Die Burning Biscuit Band - Der Keks brennt wieder!
Ebenso wie von der bunten Fülle der Farben, Stoffe und Aromen lebt das Tollwood auch von den vielen Live-Bands, die auf den Musikbühnen spielen, ohne dass es das Publikum einen Cent kostet. Gut, in der Regel schlürft man sein Getränk und hat sein Essen vor sich; aber für die vielen Live-Gigs zahlt man - mit Ausnahme des großen Musikzeltes am Eingang des Geländes, das immer das rote “Tollwood”-Logo trägt - keinen Eintritt.
So bunt und vielfältig wie die Ware an den Ständen und Buden des Marktes ist auch die Musik, die man zu hören bekommt: Vom Rock der 1960er und 1970er Jahre über beliebte Pop-Acts der 1980er bis 1990er bis zu Folk-Musik aus aller Herren Länder hört man hier alle musikalischen Genres und Epochen. Eines aber gilt für alle Musikerinnen und Musiker: Ihre Melodien und Rhythmen kommen weder aus der Soundanlage noch aus dem Computer. Sie singen und spielen live, haben nichts als ihre Verstärker und ihre Instrumente.
Und zu meiner großen Freude stolperte ich am ersten Tollwood-Samstag über eine der besten Live-Bands, die in und um München unterwegs sind: die Burning Biscuit Band.
Gehört habe ich sie zum ersten Mal auf dem Münchner Stadtgründungsfest vor zwölf Jahren und danach an manch einem Samstagnachmittag auf dem Green Farm Festival, das von 2010 bis 2018 auf dem Hauslerhof im Hallbergmoos stattfand. Auch in den Gemeindezentren des Münchner Umlandes ist diese Gruppe ein gern gesehener Gast.
Was ihr musikalisches Fundament und ihre Wurzeln anbelangt, kommt die Burning Biscuit Band von der irischen und schotischen Folk-Musik her. Doch nur einer von ihnen stammt und kommt tatsächlich aus Irland: Colm O’Tuama, der die Alt-Blockflöte und die Tin Whistle ebenso gestochen präzise wie rasant spielt und bei den klassischen Pub-Songs den Leadgesang übernimmt, mit dem rollenden, kernigen Akzent des Nordens.
Die Haupt-Leadsängerin Suzanne Booth und Paul Richards an der Gitarre, der Mandoline und der Konzertina (der kleinen Verwandten der diatonischen Ziehharmonika) kommen ursprünglich aus England, und Klaus Lamar an der Geige und Jim Klopfenstein am Kontrabass sind Deutsche.
Was alle fünf Bandmitglieder gemeinsam haben: Sie lernten einander im Großraum München kennen, spielen inzwischen bereits seit zwanzig Jahren in unveränderter Besetzung zusammen, und ihnen bedeutet ihre Musik an sich und ihre Unabhängigkeit und Freiheit, zu singen und zu spielen, was und wie sie wollen, mehr als Gagen und Ruhm. Sonst würde die Burning Biscuit Band längst in den großen Stadien der Welt spielen!
Was sie aber zu wahren Könnern und einer der besten Live-Bands im Münchner Raum überhaupt macht: Dieses fünfblättrige Kleeblatt kann nicht nur reelen und jiggen, sondern auch rocken, grooven und sogar swingen. Das verdankt dieses Quintett nicht nur dem traumwandlerisch sicheren Gefühl für Rhythmus und Stimmung, mit dem sie spielen, sondern vor allem der tiefen, volltönenden und zugleich weichen Stimme von Suzanne Booth.
Man sollte meinen, eine Sängerin kann entweder Folk oder Blues singen, aber nicht beides, denn diese beiden Musikstile erfordern völlig unterschiedliche Klangfarben und Schattierungen der Stimme. Aber sie kann und hat beides, den Folk und den Blues! Wer sie einmal mit dem traditionellen schottischen Lied Mo Ghile Mear oder mit dem Donna-Summer-Song Hot Stuff gehört hat, weiß, was ich meine.
Doch eines hat die irische und schottische Folk-Musik mit dem Blues und Soul gemeinsam: Sie steigt aus dem Urgrund der Seele, aus einer tief empfundenen Stimmung heraus und steht voll und ganz hinter dem, was sie herüberbringt; und das spürt man in der Stimme der Leadsängerin und in den Stimmen und dem Spiel ihrer Bandkollegen bei jedem Song.
Als zwei Jahre hintereinander die Feierlichkeiten um den St. Patrick’s Day und auch die sonstigen Festivals der Folk-Szene ausgesetzt waren, tat es mir gerade um diese Gruppe von Herzen leid, denn sie war und ist von jeher eine Live-Band, und ihre Mitglieder leben zwar nicht von, aber für ihre Musik.
Zwei Jahre lang habe ich von der Burning Biscuit Band nichts gesehen und gehört; und am ersten Tollwood- Wochenende, an dem ich weder gezielt nach ihr gesucht noch sie erwartet habe, taucht sie aus der Versenkung auf und singt und spielt mit Schwung, Freude und Herzblut wie eh und je!
Ihr Glanzstück ist The Red-Green Bough, ein irisches Scherz- und Abzähl-Lied, das ähnlich funktioniert wie unser bayerisches Schnadahüpferl Drunt’ in der greana Au:
In der Au steht ein Birnbaum, am Baum hängt ein Ast, am Ast ein Zweig, am Zweig ein Blatt, auf dem Blatt sitzt ein Vogel... Von einer Strophe zur nächsten wird die Kette der Begriffe, die rückwärts aufzuzählen sind, länger und länger, und der Refrain
“Drunt’ in der greana Au
steht a Birnbaum, schau, schau, juchhe!
Drunt’ in der greana Au
steht a Birnbaum, schau, schau!”
hält das Lied gewissermaßen zusammen.
Doch während Drunt’ in der greana Au in einem gemütlichen, ja gemächlichen langsamen Walzer dahin schaukelt, kommen in The Red-Green Bough die Strophen wesentlich rasanter heraus, ja, nehmen eine derart halsbrecherische Geschwindigkeit an, dass man sich wundert, dass sich nicht mittendrin die Zunge von Colm O’Tuama heillos verhakt und verknotet. Und der Refrain ist weniger ein Ruhepunkt als ein Atem- und Schwungholen für die nächste Runde:
“Ho, ho, the red-green bough
blooms down in the valley-o!
Ho, ho, the red-green bough
blooms down in the valley-o!”
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Keks brennt wieder, und wie!