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Blog

Weggefährten

Von jenen, die mich in meiner Entwicklung am stärksten geprägt haben, möchte ich in meinen Beiträgen erzählen...



Vorwort zu meinem Blog-Bereich „Weggefährten“

Es gibt Neues von mir! Zwischen dem 16. und 31. Dezember 2019 ist mein neues Buch „Weggefährten – Eine kleine Dankmusik“ erschienen, dessen Kapitel zugleich die Beiträge dieses Blog-Bereiches sind.

„Weggefährten“ entspringt einem ähnlichen Bedürfnis wie mein Vorgängerwerk „EUROPRISMA – Meine Seelenreisen“, nur möchte ich diesmal nicht Städten und Ländern danken, in denen ich zu Gast war. Diesmal geht es mir um Persönlichkeiten und Phänomene des 20. Jahrhunderts – einige gehen noch ein bisschen weiter zurück -, die mich zu der gemacht haben, die ich heute bin.

Natürlich kann man sagen: Was man wird und was man aus sich und seinem Leben macht, liegt in der eigenen Verantwortung. Gewiss. Doch zur geistig-seelischen Entwicklung eines Menschen gehören ebenso inspirierende oder gar entscheidende Anstöße und Impulse von außen.

Von jenen, die mich in meiner Entwicklung am stärksten geprägt haben, möchte ich in meinen Beiträgen erzählen und würde mich freuen, wenn auch IIhr mit einsteigen und von euren entscheiden-den Impulsgebern oder Wegweisern erzählen würdet.


12.02.2023 - Ein Vermächtnis für die Ewigkeit - Tut-ench-Amun und seine Schätze
Ägypten, 1923. Seit fünf Jahren gräbt sich der britische Altertumsforscher Howard Carter zusammen mit einem Team britischer und einheimischer Experten und Helfer durch die von der grellen Sonne der Wüste ausgedörrten Felsmassive im Tal der Könige, um die Richtigkeit seiner Annahme anhand eines realen Fundes nachzuweisen: Hier, irgendwo in dieser grenzenlosen Einöde aus Sand und Stein, muss sich die noch unentdeckte und daher vollständig erhaltene Grabkammer des mit neunzehn Jahren verstorbenen Pharaos Tut-ench-Amun verbergen, Sohn des Echnaton und der Nofretete. Doch bisher haben alle Grabungen an unterschiedlichen Orten kein sichtbares, greifbares Ergebnis erbracht, nur Sandstürme, Überschwemmungen durch unerwartete Regenfälle, die ausgetrocknete Täler plötzlich in reißende Ströme verwandelt haben, und Menschen, die an den Bissen von Schlangen oder Skorpionen starben. Sein Mäzen und Sponsor, Lord Carnarvon, der Carters Expedition ins Tal der Könige bisher ausgestattet und finanziert hat, will die Grabungen einstellen und den Geldhahn endgültig zudrehen. Es ist Carter gerade noch gelungen, ihm eine letzte Woche Geduld abzuringen, dann ist es aus und vorbei... Plötzlich stoßen die Spaten und Grabstichel der Helfer nicht mehr auf lockeren Fels und Sand, sondern auf Mauerwerk. Sie rufen Gefährten herbei, und gemeinsam legen sie eine zugemauerte Tür mit einem völlig intakten Siegel frei. Diese Tür, darüber ist sich Carter sicher, führt zu Tut-ench-Amuns Grabkammer! Howard Carter sendet eine Depesche an Lord Carnarvon, der ihn eindringlich bittet, die Tür erst in seinem Beisein zu öffnen; er würde anreisen, so schnell es ihm möglich ist. Und bald trifft er bei der Ausgrabungsstätte ein. Mittlerweile hat das Team die Tür freigeschaufelt und ein kreisrundes Loch oben am Türstock ausgehöhlt, durch das man ein Fernrohr führen und ins Innere der Grabkammer blicken kann. Carter hat das Fernrohr am Auge und späht hinein. "Sehen Sie etwas?" fragt Carnarvon ihn und neigt sich über seine Schulter. "Ja," antwortet er und wendet sich zu seinem Mäzen um. "Ich sehe wundervolle Dinge..."


Ein Vermächtnis für die Ewigkeit - Die Schätze des Tut-ench-Amun

Eine Ausstellung gibt es, die zuerst in der Kunsthalle und etliche Jahre später noch einmal in der Kleinen Olympiahalle präsentiert wurde: die Sarkophage und Grabbeigaben aus der Schatzkammer des Pharaos
Tut-ench-Amun. Sowohl die Geschichte, die dahinter steht, als auch die Exponate selbst haben mich in
ihren Bann gezogen und lange nach dem Besuch der Ausstellung beschäftigt.

Gerade jetzt wird in mir die Erinnerung daran wieder lebendig, so dass ich meine Eindrücke gerne noch einmal zusammenfasse und wiedergebe...

Ägypten, 1923.

Seit fünf Jahren gräbt sich der britische Altertumsforscher Howard Carter zusammen mit einem Team britischer und einheimischer Experten und Helfer durch die von der grellen Sonne der Wüste ausgedörrten Felsmassive im Tal der Könige, um die Richtigkeit seiner Annahme anhand eines realen Fundes nachzuweisen: 

Hier, irgendwo in dieser grenzenlosen Einöde aus Sand und Stein, muss sich die noch unentdeckte und daher vollständig erhaltene Grabkammer des mit neunzehn Jahren verstorbenen Pharaos Tut-ench-Amun verbergen, Sohn des Echnaton und der Nofretete.

Doch bisher haben alle Grabungen an unterschiedlichen Orten kein sichtbares, greifbares Ergebnis erbracht, nur Sandstürme, Überschwemmungen durch unerwartete Regenfälle, die ausgetrocknete Täler plötzlich in reißende Ströme verwandelt haben, und Menschen, die an den Bissen von Schlangen oder Skorpionen starben. 

Sein Mäzen und Sponsor, Lord Carnarvon, der Carters Expedition ins Tal der Könige bisher ausgestattet und finanziert hat, will die Grabungen einstellen und den Geldhahn endgültig zudrehen. Es ist Carter gerade noch gelungen, ihm eine letzte Woche Geduld abzuringen, dann ist es aus und vorbei...

Plötzlich stoßen die Spaten und Grabstichel der Helfer nicht mehr auf lockeren Fels und Sand, sondern auf Mauerwerk. Sie rufen Gefährten herbei, und gemeinssam legen sie eine zugemauerte Tür mit einem völlig intakten Siegel frei. Diese Tür, darüber ist sich Carter sicher, führt zu Tut-ench-Amuns Grabkammer!

Howard Carter sendet eine Depesche an Lord Carnarvon, der ihn eindringlich bittet, die Tür erst in seinem Beisein zu öffnen; er würde anreisen, so schnell es ihm möglich ist. Und bald trifft er bei der Ausgrabungsstätte ein.

Mittlerweile hat das Team die Tür freigeschaufelt und ein kreisrundes Loch oben am Türstock ausgehöhlt, durch das man ein Fernrohr führen und ins Innere der Grabkammer blicken kann. Carter hat das Fernrohr am Auge und späht hinein. "Sehen Sie etwas?" fragt Carnarvon ihn und neigt sich über seine Schulter. "Ja," antwortet er und wendet sich zu seinem Mäzen um. "Ich sehe wundervolle Dinge..."

Seit 1923, als Howard Carters Team sie ausgrub, sind die Schalen, Amphoren und Kelche, die Statuen von Schutzgöttern und Wächterinnen, der Streitwagen und die Waffen des Pharao und nicht zuletzt die drei ineinander gefügten Sarkophage und die riesige Goldmaske mit der Mumie Tut-ench-Amuns darunter jahrelang immer wieder um die Welt gereist, bis das Nationalmuseum in Kairo zu Beginn der 2000er Jahre beschloss, dass der Gottkönig und seine Schätze in Ägypten bleiben und ihre Heimat nicht mehr verlassen sollten.

Daraufhin haben Juweliere, Gold- und Silberschmiede, Restauratoren und Kunsthistoriker von den Sarkophagen, der Goldmaske und den Grabbeigaben originalgetreue Repliken angefertigt, die fortan anstelle der Originale weiter um die Welt reisen sollten. 

Ihnen ist es gelungen, die zeitlose Schönheit der Statuen, des Geschirrs und der Sarkophage zu bewahren und auch den Ausdruck des liebevollen Respekts, mit dem sich seinerzeit das ägyptische Volk von seinem Gottkönig verabschiedet hat. Erhalten blieben damit auch die sicht- und greifbaren Beweise für den hoch entwickelten Kunstsinn einer der ersten großen Hochkulturen der Menschheit und für die sehr konkreten, anschaulichen Bilder, die sich die alten Ägypter vom Tod und vom Leben danach machten:

Erst die Prüfung, das Abwiegen des Herzens, um zu befinden, ob der Verstorbene überhaupt würdig war, die Reise ins Jenseits anzutreten; dann seine Vorbereitung und Zurüstung für die Reise mit der Barke unter dem großen Segel über den Strom, der die Welt der Lebenden mit jener der Toten verbindet und zugleich beide Welten voneinander scheidet; und schließlich das Leben des Verstorbenen im ewigen Reich, in dem er alles hat und genießt, was ihm bereits auf Erden gehörte...

Was ist von den vielen Legenden über den "Fluch des Pharao" zu halten, der all jene treffen sollte, die sein Grab aufbrachen, ausplünderten und so seine Totenruhe störten?

Aus dem Jahr 1923 ist belegt, dass es an dem Tag, als die Grabkammer geöffnet wurden, nach Einbruch der Dunkelheit in Kairo und dem näheren Umkreis ein Erdbeben gab, das zwar keine Häuser einstürzen ließ, aber dafür sorgte, dass die Stromversorgung versagte, so dass Kairo ein paar Stunden lang im Dunkeln saß. 

Von Lord Carnarvon weiß man, dass er sich in der Nacht nach der Öffnung der Grabkammer beim Rasieren die Wange aufritzte, dass sich die Schnittwunde infizierte und er neun Tage später an Sepsis und einer von ihr verursachten Lungenentzündung starb.

Und Howard Carter brachte seine sensationelle Entdeckung zwar plötzliche Berühmtheit, aber kein dauerhaftes Glück. Britische Gelehrte, die ihr Wissen durch ihr Studium und im Zuge ihrer akademischen Laufbahn an einer Universität erworben und es sich nciht selbst angeeignet hatten, nahmen Carter trotz seines Erfolges nicht für voll. Und die Strapazen der jahrzehntelangen Ausgrabungsarbeiten unter der heißen Wüstensonne Ägyptens inmitten von Sand, Staub und Schutt untergruben seine Gesundheit, so dass Howard Carter frühzeitig an einem Blasenleiden, letzten Endes an  Nierenversagen starb.

Was ich von diesem riesigen Kult halte, der um Tut-ench-Amun entstanden ist?

Nun, wenn ich über zweitausend Jahre lang in meinem Sarkophag friedlich geschlummert hätte und plötzlich irgendwelche Leute daherkämen, die mein Grab mit Äxten, Spaten, Pickeln und Sticheln aufhacken, mich mit rohen, gefühllosen Händen aus meinem Sarkophag holen und bei ihren Untersuchungen ständig und immer wieder an mir herumzerren würden, wäre ich auch sauer und würde ihnen heimleuchten! 

Und all der Trubel und Rummel, der begonnen hatte, hörte jahre- und jahrzehntelang nicht mehr auf, so dass ich mich schließlich fragte: "Kann man diesen armen Jungen nicht einfach einmal in Frieden ruhen lassen?!" 

Denn nach unserem heutigen Verständnis war Tut-ench-Amun, als er mit neunzehn Jahren starb, fast noch ein Teenie. Mit sechzehn Jahren wurde er mit seiner gleichaltrigen Cousine ersten Grades verheiratet, auch aus unserer heutigen Sicht eine Kinderehe, aus der zwei Töchter hervorgingen, die beide kurz nach der Geburt starben.

Mit zwölf Jahren wurde er bereits zum Pharao gekrönt, eher als Symbol für die Rückkehr der alten Götterwelt und der Priesterkaste mit ihren Ritualen und vor allem mit ihrem Einfluss und ihren Rechten. In Wahrheit waren sie es, die während seiner Regentschaft das Sagen hatten, sie und sein erster Minister, der ihm am nächsten stand...bis er sich mit neunzehn Jahren auf einem Jagdausflug eine schwere Knieverletzung zuzog, an der er schließlich starb. 

Ihm war weder eine lange Wirkungszeit vergönnt, in der er womöglich eigene Werte und Leistungen hätte schaffen können, noch die Chance auf eine glückliche, mit überlebenden Kindern gesegnete Ehe.

Heute kann ich nur für ihn hoffen, dass man ihn in seinem neuen, voll klimatisierten und elektronisch überwachten Sarkophag aus Panzerglas, der im Nationalmuseum in Kairo thront, endlich ruhen lässt! 
 



12.02.2023 - Aus der Welt der bildenden Künste - Mein Exkurs ins (fast) Unbekannte
Meine neue Artikelreihe handelt von einem Gebiet, zu dem ich bisher nur selten meinen Senf hinzugegeben habe: den bildenden Künsten, der Art, wie sie die Welt und ihr Umfeld abbilden, und wie sie von Menschen wahrgenommen werden. Nicht zuletzt, weil ich von Malerei, Bildhauerei und sonstigen darstellenden Künsten nicht viel verstehe, nur das, was mir mein Sehsinn und allgemeines Empfinden zu Zeichnungen, Graphiken oder Gemälden aus einer bestimmten Epoche oder von einem bestimmten Künstler sagt. Doch um meinen Horizont nicht in eine zu einseitige Richtung zu entwickeln, habe ich zu Beginn dieses Jahres beschlossen, auf diesem Gebiet etwas für meine Bildung zu tun. In diesem Zusammenhang möchte ich lobend erwähnen, dass die staatlichen Museen und Gemäldesammlungen nach wie vor vom bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus getragen und gefördert werden, so dass für alle Münchner Museen, die den Titel "staatlich" oder "Pinakothek" in ihrem Namen tragen, der Eintrittspreis an Sonn- und Feiertagen lediglich 1,-- Euro beträgt. Dies zu wissen, mag durchaus relevant für Leute sein, die Geist und Seele gerne bilden möchten, aber auf Grund der teuren Zeiten dafür nur wenig Geld übrig haben. Begonnen habe ich meine Expedition ins (fast) Unbekannte mit einer Ausstellung, die aktuell noch in der Pinakothek der Moderne zu sehen ist: "Emil Nolde - Meine Art zu malen"; und somit steht diese auch am Anfang meiner Artikelreihe - oder eher die Gedanken, die mir auf meiner Wanderung durch die Ausstellung und beim Betrachten der beiden dicken Werkskataloge durch den Kopf gingen.


Emil Nolde - Meine Art zu malen


Leider sind von dem ebenso umfang- wie abwechslungsreichen Oeuvre, das Emil Nolde der Nachwelt hinterlassen hat, in der Pinakothek der Moderne nur wenige Gemälde ausgestellt, so zum Beispiel der noch impressionistische, unerwartet leicht und anmutig wabernde Frühling im Zimmer, in dem Nolde die Schauspielerin Ada Nielsen porträtiert hat, mit der er zu dieser Zeit noch nicht lange verheiratet war; das Bildnis einer jungen Frau, zwei Stilleben mit Sonnenblumen, der Tanz um das Goldene Kalb, und zwei Graphiken, Die Schriftgelehrten und Der Prophet. Alles in allem beschränken sich die Werke, die gezeigt werden, auf einen Saal.

Doch wie aus den beiden umfangreichen Werkskatalogen hervorgeht, die im ersten Stock als Ansichtsexemplare in einem kleinen Ruhesalon ausliegen, hat Nolde viel mehr gemalt: Menschen und Tiere aus dem Orient und aus der Südsee, Szenen aus der Bibel, jede Menge Blumen, allein, in Vasen oder Beeten, und vor allem immer wieder die Nordseeküste mit ihren dramatischen Formen und Lichteffekten am Himmel und auf dem Meer, mit ihren Leuchttürmen auf einer Düne oder Warft, und mit ihren Windmühlen im flachen, endlos weiten Marschenland.

Emil Nolde zählt zu den bekanntesten Vertretern des deutschen Expressionismus, gleich neben Franz Marc und Max Beckmann, für den in der Pinakothek der Moderne eben erst eine große Retrospektive eröffnet worden ist, Departure
Doch während ich vor den Gemälden von Franz Marc meist ein wenig ratlos stehe, weil sie für meine Augen eine Spur
zu schräg und abstrakt herüberkommen, und jene von Max Beckmann mit ihrer aggressiven, verstörenden, eigentümlich kalten Bildersprache auf mein Gemüt dieselbe Wirkung haben, als würde jemand in Styropor herumpulen und es zum Quietschen bringen, muss ich sagen, dass mich die Werke von Emil Nolde fast ausnahmslos in einem positiven Sinn ansprechen und mitnehmen. 

Gewiss sind auch bei ihm die Farben und Kontraste wild und grell; gewiss sind auch bei ihm die Gesichter und Gestalten der porträtierten Menschen teils vereinfacht und vergröbert, teils überdimensioniert, wie man es generell vom Expressionismus kennt.  Doch die starken, klaren, leuchtenden Farben, die sich wie ein roter Faden durch Noldes Art zu malen ziehen, saugen mich fast ausnahmslos in jedes Bild hinein, als seien sie alle Guckfenster, die mit einer starken Taschenlampe ausgeleuchtet sind, so dass man durch sie hindurch den Wesenskern eines Menschen oder einer Landschaft sehen kann. 

Irgendwie sprechen seine Farb- und Formrhythmen zum Betrachter, wecken Erinnerungen und Empfindungen, die sonst tief auf dem Grund des Bewusstseins schlummern, aber jetzt und hier geweckt werden, sich lösen und zur Oberfläche emporsteigen. Und auch wenn die Gesichter und Körper von Noldes Menschen in ihren Dimensionen und Proportionen verzerrt und übertrieben sind, sprechen vor allem ihre Augen und Münder den Betrachter unmittelbar an, lösen in ihm ein Gefühl der Vertrautheit, des Wiedererkennens aus.

Seit der Epoche des Sturmes und Dranges haben sich deutsche Dichter, Denker und Maler mit dem
"Urgrund der Seele" befasst und versucht, ihn spürbar und sichtbar zu machen; ein Begriff, der sich von der Romantik über den Impressionismus und Jugendstil bis hin zum Expressionismus gleich einem roten Faden durch ihr Schaffen zieht. Und ich finde, dass Emil Noldes Gemälde, ob Porträts, Blumen oder Landschaften, mit ihren klaren, eindeutigen Farben, ihrem Spiel mit Licht und Schatten, ihren plakativen, aber nie harten oder schroffen Formen eben jenen Urgrund der Seele in uns ansprechen, die eine oder andere Saite in uns zum Klingen bringen.  
   
Doch leider geht die Ausstellung nur am Rande auf die Art und Weise ein, wie seine Bilder entstanden, was ihn antrieb und seine schöpferischen Gestaltungsprozesse mitprägte; was ihn veranlasste, seine Farben so aufzutragen und zu jener Form werden zu lassen und nicht anders.

Der Tenor dieser Ausstellung läuft darauf hinaus, anhand seiner Briefe, Notizen und öffentlichen Stellungnahmen nachzuweisen, dass Nolde ein überzeugter Nationalsozialist und Antisemit war; und ich streite nicht ab, dass dies seine Einstellung und Gesinnung war, die er in diesen Beweisen offenkundig zeigte. 

Doch nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, das für Deutschland mit bitteren Verlusten einherging, und im Zuge der Weltwirtschaftskrise, die weite Teile der Bevölkerung in Not und Armut stürzte, war Emil Nolde nur einer von vielen, in deren Geist und Gemüt die Parolen der aufkommenden Nationalsozialisten Wurzeln schlugen und, begünstigt von einer allgegenwärtigen Atmosphäre der Ohnmacht und Entrechtung, einen Nährboden fanden, in dem sie aufkeimten.

Dass Nolde in der "völkischen Bewegung" und ihren Sprachrohren und Institutionen, die Tag für Tag verkündeten, sie würden Deutschland und die Deutschen wieder groß machen und zu Ruhm, Geltung und Rang verhelfen, die kommende Siegermacht sah, auf den Trend aufsprang und sich mit nach oben tragen ließ, war von 1920 bis 1945, als der Zweite Weltkrieg endete, keine Ausnahmeerscheinung. 

Das Gedankengut des Nationalsozialismus infiltrierte alle Bevölkerungsschichten, egal, ob arm oder reich, jung oder alt, bildungsfern oder kultiviert, und wurde in Windeseile zur allgemein anerkannten öffentlichen Meinung.

Und wer da meint, Nolde und viele andere seiner Zeitgenossen moralisch aburteilen zu können, sollte sich in unserer Zeit umsehen und umhören. 

Wer kommt denn derzeit voran und nach oben? Jede und jeder, die/der in den allgemeinen Chor einstimmt, der die Parolen unserer Zeit in die Welt hinausposaunt: "Transformation auf allen Ebenen!" "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!" "Digitaler Wandel!" 

Hinterfragt die Mehrheit der Bevölkerung solche Schlagworte, vor allem deren propagierte Notwendigkeit und Alternativlosigkeit? Misst irgendjemand solche Schlagworte an Werten wie Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Menschenwürde? Nein! Die Mehrheit der Menschen in unserem Land trägt diese Parolen mit und plappert sie nach,
nicht selten, um die eigene Haut zu retten und nicht unterzugehen. 

Denn - und das ist das Fatale und Perfide an jeder ideologischen Bewegung - wenn bestimmte Begriffe und Parolen nur von allen verfügbaren Medien tagtäglich immer wieder verkündet und wiederholt werden, erfassen und durchdringen sie binnen kürzester Zeit alle Altersstufen, Bildungs- und Gesellschaftsschichten und entwickeln bald eine derartige  Dynamik und Machtfülle, dass jene, die mahnen und warnen, untergehen und machtlos verstummen.

Oder - und das ist das Teuflische an jeder ideologischen Bewegung, die allgegenwärtig und damit in gewisser Weise allmächtig wird - den Mahnenden und Warnenden wird das Wort schneller im Mund herumgedreht, als sie schauen können, und dann stehen sie als Ewig-Gestrige, als Vertreter inakzeptabler Ansichten und Gesinnungen am Pranger, die es zu eliminieren gilt.

Ob in der Epoche des Nationalsozialismus die Parole hieß: "Deutschland, Deutschland über alles" und Juden als "volkszersetzende Schädlinge" und die Wurzel allen Übels verleumdet und verdammt wurden, oder ob heute die Parole heißt: "Bewahrung der Schöpfung", und es heute die Generation der "OK Boomer" ist, der die Schuld an der drohenden Katastrophe zugeschrieben wird und deren Haltung und Lebensweise - und damit letzten Endes ihr Sein - eliminiert werden soll: 

Ich sehe in der Absolutheit von Leit- und Feindbildern und ihren Auswirkungen auf jede und jeden Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes keinen Unterschied.

Wenn es sich heute herausstellt, dass Emil Nolde ein Nazi und Antisemit war, dann war er es nicht allein. Es gab mehr als genug Prominente, die mitmachten: Günter Grass, Gustav Gründgens, Heinrich George, Heinz Rühmann... Sie alle haben sich den Mächtigen gebeugt und sich von ihrem Propaganda-Apparat vereinnahmen lassen, die einen mit deutlichen, unmissverständlichen Schlagworten, die sie selbst von sich gaben, die anderen eher in schweigender Zustimmung und Akzeptanz.

Es ist leicht, aus der sicheren Distanz von achtzig und mehr Jahren zu urteilen und zu sagen, was die richtige Gesinnung und Haltung ist. Doch wie kann man sie aufrecht erhalten, wenn man einer Macht gegenübersteht, die einem mit wenigen Maßnahmen ihres Systems alles nehmen kann, wenn man nicht spurt und sich in Reih und Glied einreiht?

Wie würde jede und jeder Einzelne von uns entscheiden, wenn sie/er vor die Wahl zwischen Fortbestand und Überleben oder Gewissen und Menschlichkeit gestellt ist? Wenn der Druck von oben und von außen greifbar und spürbar wird?

Und wer sich dem Unrecht nicht beugt, sich ihm kraft seiner Überzeugung entgegenstellt - wie lange reicht das Durchhaltevermögen, bis sie oder er zerbricht oder sich seinerseits an seinen Mitmenschen schuldig macht, nur auf andere Weise?
 



27.12.2022 - Was einem so schmeckt / Was man so riecht
Als ich vierzehn Jahre alt war, nahm unsere Musiklehrerin unsere Mädchenklasse einmal zu einem Busausflug nach Bayreuth mit. Im Rahmen unserer Tour besichtigten wir das Markgräfliche Opernhaus, das Richard-Wagner-Festspielhaus auf dem Grünen Hügel, und die von festlicher Musik begleiteten Kaskaden- und Fontänenspiele in einer künstlich angelegten Grotte im weitläufigen Barockpark der Eremitage. Zum Abschluss, der für uns Mädchen der wahre Höhepunkt des Tages war, führte uns unsere Musiklehrerin in ein chinesisches Restaurant, wo wir zum ersten Mal in unserem Leben die sauer-scharfe Gemüsesuppe kennenlernten, die man in einer kleinen weiß-blauen Tasse serviert bekommt und mit einem kleinen dicken Porzellanlöffel isst; und für jeden Vierertisch gab es je eine Platte mit süßsaurem Schweinefleisch und eine mit herzhaftem Rind, dazu jeweils reichlich Gemüse, so wie es noch heute in chinesischen Restaurants üblich ist. Bei dieser Gelegenheit brachte uns unsere Lehrerin auch bei, wie man mit Stäbchen isst. Auch wenn ich an diesem Tag meine Stäbchen beim Essen mehrmals beiseite legen und meine Finger ausschütteln musste, weil ich einen Krampf in meiner rechten Hand bekam, war dieses Mittagessen für mich die Einweihung in die Welt der kulinarischen Genüsse; und seit diesem Tag war und bin ich für gutes Essen aus aller Herren Länder jederzeit zu haben.


Was einem so schmeckt


Es muss Ende der 1970er Jahre gewesen sein, als es vor dem Schützenhaus bei unserem alljährlichen Wiesenfest in einer der Jahrmarktsbuden erstmals Pizza zu probieren gab, als besondere, neuartige Delikatesse. Noch heute erinnere ich mich daran, dass an dem Geschmack dieses Schinken-Käse-Dreiecks nichts Besonderes war; es schmeckte nur ziemlich salzig. Doch bald darauf eröffnete im Feilenhauer die erste Pizzeria in unserer kleinen Stadt.

Als ich vierzehn Jahre alt war, nahm unsere Musiklehrerin unsere Mädchenklasse einmal zu einem Busausflug nach Bayreuth mit. Im Rahmen unserer Tour besichtigten wir das Markgräfliche Opernhaus, das Richard-Wagner-Festspielhaus auf dem Grünen Hügel, und die von festlicher Musik begleiteten Kaskaden- und Fontänenspiele in einer künstlich angelegten Grotte im weitläufigen Barockpark der Eremitage.

Zum Abschluss, der für uns Mädchen der wahre Höhepunkt des Tages war, führte uns unsere Musiklehrerin in ein chinesisches Restaurant, wo wir zum ersten Mal in unserem Leben die sauer-scharfe Gemüsesuppe kennenlernten, die man in einer kleinen weiß-blauen Tasse serviert bekommt und mit einem kleinen dicken Porzellanlöffel isst; und für jeden Vierertisch gab es je eine Platte mit süßsaurem Schweinefleisch und eine mit herzhaftem Rind, dazu jeweils reichlich Gemüse, so wie es noch heute in chinesischen Restaurants üblich ist. Bei dieser Gelegenheit brachte uns unsere Lehrerin auch bei, wie man mit Stäbchen isst.

Auch wenn ich an diesem Tag meine Stäbchen beim Essen mehrmals beiseite legen und meine Finger ausschütteln musste, weil ich einen Krampf in meiner rechten Hand bekam, war dieses Mittagessen für mich die Einweihung in die Welt der kulinarischen Genüsse; und seit diesem Tag war und bin ich für gutes Essen aus aller Herren Länder jederzeit zu haben.

Bis heute ist es für mich ein besonderer Genuss, mich auf dem Sommer- oder Winter-Tollwood, dem Afrika-Festival (sofern es in München auf der Theresienwiese stattfindet) oder auf dem Weihnachtsmarkt an der Münchner Freiheit quer durch die Stände und Buden zu naschen, aus denen es brodelt, brutzelt, dampft und zischt.

Seit ich in und um München in meinen eigenen vier Wänden hause, habe ich selbst in meiner Küche mit Gewürzen und Kräutern China-Pfannen und Currygerichte mit Reis, bunte Sommersalate, Zwiebel- und Hackfleischtorten zusammengebastelt, zu denen ich meine Münchner Freunde an dem einen oder anderen Wochenende als Versuchskaninchen einlud; und bisher sind die Resultate meiner Kochexperimente immer recht gut angekommen, wenn ich ein Gericht zum ersten Mal zubereitete.

Es macht mir Freude und Vergnügen, wenn die Vielfalt an Kräutern und Gewürzen, an denen unsere Welt so reich ist, mir Zunge und Gaumen kitzelt; und dasselbe gilt auch, wenn ich in einer neuen Region oder gar einem neuen Land die Kuchen- und Tortenspezialitäten probiere oder im Großraum München von einem neuen Spezialitätenrestaurant höre oder lese.

Denn  wenn in einer Gaststätte alles stimmt, entsteht beinahe ein Gesamtkunstwerk:

Da ist die gehoben-festliche Einrichtung der Gaststube, ob man nun in einem indischen Restaurant die buntbestickten Wandteppiche betrachtet oder beim Afghanen die dicken farbenprächtigen Sitzpolster und die vielfach verschnörkelten gusseisernen Lämpchen auf den Tischen, oder beim Griechen die großformatigen Wandbilder von Santorin, Rhodos oder Kreta und dazu das türkisblaue Meer der Ägäis und der sonnendurchflutete Himmel.

Dann kommen die auf dem Serviertablett geschmackvoll und gediegen angerichteten Speisen, und schließlich, bei einem Aperitif oder einem guten Wein im Glas, der bewusste und bedächtige Genuss für mich selbst oder in geselliger Runde.

Für mich gibt es kaum eine preisgünstigere und zugleich angenehmere Art, um die Welt zu reisen...

 

Was man so riecht


Vorweg muss ich zugeben, dass bei mir der Geruchssinn gute fünfundzwanzig Jahre meines Lebens zu kurz gekommen ist.

Dies hängt damit zusammen, dass in meiner Kindheit und Jugend von Anfang Mai bis Ende Juli/Anfang August jedes Mal, wenn ich vor einer blühenden Wiese oder einem Getreidefeld stand, meine Nase um die Wette lief und ich mich in mehrere Minuten anhaltenden Niesanfällen erging. Und das Nasenspray, das ich während meiner Kindheit und Jugend gegen meine Heuschnupfenattacken verschrieben bekam, linderte zwar den Niesreiz, griff aber zugleich meine Nasenschleimhaut an, so dass sie jedes Mal anschwoll und stumpf und taub wurde.

So kam es, dass man mich jahrzehntelang auf einen Duft oder Geruch hinweisen musste: "Riecht dieses neue Parfüm nicht geil?" oder "Was für ein Mief! Riechst du das auch?"
Und jedes Mal musste ich meinen Geruchssinn bewusst aktivieren, um einen Geruch oder Duft, der in der Luft lag, überhaupt wahrzunehmen.

Doch seit meinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr nehme ich ab Anfang März zur Vorbeugung die homöopathischen Heuschnupfentropfen der DHU; und der Cocktail aus Gräser-, Blüten- und Getreidepollen, den ich mir über acht Wochen hinweg Tag für Tag einverleibe, sorgt dafür, dass die Heuschnupfensymptome im Frühjahr und Sommer zwar nicht völlig weg, aber auf ein Minimum reduziert sind. Und seit meine Nase den Sommer über Ruhe gibt, ist es mir auch möglich, an der Welt der Düfte und Aromen teilzuhaben und sie zu genießen.

In der Küche zum Beispiel zählen zu meinen Lieblingsaromen gemahlener Kaffee, frisch gepresster Orangensaft oder das mediterrane Quartett Basilikum, Oregano, Rosmarin und Thymian in einer Hackfleischpfanne, die auf dem Herd vor sich hin schmurgelt.

Eine andere Fundgrube für Düfte ist für mich der Botanische Garten, der unmittelbar an den Nymphenburger Schlosspark grenzt. Eines der großen gläsernen Gewächshäuser im Zentralbereich nahe beim Haupteingang ist das Orchideenhaus, und manche der zum Teil winzigen Blüten, die auf den Zweigen und Ästen anderer Bäume wurzeln und wachsen, verströmen einen lieblichen, ja geradezu betörenden Duft, in den ich meinen Riechkolben gerne versenke.

Ebenso geht es mir mit den Flieder- und Hyazinthenstauden im Freigelände, Dort kommt ihr Duft meiner Meinung nach auch am besten zur Geltung; in geschlossenen Räumen wird er auf die Dauer zu schwer und zu schwül.

Ein besonderes Dufterlebnis sind auch immer die Edelrosen zur Zeit der Rosentage, die Ende Juni im Wintergarten stattfinden, ein separates Gewächshaus, das neben den großen zusammenhängenden Gewächshäusern liegt. In riesigen Sträußen, Spalieren und kunstvollen Arrangements erfüllen die Edelrosen die beiden großen Pavillons des Wintergartens mit ihrer Farbenpracht und ihrem erlesenen Duft.

Eine meiner Freundinnen ist im Gegensatz zu mir mit einem hochempfindlichen Geruchssinn ausgestattet - sie riecht das frisch gewienerte Leder neuer Schuhe noch nach vier Wochen -, so dass sie einen ihr unangenehmen Duft in einem geschlossenen Raum nur schwer ertragen kann.

Auch ich gebe zu, dass ich schwere, süße, lastende Düfte beklemmend, wenn nicht gar erdrückend finde; doch eine Duftnote gibt es, mit der man mich aus jedem Raum vertreiben kann, falls man es darauf anlegt: 4711, das Original Kölnisch Wasser. NIe habe ich diesen Duft anders als penetrant, ja geradezu erstickend süßlich empfunden.

Doch vermutlich geht es mir nur deshalb so, weil mir als Kind auf langen Autofahren öfters übel wurde und ich jedes Mal ein paar Erfrischungstücher in die Hand gedrückt bekam, die, wie sich manche meiner Leserinnen und Leser noch erinnern werden, mit Kölnisch Wasser getränkt waren. Es ist nicht gerade angenehm, wenn ein bestimmter Duft mit Übelkeit zusammenhängt...

Doch von dieser einen Duftnote abgesehen, finde ich neben einem guten Essen kaum etwas angenehmer, als auf der Auer Dult oder einem anderen Markt vor einem Stand mit Duftölen und -seifen zu stehen und mich durch die Welt der verlockenden Düfte zu schnuppern.

Mein Lieblingsduft ist Lavendel, leicht und herb; dicht gefolgt von Minze, frisch und belebend, aber nicht penetrant, und Magnolie, lieblich,aber nicht zu süß.

Kurz gesagt, die Düfte, die ich mag, haben etwas Frisches und Herbes, erinnern mich immer ein wenig an einen Wald oder eine Wiese bei Sonnenaufgang im Morgentau, wenn die ersten Strahlen durch den dichten Baldachin der Äste und Zweige dringen und das Gewölbe des Waldes mit ihrem leicht dunstigen Licht erfüllen.



27.12.2022 - Was man so hört
Wenn ich mich recht entsinne, muss ich etwa elf Jahre alt gewesen sein, als ich zu meinem neuen Radio-Kassettenrecorder zu Weihnachten die damals völlig neuartige Erstaufnahme der "Rock Symphonies" geschenkt bekam, arrangiert und eingespielt vom London Symphony Orchestra. Wie ich es im Kapitel Freude an der Musik in meiner autobiographischen Sammlung "Weggefährten - Eine kleine Dankmusik" geschildert habe, gingen und gehen im Fließen und Dahinströmen von Melodien und in Klangstrukturen, die Streich- und Blasinstrumente weben wie die vielfarbige Textur eines Teppichs, vor meinem inneren Auge ganze Welten auf. In den rauschenden Kadenzen der Streicher und im Glitzern und Perlen der Holzbläser erscheint vor meinem geistigen Auge ein Wasserfall, der von einem Berghang herabstürzt; in den treibenden, vorwärts drängenden Rhythmen der Pauken, Trommeln und Becken taucht vom Grund meines Bewusstseins die Gestalt eines Reiters auf einem feurigen Pferd empor, das in rasendem Galopp über Stock und Stein prescht. Im drängenden Rauschen und Dröhnen der Celli und Kontrabässe entsteht das Bild eines Waldsees in der Morgendämmerung, aus dem dampfende Nebelschwaden emporquellen und die dunkel und schemenhaft aufragenden Wipfel der Bäume in mystisch-geheimnisvolles Grau und Weiß hüllen.


Was man so hört


Während mich das Auge im Sinne des Erfassens von Buchstaben, die sich zu Worten und Bildern formen, seit meiner frühen Kindheit begleitet hat, brauchte ich etwas mehr Zeit, bis mir die Ohren über den Wohlklang vor allem der Musik aufgingen, obwohl mein Gehör in meiner Kindheit äußerst fein war, um nicht zu sagen gegen schrille, grelle Geräusche und Lärm äußerst empfindlich.

Wenn ich mich recht entsinne, muss ich etwa elf Jahre alt gewesen sein, als ich zu meinem neuen Radio-Kassettenrecorder zu Weihnachten die damals völlig neuartige Erstaufnahme der Rock Symphonies geschenkt bekam, arrangiert und eingespielt vom London Symphony Orchestra.

Wie ich es im Kapitel Freude an der Musik in meiner autobiographischen Sammlung Weggefährten - Eine kleine Dankmusik geschildert habe, gingen und gehen im Fließen und Dahinströmen von Melodien und in Klangstrukturen, die Streich- und Blasinstrumente wie die vielfarbige Textur eines Teppichs weben, vor meinem inneren Auge ganze Welten auf.

In den rauschenden Kadenzen der Streicher und im Glitzern und Perlen der Holzbläser erscheint vor meinem geistigen Auge ein Wasserfall, der von einem Berghang herabstürzt;
n den treibenden, vorwärtsdrängenden Rhythmen der Pauken, Trommeln und Becken taucht vom Grund meines Bewusstseins die Gestalt eines Reiters auf einem feurigen Pferd empor, das in rasendem Galopp über Stock und Stein prescht.

Im dunklen, drängenden Rauschen und Dröhnen der Celli und Kontrabässe entsteht das Bild eines Waldsees in der Morgendämmerung, aus dem dampfende Nebelschwaden emporquellen und die dunkel und schemenhaft aufragenden Wipfel der Bäume in mystisch-geheimnisvolles Grau und Weiß hüllen.

Seit dieser Zeit entwickelte ich ein recht gutes Gehör und Gedächtnis für Lieder und Instrumentalmelodien; ja, wenn mir ein Lied oder eine Melodie besonders gut gefiel, tönte sie noch lange danach in meinem inneren Ohr weiter; ein Phänomen, das mir bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben ist.

Noch heute kann mich ein Lied oder ein Instrumentalstück, das meinen Ohren zusagt, durch einen ganzen Tag tragen, und ich verweile gerne in den Melodiefragmenten, die in mir nachhallen, wenn es meine Zeit zulässt.

Selten geschieht es, dass eine bestimmte Gattung der Musik mir nichts gibt oder dass ich vor ihr sogar das Weite suche.

Letzteres ist bei mir der Fall, wenn ich grelle, lärmende Blechblasinstrumente zu hören bekomme. Das grelle, schmetternde Herausplatzen der Trompeten und Posaunen bei Militärparaden oder volkstümlichen Musikkapellen zum Beispiel behagt meinen Ohren ganz und gar nicht, und noch schlimmer ist es, wenn sich der schrille, durchdringende Ton mehrerer Quer- oder Piccoloflöten erhebt; da zieht es mir im unangenehmen Sinn die Gänsehaut auf.

Rap und auch Techno wiederum sind zwei musikalische Gattungen, die mir zwar nicht widerstreben, mit denen ich aber auch nicht viel anfangen kann.

Rap klingt für mich immer so, als würde ein Ghetto-Kid aus den Straßén der Bronx das Neueste vom Tage berichten, während dazu im Hintergrund ein mechanisch-elektronischer Rhythmus in Dauerschleife läuft.

Und bei dem Gehämmer und Getöse von Hardcore-Techno habe ich immer den Eindruck, in der Werkshalle einer Metallfabrik vor einer Maschinenstraße zu stehen, die im Schichtbetrieb auf Hochtouren pocht und hämmert.

Musik darf in meinen Ohren durchaus vielschichtig und vielfältig in ihren Klangfarben und –facetten sein, ist aber für mich unauflöslich mit Wohlklang und Harmonie verbunden und wird es wohl auch bleiben....



27.12.2022 - Was man so sieht
Nichts hat mir als Kind mehr Freude bereitet, als in Modekatalogen zu blättern und schöne Frauen zu betrachten, die wohlfrisiert und -geschminkt und tadellos gekleidet waren. In ihrer Haltung und ihrer Mimik lag eine stille Freude und eine Ausstrahlung, als wüssten sie genau um ihren Wert und ihren Platz auf dieser Welt. Wenn ich eine festlich gedeckte und geschmückte Tafel mit Braten und Beilagen, einen Obstsalat in einer großen Glasschüssel oder eine bunt gemusterte Obsttorte auf einer Kuchenanrichte sah, begeisterte mich allein das Bild, das sich meinem Auge bot, und stimmte mich auf die bevorstehenden Gaumenfreuden ein. Doch mehr als alles andere liebte und liebe ich die Welt der Worte, die sich auf Papier aneinanderreihen; Worte, aus denen sich Sätze formen, und Sätze, die eine Landschaft, ein Gebäude, die Gestalten von Menschen, Gespräche und Szenen vor meinem geistigen Auge wachrufen - auf gut Deutsch eine Welt, die in die Vorder- und Rückseite eines Buches eingebunden war und sich immer wieder aufs Neue auftat, sobald ich das Buch aufschlug. Allerdings gebe ich zu, dass sich mir erst im jungen Erwachsenenalter der Sinn für das Schöne erschloss. Unter "schön" verstehe ich eine anmutige, dem Auge wohlgefällige Form und/oder Farbe im optimalen Licht sowie die Zusammenstellung und das Zusammenwirken von Farben und Formen.


Was man  so sieht


Auch wenn meine Augen nicht die besten sind, ist für mich das Sehen der wichtigste Sinn überhaupt.

Nichts hat mir als Kind mehr Freude bereitet, als in Modekatalogen zu blättern und schöne Frauen zu betrachten, die wohlfrisiert und -geschminkt und tadellos gekleidet waren.
In ihrer Haltung und ihrer Mimik lag eine stille Freude und eine Ausstrahlung, als wüssten sie genau um ihren Wert und ihren Platz auf dieser Welt.

Wenn ich eine festlich gedeckte und geschmückte Tafel mit Braten und Beilagen, einen Obstsalat in einer großen Glasschüssel oder eine bunt gemusterte Obsttorte auf einer Kuchenanrichte sah, begeisterte mich allein das Bild, das sich meinem Auge bot, und stimmte mich auf die bevorstehenden Gaumenfreuden ein.

Doch mehr als alles andere liebte und liebe ich die Welt der Worte, die sich auf Papier aneinanderreihen; Worte, aus denen sich Sätze formen, und Sätze, die eine Landschaft, ein Gebäude, die Gestalten von Menschen, Gespräche und Szenen vor meinem geistigen Auge wachrufen - auf gut Deutsch eine Welt, die in die Vorder- und Rückseite eines Buches eingebunden ist und sich immer wieder aufs Neue auftut, sobald ich das Buch aufschlage.

Allerdings gebe ich zu, dass sich mir erst im jungen Erwachsenenalter der Sinn für das Schöne erschloss. Unter "schön" verstehe ich eine anmutige, dem Auge wohlgefällige Form und/oder Farbe im optimalen Licht sowie die Zusammenstellung und das Zusammenwirken von Farben und Formen.

Es war in Italien, genau gesagt in Venedig, wo mir wirklich die Augen aufgingen: wenn eine marmorweiße Villa in leuchtendes, wogendes Grün gebettet ist, ein Anblick, den man auf dem Lido des öfteren zu sehen bekommt; wenn das seidene Polster eines Sessels oder Sofas in sonnendurchstrahltem Türkis oder dunklem, intensivem Flaschengrün leuchtet; oder wenn die Umrisse einer Marmorskulptur so glatt und weich schimmern, als könne sie jeden Augenblick zu warmem, von Blut durchpulstem Leben erwachen.

Später in meinem Leben war es einmal eine Zeitlang Mode, in einem Buch die Linien und Flächen vorgezeichneter Graphiken mit Farben auszumalen, eine Kunst, die auf den Mandalas beruht, die größtenteils unbekannte Künstler in den buddhistischen Klöstern Indiens, Tibets oder des alten China erschaffen und sich in ihrem Farben- und Formenreichtum als wahre Meister erwiesen haben. Auch faszinieren mich die ebenfalls zum Großteil unbekannten Designer, die an Wänden oder Treppenaufgängen von Kathedralen, Klöstern oder Villen in Portugal und Spanien die Farb- und Formenrhythmen der Azulejos entweder abstrakt für sich selbst sprechen ließen oder sie zu konkreten, gegenständlichen Bildern zusammensetzten.

Und um die geschmackvolle, das Auge ansprechende Zusammenstellung von Farben und Formen zu würdigen, muss man sie bewusst sehen und das Gesehene zu schätzen wissen…

Als ich auf Grund meiner Linsenpanne, die ich in meiner Einleitung geschildert habe, zwei Wochen lang nur Umrissen, Formen und Flächen, aber keine Details zu sehen vermochte und meine Kontaktlinsen zwei Tage vor Heiligabend endlich wieder in den Augen hatte, sah ich das dunkelbraune Holz der Buden und Stände, umrahmt vom satten, dunklen Grün der Fichtenzweige und vom goldenen Funkeln und Glitzern der Lichterketten, die in die Zweige geflochten waren, bewusster denn je.

Am gleichen Vormittag war ich oben im Café Münchner Freiheit, im vierten Stock der Galeria am Marienplatz. Zwar schaffte ich es diesmal nicht bis an eines der Fenster mit direktem Blick auf den Rathausturm; sie waren alle schon besetzt, als ich kam. Dafür sah ich diesmal das aufgefaltete Schieferdach des Rathauses mit seinen silbergrauen Türmchen, die mit fein ziselierten Ranken, Blüten und Spitzen verziert sind; und mir war bewusst, etwas Einzigartiges und Schönes zu sehen.

Allein diese Augenblicke waren in diesem Jahr ein besonderes Weihnachtsgeschenk für mich!