen oder Pop- oder Schlager-stars, die man kurz kennt, die aber keine weiteren Hits mehr landen und ebenso schnell wieder in Vergessenheit geraten, wie sie gleich Raketen aus dem Boden senkrecht nach oben geschossen sind.

Eines haben all diese Musiker/-innen, Sängerinnen und Sänger gemeinsam: Wenn sie auf der Bühne stehen, scheinen sie etwas außerhalb ihrer selbst „herunterzuholen“ und durch sich strömen zu lassen, dienen nicht sich selbst, sondern dem, was sich durch sie hindurch ausdrücken will; deshalb die Überschrift „Musik oder Channeling?“.

Wenn auch Ihr solche Leute kennt oder gekannt habt, nur zu! Schreibt mir/uns davon!


01.04.2023 - Jazz und Swing
Jazz und Swing ist den U.S.-Amerikanern geradezu in die Wiege gelegt; zumindest begleitet diese Musik sie von Kindesbeinen an. Ein Genre, das Leichtigkeit und Beweglichkeit und zugleich Kraft und Nachdruck der Stimme erfordert; und genau diese Mischung hat Eva Cassidy. Wenn sie "Cheek to Cheek" von Irving Berlin oder "My Honeysuckle Rose" von Fats Waller singt, federt, gleitet und tänzelt ihre Stimme so leicht und mühelos dahin, dass man förmlich sieht, wie sie, geführt von ihrem Tanzpartner, nahezu schwerelos über das Parkett hinweg schwebt.  Und selten klingt Louis Armstrongs Klassiker "What A Wonderful World" so weich, warm und in jeder Hinsicht hoffnungsvoll wie bei ihr. Übrigens war "What A Wonderful World" auch das letzte Lied, das die Welt von ihr gehört hat, als sie Anfang September 1996, geschwächt von den Chemotherapien und den Auswirkungen ihrer Krankheit, bei einem Tribute-Konzert, das ihre Bandmitglieder spontan für sie veranstalteten, ein letztes Mal mit ihrer Gitarre auf der Bühne Platz nahm und sang und spielte... Ein Lied wie "What A Wonderful World" zu singen, das vor Hoffnung, Optimismus und Zuversicht strotzt, während einem selbst das Wasser bis zum Hals steht, zeugt meines Erachtens von nicht alltäglicher Größe!


Jazz und Swing


In Evas Eltern, Hugh und Barbara Cassidy, kamen seinerzeit zwei verschiedene Welten zusammen, die einander aber perfekt ergänzten. Es war in Deutschland Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre, wo Hugh Cassidy seinen Militärdienst als G.I. leistete und eine junge Deutsche namens Barbara kennen und lieben lernte, die sich nichts sehnlicher wünschte, als dem zerstörten, bleischweren Nachkriegsdeutschland zu entkommen und ein neues Leben zu beginnen.

Beide zogen in Hughs Landhaus in einem kleinen Vorort von Washington D.C., wo 1963 Eva und zwei Jahre später ihr Bruder Dan auf die Welt kam. Hugh Cassidy arbeitete als Musiklehrer und gab hin und wieder in seiner Nachbarschaft kleine Konzerte, und so führte er Eva und ihren Bruder Dan schon früh an die Musik heran. 

In Evas und Dans Elternhaus hörte und spielte man hauptsächlich den Jazz und Swing der 1920er bis 1950er Jahre, also Irving Berlin, Cole Porter, George Gershwin, Duke Ellington, Louis Armstrong und wie die Legenden der goldenen Ära des Jazz heißen; doch auch mit Country- und Folk-Songs waren sie vertraut, auf die ich später noch zu sprechen komme.

Jazz und Swing ist den U.S.-Amerikanern geradezu in die Wiege gelegt; zumindest begleitet diese Musik sie von Kindesbeinen an. Ein Genre, das Leichtigkeit und Beweglichkeit und zugleich Kraft und Nachdruck der Stimme erfordert; und genau diese Mischung hat Eva Cassidy.

Wenn sie Cheek to Cheek von Irving Berlin oder My Honeysuckle Rose von Fats Waller singt, federt, gleitet und tänzelt ihre Stimme so leicht und mühelos dahin, dass man förmlich sieht, wie sie, geführt von ihrem Tanzpartner, nahezu schwerelos über das Parkett hinweg schwebt. 

Und selten klingt Louis Armstrongs Klassiker What A Wonderful World so weich, warm und in jeder Hinsicht hoffnungsvoll wie bei ihr. Übrigens war What A Wonderful World auch das letzte Lied, das die Welt von ihr gehört hat, als sie Anfang September 1996, geschwächt von den Chemotherapien und den Auswirkungen ihrer Krankheit, bei einem Tribute-Konzert, das ihre Bandmitglieder spontan für sie veranstalteten, ein letztes Mal mit ihrer Gitarre auf der Bühne Platz nahm und sang und spielte... Ein Lied wie What A Wonderful World zu singen, das vor Hoffnung, Optimismus und Zuversicht strotzt, während einem selbst das Wasser bis zum Hals steht, zeugt meines Erachtens von nicht alltäglicher Größe!


Doch in ihren ungetrübten Glanzzeiten, vor allem bei Songs wie It Dont Mean a Thing oder Take the A-Train von Duke Ellington, zeigt Eva, dass sie auch auf die Tube drücken kann; dann gewinnt ihre Stimme eine Kraft, die man jenem scheuen, unauffälligen Persönchen nicht zutraut, das sich mit ihrer Gitarre in eine stille Ecke der Bühne verkriecht und lieber gemeinsam mit den Jungs ihrer Band musiziert, anstatt am Mikrophon die Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen. Doch die Kraft, Dynamik und Elektrizität, die in Duke Ellingtons Musik herauskommen will und muss, hat sie jederzeit!

Und so ist es Eva Cassidy auch gelungen, in der Rhythm and Blues-Ecke Fuß zu fassen, die mit ganz wenigen Ausnahmen für afro-amerikanische Musikerinnen und Musiker reserviert ist und wohl auch bleiben wird.
 



01.04.2023 - Was zählt, ist die Musik an sich - Ein Nachtvogel namens Eva Cassidy
Es ist die Zeit vor Weihnachten und Ostern, die in unserer westlich-abendländischen Tradition vom Innehalten, In-Sich-Gehen, In-Sich-Hineinhorchen geprägt ist; und so habe ich auch ich einmal mehr in mich hineingehorcht und bin auf ein Gebiet gestoßen, das aus meiner Sicht recht gut in die stille Zeit zwischen Palmsonntag und dem Osterfest passt. Wenn ich auf Youtube surfe, bin ich meist auf der Suche nach einem mir noch nicht vertrauten musikalischen Genre und/oder bemerkenswerten Musikerinnen und Musikern. Gezielt und bewusst verläuft diese Suche nicht; eher ist es so, dass ich auf etwas stoße, bei dem ich aufhorche.  Bei einem meiner Streifzüge stieß ich auf eine Sängerin namens Eva Cassidy, von der ich bislang noch nie gehört hatte. Ihr Name hing mit weltbekannten Songs zusammen, die sie coverte. Nun habe ich mit Coverversionen ein Problem, wenn ich den Song im Original kenne und er mir gut genug gefällt; in solch einem Fall lasse ich mir den vertrauten Song ungern von jemand anderem "verwässern". Denn es gibt nicht selten Coverversionen, die in die Hose gehen, weil ein Interpret die Aussage und Inhalte eines Songs kilometerweit verfehlt, oder weil ein Song mit einer bestimmten Stimme schier unzertrennlich verwachsen ist.  Sicher gibt es in der Musikgeschichte Songs, die so "unkaputtbar" sind, dass keine Stimme ihn ruinieren kann, und zuweilen geschieht es auch, dass die Qualität des Covers das Original übertrifft; aber Letzteres ist eher die Ausnahme als die Regel. Die Lieder "Autumn Leaves" und "Nightbird" allerdings kannte ich überhaupt noch nicht. Eher halbherzig als bewusst klickte ich "Autumn Leaves" an - und nach den ersten paar Takten wuchsen mir beim Zuhören Blumenkohlohren.  Ein paar Worte zum Verständnis: "Autumn Leaves" bedeutet übersetzt "Herbstlaub". Der Song handelt von der sehnsuchtsvollen Erinnerung an glückliche und erfüllte Tage im Sommer mit einem Menschen, der jetzt, im Herbst, weit fort ist; und dass man die oder den Entschwundenen am meisten vermisst, wenn das Herbstlaub zu fallen beginnt und sich das Nahen des Winters bereits ankündigt. Was macht Eva Cassidy aus diesem Song, und wie macht sie es? Ich will versuchen, es zu vermitteln, was schwierig ist, weil Klänge und Klangschattierungen mit Buchstaben nur schwer zum Leben zu erwecken sind. Man muss ihre Stimme gehört haben, um nachvollziehen zu können, was ich mit Worten zum Ausdruck bringen will.


Was zählt, ist die Musik an sich - Ein Nachtvogel namens Eva Cassidy


Es ist die Zeit vor Weihnachten und Ostern, die in unserer westlich-abendländischen Tradition vom Innehalten, In-Sich-Gehen, In-Sich-Hineinhorchen geprägt ist; und so habe ich auch ich einmal mehr in mich hineingehorcht und bin auf ein Gebiet gestoßen, das aus meiner Sicht recht gut in die stille Zeit zwischen Palmsonntag und dem Osterfest passt.

Wenn ich auf Youtube surfe, bin ich meist auf der Suche nach einem mir noch nicht vertrauten musikalischen Genre und/oder bemerkenswerten Musikerinnen und Musikern. Gezielt und bewusst verläuft diese Suche nicht; eher ist es so, dass ich auf etwas stoße, bei dem ich aufhorche. Bei einem meiner Streifzüge stieß ich auf eine Sängerin namens Eva Cassidy, von der ich bislang noch nie gehört hatte. Ihr Name hing mit weltbekannten Songs zusammen, die sie coverte.

Nun habe ich mit Coverversionen ein Problem, wenn ich den Song im Original kenne und er mir gut genug gefällt; in solch einem Fall lasse ich mir den vertrauten Song ungern von jemand anderem "verwässern". Denn es gibt nicht selten Coverversionen, die in die Hose gehen, weil ein Interpret die Aussage und Inhalte eines Songs kilometerweit verfehlt, oder weil ein Song mit einer bestimmten Stimme schier unzertrennlich verwachsen ist. 
Sicher gibt es in der Musikgeschichte Songs, die so "unkaputtbar" sind, dass keine Stimme ihn ruinieren kann, und zuweilen geschieht es auch, dass die Qualität des Covers das Original übertrifft; aber Letzteres ist eher die Ausnahme als die Regel.

Die Lieder Autumn Leaves und Nightbird allerdings kannte ich überhaupt noch nicht. Eher halbherzig als bewusst klickte ich Autumn Leaves an - und nach den ersten paar Takten wuchsen mir beim Zuhören Blumenkohlohren. 

Ein paar Worte zum Verständnis: Autumn Leaves bedeutet übersetzt "Herbstlaub". Der Song handelt von der sehnsuchtsvollen Erinnerung an glückliche und erfüllte Tage im Sommer mit einem Menschen, der jetzt, im Herbst, weit fort ist; und dass man die oder den Entschwundenen am meisten vermisst, wenn das Herbstlaub zu fallen beginnt und sich das Nahen des Winters bereits ankündigt.

Was macht Eva Cassidy aus diesem Song, und wie macht sie es? Ich will versuchen, es zu vermitteln, was schwierig ist, weil Klänge und Klangschattierungen mit Buchstaben nur schwer zum Leben zu erwecken sind. Man muss ihre Stimme gehört haben, um nachvollziehen zu können, was ich mit Worten zum Ausdruck bringen will.

Dass eine Sopranstimme hell, klar und lupenrein klingt, ist noch nichts Außergewöhnliches; allerdings geschieht es nicht selten, dass sie in den oberen Registern und Tonbereichen einen schrillen oder harten Klang annimmt. Doch der Sopran von Eva Cassidy bleibt selbst in den höchsten Lagen so weich, geschmeidig und warm wie Honig, der im Sonnenlicht leuchtet und aus dem Glas fließt. 
Hinzu kommt, dass ihre Stimme den Entwicklungen innerhalb eines Songs und dem Inhalt von Worten und Sätzen bis in die kleinsten Nuancen nachspürt und sie hervorhebt, ohne dass der Fluss ihrer Stimme ins Stocken gerät oder im Song Brüche entstehen. 

So wird Autumn Leaves, von Eva nur mit der Konzertgitarre leise, sanft und unaufdringlich begleitet, zu einem kleinen Juwel, das einen am hellichten Tag innehalten und still werden lässt. Und so ergeht es vielen Hörerinnen und Hörern, die erstmals mit Eva Cassidys Stimme und ihrem Gitarrenspiel Bekanntschaft machen.

Auch Nightbird ist eine Ballade, die allein von ihrer Stimme, ihrer Gitarre und dann und wann von ein paar Akkorden am Klavier, am Bass und an der Lead-E-Gitarre getragen wird; doch die Bilder und Stimmungen, die dieser Song wachruft, sind völlig andere. 

Nightbird handelt von einem Mann, der, allein in einer fremden Stadt und von einer unbestimmten Sehnsucht getrieben, nachts eine Bar aufsucht, wo ihm die Sängerin auffällt, deren Stimme ihn an den  Nachtvogel erinnert, der auf weichen, sanften Schwingen durch die Dunkelheit fliegt.
Während er der Sängerin bzw. dem Nachtvogel zuhört, fragt er sich, warum dieser Vogel alleine fliegt und ob das Licht des Mondes nicht lediglich eine Fackel ist, die entzündet wird, um seiner still zu gedenken. Aus Gründen, die der Song nicht erklärt, nähert sich der junge Mann der Sängerin nicht, hört ihr nur zu und bleibt für den Rest der Nacht seinem vagen, ziellosen Dahintreiben ebenso verhaftet wie die anderen Gäste, die in ihr Getränk und ihre Gedankengänge vertieft sind...

Hier gelingt es Eva - diesmal in einer weit tieferen Lage und mit mehr Kraft und Nachdruck als bei Autumn Leaves -, die von Zigarettenrauch, Cocktaildunst und Sehnsucht schwere Atmosphäre in einer Bar zu später Stunde für ihre Hörerinnen und Hörer spürbar zu machen, so dass sie die Bar förmlich vor sich sehen. Und mitten unter den Gästen ist da auch die kleine, fast untergehende Gestalt der Sängerin, deren Stimme sich sanft und weich wie die Schwingen des Nachtvogels hebt und senkt....

Wer wie ich angesichts dieser ebenso wunderschönen wie ausdrucksstarken Stimme aufhorcht und herausfinden möchte, wie und wo Eva Cassidy heute lebt und was sie tut, stellt ernüchtert und wehmütig zugleich fest, dass sie im Jahr 1996 gestorben ist, als noch junge Frau von dreiunddreißig Jahren.

Als sie Anfang des Jahres 1996 in ihrer Lieblings-Jazzkneipe, dem Blues Alley Jazz Club in Washington D.C., an zwei Abenden ein Live-Konzert mit ihrer Band gab, erfreute sie sich noch bester Gesundheit. Mitte des Jahres wurde bei ihr Hautkrebs diagnostiziert und behandelt, der zu dieser Zeit bereits all ihre inneren Organe befallen hatte; und im November desselben Jahres erlag sie ihrem Leiden.

Als Vermächtnis hat sie gemeinsam mit ihrer Band acht Studio-Alben und eine Live-Aufnahme nebst einem Film von ihren beiden Konzerten im Blues Alley Jazz Club hinterlassen; und seither gewinnt sie Jahr für Jahr weltweit neue Zuhörerinnen und Zuhörer, die auf sie aufmerksam werden und bei ihr hängen bleiben - so wie ich.

Und so möchte ich davon erzählen, in wie vielen unterschiedlichen musikalischen Genres Eva Cassidy in den kurzen dreiunddreißig Jahren ihres Lebens unterwegs war.
 



29.01.2023 - "Elvis" von Baz Luhrmann im Arri-Kino in der Türkenstraße


Elvis von Baz Luhrmann im Arri-Kino in der Türkenstraße


Ein Kino gibt es in München, das bereits mehrfach totgesagt wurde, aber dem Zahn und den Wirren der Zeit nach wie vor unbeirrt und tapfer Stand hält - das Arri-Kino in der Türkenstraße, die altehrwürdige Mutter aller Filmschaffenden in München - warum, dazu komme ich gleich.

In diesem Zusammenhang gebe ich zu, dass für mich lange Zeit die Türkenstraße und damit auch das Arri etwas weit weg vom Schuss war, um ins Kino zu gehen; hierfür waren die heute nicht mehr existierenden Karlstor-Kinos, das City samt Atelier in der Sonnenstraße, der Gloria- und schließlich der Mathäser-Filmpalast am Stachus für mich ganz einfach näher gelegen.

Auch muss ich einmal mehr gestehen, dass die Türkenstraße und die umliegende Gegend für mich jahrzehntelang genauso ein blinder Fleck war wie die Welt östlich vom Ostbahnhof. Denn die Ludwigstraße wie auch die Adalbert- und Akademiestraße, die von ihr abzweigen und zur Türkenstraße führen, gehören seit jeher zum Münchner Uni-, Studenten- und Künstlerviertel, und ich kam als junge Berufsanfängerin und Vollzeit-Berufstätige nach München, nicht als Studentin an der LMU, TU oder einer der an die beiden großen Münchner Universitäten angeschlossenen Akademien, so dass ich es mich jahre- und jahrzehntelang schlicht und einfach nicht in diese Gegend verschlug.

Dabei gehört gerade das Karrée Ludwigstraße, Adalbert- und Türkenstraße - um genau zu sein, auch die angrenzende Schelling- und Barerstraße - zum alten, ursprünglichen Schwabing, lange vor der Leopoldstraße, der Münchner Freiheit und den Seitenstraßen, die davon abzweigen- Und lange bevor diese Gegend durch die Studenten-Unruhen der 1960er Jahre von sich reden machte, meinte man die von mir grob umrissende Gegend, wenn man von dem Viertel sprach, in dem die gerne als verrückt bezeichneten Künstler zu Hause sind, so dass bereits Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts das alte Herz von Schwabing von den eher wertkonservativen Münchnern den Beinamen "Wahnmoching" verliehen bekam.

Und es war im Jahr 1917, als die beiden Erfinder und Pioniere August Arnold und Robert Richter gemeinsam mit ihrem Chefingenieur Erich Kästner - nein, er ist mit dem berühmten Schriftsteller weder identisch noch verwandt - die erste Spiegelreflexkamera konstruierten, auf der alle Nachfolger-Versionen aufbauten. Im Grunde war es dieses Unternehmer-Trio, das seinerzeit die Bilder auf die Leinwand und zum Laufen gebracht hat; denn bis heute sind alle Regisseure und Kameraleute dieser Welt auf diesen großen schwarzen Kasten mit dem Objektiv im Vorderteil angewiesen, ohne den sich nun einmal ein Film nicht drehen lässt. Und bis heute, selbst noch im digitalen Zeitalter, schwören Regisseure und Kameraleute weltweit auf die Zuverlässigkeit und Präzision der Arriflex-Kameras und ihrer Versionen.

Bis 1945 hieß das Kino in der Türkenstraße, das August Arnold und Robert Richter gründeten, noch Capitol; doch es fiel wie so vieles in München den Bombenangriffen der Alliierten zum Opfer. Erst in der Nachkriegszeit nahm das Arri die Gestalt an, unter der wir es bis auf den heutigen Tag kennen: mit der schlichten weißgetünchten Fassade, dem etwas düsteren kleinen Treppenaufgang, dem Foyer mit seinem vielen Säulen, Winkeln und Nischen, der großen eleganten Freitreppe ins Obergeschoss und der großzügig bemessenen Theke mit der Ticket-, Getränke- und Popcorn-Ausgabe.

Seit jeher war das Arri berühmt für sein weitgefächertes Spektrum.

Da war auf der einen Seite die Serie der Edgar-Wallace-Krimis, erst in Schwarz-Weiß, später auch in Farbe, von denen Der Hexer, Neues vom Hexer, Das indische Tuch  etc. bis heute Kultstatus genießen und nach wie vor gelegentlich im Fernsehen gezeigt werden, und die der Westernfilme mit wenig Handlung, aber viel Schießerei und galoppierenden Pferden, die damals das Publikum in Scharen anlockten und Geld in die Kinokasse brachten.

Auf der anderen Seite meldete sich zur gleichen Zeit eine Generation engagierter, aufstrebender Filmemacher zu Wort, für die ein Film dazu da war, eine Aussage zu machen, aufzurütteln, zum Nachdenken und zu Diskussionen anzuregen; jene Schar junger Regisseure, die ebenso nassforsch wie provokant verkündeten: "Opas Kino ist tot!", wobei die Filme von Werner Herzog, Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und Edgar Reitz bis heute ihrem Anspruch gerecht werden und in der Tat zu Legenden geworden sind...

Und so erschien es mir angemessen, mir im legendären Arri-Kino den neuesten Film über eine der größten Legenden unserer Zeit anzusehen: Elvis von dem australischen Regisseur Baz Luhrmann, der mit Filmen wie Moulin Rouge und Australia bereits zu Lebzeiten zur Legende wurde, ebenso wie der King des RocknRoll, den er porträtiert hat.

Ohne Zweifel war es ganz einfach die Show, wenn Elvis Presley, begleitet von der eigens für ihn komponierten Fanfare der Bläsergruppe, in seinem üppig mit Strass und Rheinkieseln besetzten Satintrikot und -umhang die von Tausenden und Abertausenden Glühbirnen erleuchtete Showbühne im International Hotel in Las Vegas betrat, seinen Blick über das Publikum schweifen ließ, den ersten wuchtigen Akkord auf seiner Gitarre anschlug und mit zuckender Hüfte seine tiefe, kraftvolle, voluminöse Stimme in den Raum schickte...

Nur, dass genau dieser Ort für ihn in Wahrheit der Anfang vom Ende war, was er aber erst begriff, als es längst zu spät war...

Hm. Ich kann mich erinnern, dass ich einen der letzten Live-Auftritte des King als neunjähriges Kind im Fernsehen mitbekam; nur, dass zu dieser Zeit sein Gesicht und sein ganzer Körper wegen seines jahre- und jahrzehntelangen Medikamenten-Missbrauchs bereits aufgebläht und aufgedunsen war.

Er bewegte sich schwerfällig und mühsam, längst nicht mehr so, wie man es von ihm in Erinnerung hatte; ganz eindeutig war er in einer schlechten Verfassung. Doch seine Stimme hielt durch, und nach wie vor musste er nur eine einzige musikalische Phrase singen, um unter Tausenden erkannt zu werden...

Nur wenige Wochen später hieß es, er sei tot, in seinem Haus in Memphis/Tennessee mit 42 Jahren an plötzlichem Herzstillstand gestorben.. Was Elvis Aaron Presley für Amerika und die Welt bedeutet hat, verstand ich damals als neunjähriges Mädchen noch nicht; und doch meinte ich zu spüren, dass die Welt ein paar Augenblicke lang erschreckt und ungläubig den Atem anhielt. 

Die Generation meiner Eltern - ich rede hier von jener, die in Westdeutschland lebte - lernte Elvis fast nur als den braven G.I. kennen, der 1961 in einer U.S.-Kaserne seinen Wehrdienst ableistete und hier, in Deutschland, auch seine künftige Frau Priscilla Beaulieu kennenlernte. Seine Konzert-Auftritte in den USA wurden im Nachkriegs-Deutschland nicht gezeigt, nur einige seiner Songs waren hier und da im Radio oder als Single-Schallplatte zu hören. 

Doch man muss Elvis Presley in seinen Anfangsjahren live gesehen und erlebt haben, um zu begreifen, welch eine immense Wirkung seine Stimme, sein Auftreten und seine Erscheinung vor allem auf das weibliche Publikum hatte. 

Als ich jung war, hat unsere Generation mit dem Begriff Amerika ein freies, liberales, zum Teil gar grelles und wildes Land assoziiert; aber im Mittleren Westen, in New Mexico, Texas und den Südstaaten waren die Menschen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in ein strenges Sitten- und Wertekorsett eingezwängt, das von weißen Amerikanern angelsächsischer Abstammung diktiert wurde und in diesen Regionen der USA zu einem großen Teil noch heute diktiert wird.

Doch gerade in den wertkonservativen, rigiden Südstaaten entstanden in den Ghettos, die den Schwarzen zugewiesen waren, Ansätze zur Befreiung aus diesem strengen Korsett, zum einen in den Bars, Kneipen und Hotels, in denen Rhythm n Blues gespielt wurde, zum anderen in den Gospel- und Spiritual-Gottesdiensten fahrender Pastoren; und in beiden Lagern war die Musik elementar, heiß und wild, ja ekstatisch. 

Die Beale Street in Memphis/Tennessee gilt bis heute als die Wiege des Blues, und genau hier traten die Legenden ihrer Zeit auf: B.B. King mit seiner Gitarre Lucille, auf dessen Konto Kracher wie Thats All Right, Mama, Hound Dog, Jailhouse Rock oder Tutti Frutti gehen; Odetta, die sowohl im Gospel als auch im Blues zu Hause war, außerdem eine der ersten und größten Protestsängerinnen ihrer Zeit; Little Richard, Fats Domino und viele mehr.

Der kleine Elvis Aaron Presley, dessen Familie auf Grund der Gefängnis-Vergangenheit seines Vaters als arme Weiße im Ghetto der Schwarzen lebte, sog diese Musik von Kindesbeinen an begierig in sich auf; doch ebenso stark zog es ihn in die Zelte, in denen die fahrenden Erweckungs-Prediger ihre Gottesdienste abhielten.

Für ihn war es kein großer Unterschied, ob er ein Konzert von B.B. King, Odetta oder Little Richard hörte oder ob er sich in einen Gospel- und Spiritual-Gottesdienst schlich; wohin er auch ging, die Musik packte ihn, wühlte ihn bis ins Tiefste auf und trug ihn meilenweit über sich selbst hinaus.

Als er sich damals in eines der Erweckungs-Zelte schlich und die mitreißende, ekstatische Dynamik eines Gospel- und Spiritual-Gottesdienstes live mitbekam, war es kein Geringerer als der junge Dr. Martin Luther King, der dafür sorgte, dass der weiße Junge im Gottesdienst bleiben durfte; denn aus seiner Sicht war dieser Kleine genauso vom Heiligen Geist ergriffen und mitgerissen wie alle anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Gottesdienst. 

Ja, der kleine Elvis bekam sogar ein Abzeichen in Gestalt eines Blitzes, um zu verdeutlichen, dass der Heilige Geist von ihm Besitz ergriffen und ihn auserwählt hatte; und keine Geringere als Mahalia Jackson, die er damals auch live zu sehen und zu hören bekam, ermunterte ihn, dem Weg zu folgen, den er in seinem Herzen erkannt hatte und spürte; genauso, wie sie die afro-amerikanischen Führer der Bürgerrechtsbewegung in ihrem Weg und ihrem Anliegen ermutigte und bestärkte.

Und seit jeher war es der große Traum, ja die Vision des kleinen Elvis Aaron Presley, eines Tages ein Superheld wie Captain Marvel zu werden und zum Fels der Ewigkeit zu fliegen, wo ihm unbegrenzt und für alle Zeiten seine magischen Kräfte neu zufließen würden...

nd so kam es, dass er sich, sobald er seine Gitarre umhängte und an das Mikrophon trat, jedes Mal selbst mit ekstatischer Energie und Elektrizität auflud und sie frei in den Raum hinaus strömen ließ. Ihn am Mikrophon zu hören, seine zuckenden, wippenden Hüften zu sehen, seine immense virile Energie zu spüren, muss für die junge Generation, die in einer verkrusteten, in sich erstarrten Gesellschaft aufwuchs, jedes Mal ein ekstatischer Akt der Befreiung gewesen sein; das zeigen die Scharen schreiender, kreischender und zugleich strahlender Frauen im Publikum.

In dieser Hinsicht blieb Elvis sich ein Leben lang treu und ließ sich nicht verbiegen, auch nicht von seinem ebenso zwielichtigen wie einflussreichen Mäzen Colonel Parker: Was er sang und vor allem, wie er es sang, kam von tief drinnen, war unverfälscht, echt, durch und durch authentisch. 

Und hinter seinen überlebensgroßen, glamourösen Auftritten waren die Inhalte mancher Songs tiefgründiger und ernster, als man denkt, wenn man sie beim ersten Mal nur oberflächlich hört. Die Texte von Heartbreak Hotel, In Troubled Days oder In The Ghetto sprechen von Not, Leid und Verlorenheit; und die Inhalte von Suspicious Minds und Its All Over haben für Generationen unglücklich Liebender bis heute nichts von ihrer Bedeutung verloren. Songs wie diese sind alles andere als belangloses, unverfängliches Schlager-Tralala.

Das hätten Colonel Parker und seine Hintermänner gerne von ihm gehabt, genau wie die unerträglich seichten und oberflächlichen Filme, die er nach seiner Rückkehr aus dem Wehrdienst drehte, um noch ein paar Dollar mehr aus ihm herauszukitzeln; aber diese Songs, und dass er sie bei seinen Auftritten sang, ließ sich Elvis von niemandem nehmen...

Bis Col. Parker ihn mit einem Knebelvertrag an das International Hotel in Las Vegas kettete und aus ihm eine Kunstfigur, ein Abbild seiner Selbst machte. Als Elvis nach Jahren endlich begriff, dass er für Parker und seine Hintermänner eine ertragreiche Melkkuh war und sonst nichts, und drohte, den Vertrag mit dem Hotel platzen zu lassen und auszusteigen, rechnete ihm der Colonel jeden Dollar vor, der seit 1955 für die Ausstattung und Organisation seiner Tourneen und Auftritte angefallen war; und Elvis begriff, dass es für ihn aus diesem Spiel kein Entrinnen mehr gab.

Besonders perfide erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass seine Geschwister und Cousins, ja, sein eigener Vater, der als Geschäftsführer des Familienunternehmens Presley das Vermögen seines Sohnes gewissenhaft verwalten hätte sollen, von seiner Arbeit - sprich, von den Einnahmen, die seine Konzerte brachten - jahre- und jahrzehntelang in Saus und Braus gelebt und das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinausgeworfen haben.....

Meiner Ansicht nach begann erst mit der Erkenntnis, dass er unentrinnbar in der Falle saß, der Absturz von Elvis in die Tabletten- und Alkoholsucht. 

In den Jahren, die er als Hauptattraktion des International Hotel zubrachte, ging es Colonel Parker nur darum, ihn als Gelddruck-Maschine am Laufen und Funktionieren zu erhalten, was sich deutlich zeigt, als Elvis am Vormittag bei den Proben für den Abend im Gang hinter der Bühne kollabiert und Col. Parker - anstatt ihn sofort ins nächste Krankenhaus bringen zu lassen - darauf besteht, das ihn sein Leibarzt mit dem entsprechenden Medikamentencocktail auf der Stelle fit spritzt.

Seine Frau Priscilla, die er sein Leben lang aufrichtig geliebt hat, redete ihm eindringlich ins Gewissen, beschwor ihn beim Leben seiner kleinen Tochter, seine Pillen- und Flaschenbatterie aufzugeben, verschaffte ihm einen Platz in einer Entzugsklinik - vergebens.

Aus der Maschinerie, in die er eingestiegen war, kam Elvis weder aus eigenem Willen noch aus eigener Kraft heraus, bis ihm sein Herz eines Morgens im Alter von nur zweiundvierzig Jahren den Dienst versagte.

Übrigens zeigte sich bald nach seinem Tod, dass Colonel Parker ohne seine wandelnde Gelddruck-Maschine nichts Eigenes und Eigenständiges mehr auf die Beine zu stellen vermochte; und bald darauf nahmen die U.S.-Steuerbehörden Ermittlungen auf und fanden rasch heraus, dass er Elvis ein Leben lang betrogen und ausgebeutet hatte.

Doch während Colonel Parker heute nur noch eine Randnotiz der Geschichte ist, lebt der Mythos von Elvis und sein Einfluss auf Generationen von Rock- und Popmusikern nach wie vor ungebrochen weiter.



29.01.2023 - Erkennen Sie die Melodie? "The Maestro" - Ennio Morricone
In meiner Kindheit, als ich gerade in die Schule kam, gab es im Vorabendprogramm unserer öffentlich-rechtlichen Fernsehsender einen Werbespot, der ein Fischernetz voll mit Ölsardinen in Dosen zeigt, das langsam aus dem Meer emporgezogen wird und zusammen mit den Dosen im Schein der tiefstehenden Sonne leuchtet; und dazu hört man eine Melodie, gespielt auf einer Mundharmonika, die genauso klingt wie die Kreissäge meines Großvaters in unserem Garten, wenn man einen Balken, ein langes Brett oder sonst ein mächtiges Stück Holz durch sie hindurchlaufen ließ: ein grelles, durchdringendes Kreischen, das zu einem klagenden Jaulen herabsinkt und wieder zu demselben hohen, grellen Kreischen emporsteigt. Diese Mundharmonika-Tonsequenz kannte ich, lange bevor ich erstmals das Bild sah, das wirklich dazu gehört: eine einsame Bahnstation in einer leeren, endlos weiten Wüstenebene unter dem grellen, gleißenden Licht der Sonne, dann der massive, langgestreckte rotbraune Riegel eines Güterzuges, der in die Bahnstation einfährt, hält und geraume Zeit das Licht der Sonne verdunkelt. Und dann jenes grelle und zugleich klagende Kreischen und Jaulen der Mundharmonika, körperlos, wie aus dem Nichts heraus, das sich ohne Gnade und Erbarmen durch die Lüfte fräst. Erst als sich der mächtige rotbraune Riegel des Güterzuges langsam auf seinem Gleis aus dem Bahnhof schiebt, erscheint dahinter die Gestalt eines Mannes, den Hut tief in die Stirn gezogen, der die Harmonika spielt und langsam auf drei Männer zu schreitet, die seit einer gefühlten Ewigkeit hier gesessen, nichts getan, sich kaum bewegt und kein Wort gesprochen haben. Jetzt erheben sich die drei Männer langsam und gehen ihrerseits dem einsamen Mundharmonikaspieler entgegen... Bilder und Töne, die unzertrennlich miteinander verbunden sind und als Einheit auf dem Grund des Bewusstseins aufflammen, wenn jemand "Spiel mir das Lied vom Tod" sagt oder schreibt.


Erkennen Sie die Melodie? - "The Maestro - Ennio Morricone"
 

Was bürgt für die Unvergänglichkeit eines Liedes, einer Symphonie oder irgendeines musikalischen Werkes schlechthin? Wenn es sich sofort in das Gedächtnis einbrennt, sobald man es zum ersten Mal hört bzw. wenn man es hört und dabei sofort ein Bild vor Augen hat. Es gibt Melodien oder Klänge, die einen von Kindesbeinen an begleiten, und lange Zeit fragt man sich nicht einmal, woher oder von wem diese Melodie, dieser Klang stammt...

In meiner Kindheit, als ich gerade in die Schule kam, gab es im Vorabendprogramm unserer öffentlich-rechtlichen Fernsehsender einen Werbespot, der ein Fischernetz voll mit Ölsardinen in Dosen zeigt, das langsam aus dem Meer emporgezogen wird und zusammen mit den Dosen im Schein der tiefstehenden Sonne leuchtet; und dazu hört man eine Melodie, gespielt auf einer Mundharmonika, die genauso klingt wie die Kreissäge meines Großvaters in unserem Garten, wenn man einen Balken, ein langes Brett oder sonst ein mächtiges Stück Holz durch sie hindurchlaufen ließ: ein grelles, durchdringendes Kreischen, das zu einem klagenden Jaulen herabsinkt und wieder zu demselben hohen, grellen Kreischen emporsteigt. 

Diese Mundharmonika-Tonsequenz kannte ich, lange bevor ich erstmals das Bild sah, das wirklich dazu gehört: eine einsame Bahnstation in einer leeren, endlos weiten Wüstenebene unter dem grellen, gleißenden Licht der Sonne, dann der massive, langgestreckte rotbraune Riegel eines Güterzuges, der in die Bahnstation einfährt, hält und geraume Zeit das Licht der Sonne verdunkelt. Und dann jenes grelle und zugleich klagende Kreischen und Jaulen der Mundharmonika, körperlos, wie aus dem Nichts heraus, das sich ohne Gnade und Erbarmen durch die Lüfte fräst.

Erst als sich der mächtige rotbraune Riegel des Güterzuges langsam auf seinem Gleis aus dem Bahnhof schiebt, erscheint dahinter die Gestalt eines Mannes, den Hut tief in die Stirn gezogen, der die Harmonika spielt und langsam auf drei Männer zu schreitet, die seit einer gefühlten Ewigkeit hier gesessen, nichts getan, sich kaum bewegt und kein Wort gesprochen haben. Jetzt erheben sich die drei Männer langsam und gehen ihrerseits dem einsamen Mundharmonikaspieler entgegen...

Bilder und Töne, die unzertrennlich miteinander verbunden sind und als Einheit auf dem Grund des Bewusstseins aufflammen, wenn jemand Spiel mir das Lied vom Tod sagt oder schreibt.

Ein paar Jahre später, bei einem öffentlichen Konzertabend unserer Schule, war auf die hintere Wand der abgedunkelten Bühne in unserer Aula das Bild eines Nachthimmels mit der Sichel des Neumondes projiziert. Aus der Lautsprecheranlage hinter der Bühne erhob sich die volltönende Stimme einer Frau, die aus der Dunkelheit emporstieg, sich schwerelos höher und höher schwang und ein Lied ohne Worte sang, während sich vom Bühnenboden die verhüllten Gestalten von Gespenstern in weißen Schleiergewändern zu einem ebenso lautlos wie schwerelos anmutenden Tanz um Mitternacht erhoben.


Nie vorher hatte ich solch eine schöne und zugleich tieftraurige Melodie und eine solch klare, lupenreine Stimme gehört, die dunkel und samtig und gleich darauf strahlend hell klang, wie der Nachthimmel und das Mondlicht zugleich; eine Melodie, die man ebensowenig vergisst wie die wundersame Stimme, die sie singt.

Auch hier erfuhr ich erst mehr als zehn Jahre später, dass diese Melodie in denselben Film und zu einem anderen Bild gehört: eine Frau, hochgewachsen und stattlich, mit sorgfältig frisiertem rotgoldenem Haar und einem Gesicht, so ebenmäßig wie das eines Engels aus einem Gemälde der Renaissance und einem Teint wie Gold, steigt voll freudiger Erwartung aus einem Zug und rechnet sichtlich damit, dass jemand sie abholt und mit ihr nach Hause fährt. Doch niemand kommt, und die Frau sitzt traurig, allein und verlassen samt ihrem Gepäck auf der staubigen Straße...

Genau in diesem Moment setzt die Stimme des Mezzosoprans ein und singt jenes Lied ohne Worte, das Verlassenheit, Trauer und Einsamkeit und im selben Atemzug die Schönheit und Stärke dieser Frau besser und eindrucksvoller beschreibt, als es tausend Worte könnten.

Auf diese Weise war Ennio Morricones Musik in mein Leben gekommen und hatte sich darin geltend gemacht, lange bevor ich seinen Namen kannte oder etwas über ihn wusste: mit den beiden prägenden Leitmotiven aus Spiel mir das Lied vom Tod.

Auch wer andere Filme aus der goldenen Epoche der Italo-Western gesehen hat, vergisst nie die Musik, die zu diesen Filmen gehört, weil es immer Melodien und Klangelemente gibt, die unverwechselbar und untrennbar dazugehören:


Erst hört man das Schrammeln einer Western-Gitarre, dann eine Pfeifsequenz, die sofort den Eindruck grenzenloser Weite, Freiheit und zugleich Einsamkeit vermittelt. Darauf folgt das kurze scharfe Schnippen einer Peitsche und ein Hammer, der auf einen Amboss schlägt, als gäben Peitsche, Hammer und Amboss einen kurzen, lakonisch-ironischen Kommentar zu der gepfiffenen Melodie ab - das Leitmotiv aus Für eine Handvoll Dollar.

Auch wenn ich das Bild, das zu dieser Melodie gehört, selbst noch nie gesehen habe, erscheint auf der kleinen Kinoleinwand in meinem Kopf sofort ein einsamer Reiter auf seinem Pferd, das in rasendem Galopp über eine von der Sonne verbrannte Wüstenebene unter einem knallblauen Himmel prescht, frei, an nichts und niemanden gebunden und von keiner Macht der Welt aufzuhalten....

Ein anderes Melodiefragment ist noch bekannter: "A-I-A-I-AAA", das Kojotengeheul, das ich in meiner Unkenntnis lange für das Pfeifen eines Geiers oder Habichts hielt - bisher habe ich in meinem Leben noch keine Kojoten heulen gehört, sehr wohl aber das Pfeifen von Greifvögeln, die hoch am Himmel kreisen und ihre Beute anvisieren -, gefolgt vom "Wah-wah-wah" der gleichnamigen Trompete; sprich, das Leitmotiv aus Zwei glorreiche Halunken.

Mit anderen Worten und kurz gesagt: Jede und jeder von uns, wenn sie oder er nur lange genug lebt, kennt mindestens eine oder zwei Melodien von Ennio Morricone, selbst wenn er nicht einmal seinen Namen kennt.

Gegen Ende dieses Jahres lief bei uns The Maestro an, die Hommage des Oscar-preisgekrönten Regisseurs Giuseppe Tornatore mit Aussagen berühmter Schauspieler wie Clint Eastwood, Musiker wie Joan Baez und Pat Metheny, Komponisten wie John Williams und Hans Zimmer - und natürlich auch des Meisters selbst. 

Nicht in den großen Mainstream-Filmpalästen, eher in den kleinen Programmkinos, die sich auf Filme mit Anspruch und Tiefgang spezialisiert haben und die es gottlob in unserer Stadt nach wie vor gibt; so zum Beispiel im
RIO-Filmpalast am Rosenheimer Platz, wo ich mir diesen Film gemeinsam mit langjährigen Freunden ansah.

Es ist ein wenig ernüchternd, wenn man als erstes erfährt, dass Ennio Morricone ursprünglich Medizin und nicht Musik studieren wollte und schon gar nicht Trompete; sein Vater befahl, und er gehorchte. Also nagte er sich durch das Notenwerk, das zu der von ihm ganz und gar nicht geliebten Trompete gehörte.

Kaum hatte er seinen Abschluss am Konservatorium bestanden, stürzte er sich auf das Gebiet, das ihm weit mehr lag: Komposition und Orchestrierung.  Die großen alten Meister des Barock, Frescobaldi, Monteverdi, Scarlatti und natürlich Bach, die uns den Grundstock hinterlassen haben, auf dem noch heute das Musikverständnis der westlichen Welt beruht, waren seine Welt; von ihnen hat er unter Anleitung seines Professors Giuseppe Petrassi gelernt, was eine Fuge, ein Kontrapunkt, ein Ricerzar etc. ist, und sein kompositorisches Werk auf dieser Basis aufgebaut.

Morricone hat hierzu erklärt, dass Komposition für ihn hauptsächlich das Konstruieren einer Gleichung auf der Grundlage mathematischer Formeln ist, also exakten Regeln folgt. Doch die Musik, die er schrieb und vertonte, verstieß jedes Mal aufs Neue gegen jenes exakte Regelwerk, denn so gut wie jeder seiner Soundtracks zeichnet sich durch eine Idee, einen neuen, unerwarteten Klang aus, etwas, das man so zuvor noch nie gehört hatte. 

Auch hatte seine Musik nie allein mit abstrakten Zahlenspielen zu tun. Wenn ein Regisseur bei ihm die Komposition und Orchestrierung eines Soundtracks in Auftrag gab, musste Morricone jedes Mal wissen, worum es in dem Film ging, damit seine Musik für den Zuschauer eben nicht abstrakt und damit unnahbar blieb, sondern sich in eine Reise durch ganze Bilder- und Gefühlswelten verwandelte. 

Interessant ist auch, dass seine Musik zum Teil eine andere Sprache spricht als die Bilder, die dazu auf der Leinwand zu sehen sind. Wenn man beispielsweise nur Cockeyes Theme hört, eines der prägenden Leitmotive aus Es war einmal in Amerika, vermittelt die Panflöte zwar ein Gefühl von Melancholie und Verlorenheit, aber auch von Ruhe und einem tiefen Frieden. 

Doch auf der Leinwand sieht man Menschen auf der Flucht, die durch die düsteren, schmutzigen Straßenschluchten von New York rennen, verfolgt vom Kugelhagel aus Gewehren; die einen rennen weiter, manche fallen, andere drehen sich um und schießen zurück...

Je älter Ennio Morricone wurde, desto reifer, tiefer und reiner wurde seine Musik, sei es die zarte, innige Melodie von Deborahs Theme, in der sich die Liebe verkörpert, die Noodles für Deborah empfindet, die in seinen Gedanken und Erinnerungen ständig gegenwärtig ist und für ihn dennoch sein Leben lang unerreichbar bleibt; oder die zuvor beschriebene Panflötenmusik aus Es war einmal in Amerika; oder auch Gabriels Theme, das Oboensolo aus Die Mission. Ein Film, dem die Musik seine Bedeutung und seinen vollen Gehalt verleiht...

In vorgerücktem Alter hat Morricone seine Werke oft selbst dirigiert, ruhig, gemessen, sachlich und nüchtern, unter anderem auch an einem Ort, der gerade für sein Friede und Harmonie atmendes Alterswerk die optimale Kulisse stellt: auf dem Markusplatz in Venedig.

In der Tat könnte es keinen stimmungsvolleren Rahmen für den klaren, hellen und zugleich runden Klang der Oboe geben als den Molo di San Marco mit den runden goldschimmernden Kuppeln des Markusdoms und dem hohen spitzen Campanile, und man hat sie sofort vor Augen, jene Stadt, die gleich einer Fata Morgana aus dem Meer auftaucht und schwerelos über dem Wasser zu schweben scheint. 

Und wenn das Orchester und am Ende der Chor das Thema aus Die Mission aufnimmt und auf einer weichen strahlenden Klangwolke zum Himmel empor trägt, löst sich die Musik gemeinsam mit der Stadt in der Unendlichkeit auf...
 



24.11.2022 - May It Be aus der "Herr der Ringe"-Trilogie
Im letzten Drittel des ersten Films, "Die Gefährten", gelangen Frodo und die anderen drei Hobbits erschöpft und am Ende ihrer Kräfte zu den Waldelben von Lothlórien, die ihnen ein paar Tage Rast und Erholung gewähren, als sie hören, was für ein Los sie hierhergeführt hat. Bevor sie wieder aufbrechen, um ihre Wanderung zum Schicksalsberg von Mordor fortzusetzen, nimmt die Elbenkönigin Galadriel Frodo beiseite und führt ihn zu einem magischen Brunnen, in dessen Wasserspiegel man ein Stück weit in die Zukunft blicken kann. Und die Zukunft verheißt für Frodo nichts als noch mehr Gefahr, Kämpfe, Strapazen und den Verlust von Freunden... Frodo, der zu Beginn der Geschichte voller Angst und Widerwillen die Bürde seiner Aufgabe auf sich nimmt; sozusagen aus moralischer Verpflichtung, weil es keinen anderen Weg gibt, um die Völker von Mittelerde von Saurons Macht zu befreien, glaubt sich zum Scheitern verurteilt. In seiner Not bietet er Galadriel den Ring Saurons an, da er sie für weit besser geeignet hält, diese Aufgabe zu erfüllen und die Bürde zu tragen, als sich selbst. Die Versuchung, sich des Herrscherrings zu bemächtigen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen und sich ihre geheimsten Wünsche zu erfüllen, ist für Galadriel groß; und sie weiß, dass sie der Versuchung erliegen würde. Frodo hingegen, so schwach und verängstigt er auch wirkt, hat bisher nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet; er will nicht mehr und nicht weniger, als diese grässliche Bürde und Gefahr für sich. das bislang stille, friedliche Auenland und ganz Mittelerde loswerden. Das Streben nach Macht und Einfluss bedeutet ihm nichts; insoweit vermochte die verhängnisvolle Macht, die vcn Saurons Ring ausgeht, ihn nicht zu korrumpieren. Deshalb lässt Galadriel dem Ringträger Frodo seine Bürde, spricht ihm Mut und Trost zu und schenkt ihm einen riesigen Bergkristall, "das Licht Earendils, um dir zu leuchten in dunkelster Nacht, wenn alle anderen Lichter erloschen sind". Dies ist der Hintergrund, vor dem das Lied May It Be seinen vollen Gehalt gewinnt: Eine Lichtgestalt, weise, hochgebildet, von erhabener, silbern strahlender Schönheit, spricht einem erschöpften, verängstigten Wanderer Trost und Mut zu, seinen Weg weiterzugehen, weil sie an die Kraft und Integrität seines innersten Wesens glaubt.


May It Be aus der Herr der Ringe-Trilogie


Als Peter Jacksons Herr der Ringe-Trilogie zu Beginn des neuen Jahrtausends die Kinosäle eroberte und zugleich das Interesse der Welt auf Neuseeland lenkte, hat mich diese Filmreihe vom ersten Teil an in ihren Bann gezogen. 

Mit einem Ruck wurden die Zuschauer weltweit in die Landschaften Mittelerdes und die Begebenheiten gerissen, die sich um die lange, gefahrvolle und strapaziöse Wanderung des Ringträgers Frodo Beutlin und seiner Gefährten ranken: Sam, Merry und Pippin (eigentlich Samweis Gamdschie, Meriadoc Brandybock und Peregrin Tuk), seine Hobbit-Kumpel aus Kindertagen; der Gelehrte und Magier Gandalf, der zusammen mit dem entrechteten, heimatlosen König Aragorn von Gondor den Bund der Gefährten führt, der Hochelb Legolas aus Bruchtal und der Zwerg Gimli aus Moria.

Wie es im Fall von Les Misérables die Vertonung als Musical war, standen auch bei der Herr der Ringe-Trilogie die Filme am Anfang meines Interesses; den dreiteiligen Roman von J.R.R. Tolkien habe ich mir erst besorgt und gelesen, als ich den letzten Film, Die Rückkehr des Königs, im Kino gesehen hatte.

Und wie es bereits bei Les Misérables der Fall war, liegt auch bei Herr der Ringe der größte Unterschied zwischen der Umsetzung auf der Bühne bzw. Leinwand und der literarischen Vorlage darin, dass das Stück bzw. der Film sich auf den Verlauf der zentralen Ereignisse, die Charaktere und deren Entwicklung fokussiert, während im Roman das Denken, die Sitten und das Bild einer Epoche - bzw. im Fall von Herr der Ringe eine ganze Welt - zum Leben erweckt wird.

Bei der Herr der Ringe-Trilogie hat Tolkien sich nicht darauf beschränkt, allein die Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten der Völker Mittelerdes zu entwickeln. Bei ihm hat jedes Volk seine Sprache, Geschichte und Mythen, seine legendären Gestalten aus den Epen der Vorzeit, und Tolkien erzählt die Begebenheiten, die sich um den Einen Ring, die Hobbits und ihre Gefährten ranken, aus der Prägung dieser Völker durch ihre Geschichte und die legendären Vorbilder ihrer Epen heraus.

Und doch, was die Atmosphäre der Erzählung und die persönliche Entwicklung der Charaktere der neun Gefährten im Sog der Ereignisse angeht, in den sie unerbittlich hineingezogen werden, folgt Peter Jacksons Trilogie der Vorlage von Tolkiens Roman in weiten Teilen bis zu wörtlichen Zitaten der Figuren. Vor allem aber vermag er die Welten Mittelerdes mit Hilfe von Bild und Ton ebenso eindrucksvoll zum Leben zu erwecken und die Handlung ebenso packend voranzutreiben wie die Romanreihe.

Im letzten Drittel des ersten Films, Die Gefährten, gelangen Frodo und die anderen drei Hobbits erschöpft und am Ende ihrer Kräfte zu den Waldelben von Lothlórien, die ihnen ein paar Tage Rast und Erholung gewähren, als sie hören, was für ein Los sie hierhergeführt hat. 

Bevor sie wieder aufbrechen, um ihre Wanderung zum Schicksalsberg von Mordor fortzusetzen, nimmt die Elbenkönigin Galadriel Frodo beiseite und führt ihn zu einem magischen Brunnen, in dessen Wasserspiegel man ein Stück weit in die Zukunft blicken kann. Und die Zukunft verheißt für Frodo nichts als noch mehr Gefahren, Kämpfe, Strapazen und den Verlust von Freunden...

Frodo, der zu Beginn der Geschichte voller Angst und Widerwillen die Bürde seiner Aufgabe auf sich nimmt; sozusagen aus moralischer Verpflichtung, weil es keinen anderen Weg gibt, um die Völker von Mittelerde von Saurons Macht zu befreien, glaubt sich zum Scheitern verurteilt. In seiner Not bietet er Galadriel den Ring Saurons an, da er sie für weit besser geeignet hält, diese Aufgabe zu erfüllen und die Bürde zu tragen, als sich selbst.

Die Versuchung, sich des Herrscherrings zu bemächtigen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen und sich ihre geheimsten Wünsche zu erfüllen, ist für Galadriel groß; und sie weiß, dass sie der Versuchung erliegen würde. 

Frodo hingegen, so schwach und verängstigt er auch wirkt, hat bisher nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet; er will nicht mehr und nicht weniger, als diese grässliche Bürde und Gefahr für sich. das bislang stille, friedliche Auenland und ganz Mittelerde loswerden. Das Streben nach Macht und Einfluss bedeutet ihm nichts; insoweit vermochte die verhängnisvolle Macht, die vcn Saurons Ring ausgeht, ihn nicht zu korrumpieren.

Deshalb lässt Galadriel dem Ringträger Frodo seine Bürde, spricht ihm Mut und Trost zu und schenkt ihm einen riesigen Bergkristall, "das Licht Earendils, um dir zu leuchten in dunkelster Nacht, wenn alle anderen Lichter erloschen sind".

Dies ist der Hintergrund, vor dem das Lied May It Be seinen vollen Gehalt gewinnt: Eine Lichtgestalt, weise, hochgebildet und von erhabener, silbern strahlender Schönheit, spricht einem erschöpften, verängstigten Wanderer Trost und Mut zu, seinen Weg weiterzugehen, weil sie an die Kraft und Integrität seines innersten Wesens glaubt.

Natürlich trägt die Stimme der irischen Komponistin, Textdichterin und Sängerin Enya zu der Wirkung dieses Liedes entscheidend bei, denn der Klang ihrer Stimme entspricht der Erscheinung der Elbenkönigin: Genauso rein und von Licht erfüllt, so abgeklärt, reif und ruhig, wie Galadriel sich zeigt und verhält, klingt seit jeher auch Enyas Stimme.

In Zeiten, in denen ich auf die Probe gestellt wurde und die Konsequenzen meiner Entscheidungen zu tragen hatte, war es nicht selten May It Be und die Stimme von Enya, die mich in ihrer Ruhe, Klarheit und Reife tief und sicher in mir ruhen ließ...