IV. Kreative Anstöße aus Fernost - Aus der Welt der Mangas und Animés
Kurioserweise habe ich durch den Besuch der Frankfurter und der Leipziger Buchmesse in den Jahren 2017 und 2018 auch erstmals die Welt der Cosplayer kennengelernt, die wiederum eng mit jener der japanischen Manga- und Animé-Serien verknüpft ist. Mangas sind gedruckte und gebundene Comics oder auch Graphic Novels, während Animés Zeichentrickfilme sind.
Auch bei uns in Deutschland werden seit Beginn der 2000er-Jahre inzwischen Manga-Reihen bzw. Graphic Novels aus Japan gelesen, und wie dort entstanden mit der Zeit auch bei uns Clubs, deren Mitglieder danach streben, einer bestimmten Figur aus einem Manga oder Animé in der äußeren Erscheinung so nahe wie möglich zu kommen.
Als ich nach meinem ersten Manga-Comic griff und darin blätterte, wurde ich wie alle Neulinge auf die Tatsache gestoßen, dass man Mangas anders liest, als wir Europäer es gewohnt sind, nämlich in der Anordnung der japanischen Schrift. Das hei8t, Mangas liest man von hinten nach vorne, von rechts nach links und von oben nach unten.
Als ich dies zum ersten Mal versuchte, säuselte mir von der Anstrengung und Umstellung das Hirn; doch hat man sein erstes Comic-Heft oder Buch durch, wird es einfacher, weil man die Regeln ziemlich rasch verinnerlichen kann.
Ein Cosplayer zu sein, kann mitunter recht teuer werden, denn die Fans einer bestimmten Comic- oder Filmreihe besorgen oder nähen sich nicht nur die entsprechenden Kostüme und tragen die Frisur ihrer Lieblingsgestalt; sie basteln oder kaufen sich auch die Accessoires oder Waffen, die solch eine Lieblingsgestalt meist ständig bei sich trägt.
Bei uns sind es nicht nur die Helden der Mangas und Animés, sondern auch jene aus dem Star Wars-, Herr der Ringe- oder Harry Potter-Universum.
Wie auch immer, von meinem Ausflug in die Manga- und Cosplay-Welt nahm ich außer einem Comic-Band mein eigenes Samuraischwert mit, das es mittlerweile auch für Damen gibt; denn die Scheide meines Katana ist schwarz und mit pinkfarbenen Schmetterlingen verziert.
Allerdings besteht die Klinge meines Katana nicht aus zehnfach geschliffenem und gehärtetem Stahl, sondern nur aus federleichtem Holz und ist so stumpf, dass sie gerade einmal durch Butter schneidet, aber sonst nichts und niemandem Schaden zufügen kann.
Als letzten und langjährigsten Impuls, den ich durch die Kultur Japans vermittelt bekam, möchte ich noch etwas genauer auf die Animés, also die Zeichentrickfilme bzw. -serien zu sprechen kommen.
Wer in den 1970er Jahren ein Kind war, hatte bereits mit Japan Kontakt, ohne es zu bemerken, wenn sie oder er im Fernsehen Zeichentrickserien wie Heidi, Pinocchio oder Sindbad der Seefahrer anschauen durfte.
Die europäischen Vorlagen wurden von dem begnadeten Graphiker und Geschichtenerzähler Hayao Miyazaki und den Zeichnern seines Studio Ghibli in Bilder umgesetzt, wobei alle darauf achteten, dass die Charaktere und deren Entwicklung im Lauf der sich fortspinnenden Geschichte dem Original folgten, d.h. den Heidi-Romanen der Schweizerin Johanna Spyri, dem Pinocchio-Märchen von Carlo Collodi und Scheherazades Sindbad-Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht.
Hayao Miyazaki sah in diesen Geschichten faszinierende Stoffe, die einen großen Reichtum an Dramatik und Gefühlstiefe bergen und deren Charaktere nie nur gut oder nur böse sind, sondern stets sowohl helle als auch dunkle Wesenszüge in sich tragen; Wesenszüge und vor allem tiefgehende Emotionen, die einfach da sind und das Recht haben, sich zu zeigen.
Weiter ging es in den späten 1980er/frühen 1990er Jahren mit Serien wie Sailor Moon, wo sich chaotische und alles andere als perfekte Teenie-Mädchen, die alle brav die Schulbank drücken, in geheime Kämpferinnen verwandeln, oder Die Rosen von Versailles, wo es um einen weiblichen Offizier als persönliche Leibwächterin der Königin Marie Antoinette am Hof von Versailles geht.
Allerdings fanden sich reale, historisch belegte Persönlichkeiten am Hof von Marie Antoinette und Ludwig XVI. – allein die Hauptprotagonistin Lady Oscar und ihr Jugendfreund André sind erfundene Gestalten - in farben- und gefühlsstarken Traumsequenzen wieder, in denen sich ihre inneren Konflikte und Kämpfe mit sich selbst und anderen ausdrückten.
Zu Beginn der 2000er Jahre kamen auch Hayao Miyazakis große abendfüllende Filme zu uns in die europäischen Kinos, wie z.B. Das wandelnde Schloss, Chihiros Reise ins Zauberland oder Prinzessin Mononoké, um nur die bekanntesten zu nennen. Neben den wunderschönen Landschaftsbildern, Bauwerken und Häusern und der Tiefe und Wärme, mit der das Team von Miyazakis Studio Ghibli seine Geschichten erzählt, werden immer auch traurige wie auch grausam und brutal erscheinende Begebenheiten gezeigt.
Manchen Eltern in Europa und den USA erscheinen diese Bilder und diese Art zu erzählen als zu erschreckend und verstörend für die Seelen ihrer Kinder.
Andererseits: Zum einen sind kleine Kinder aus unserer Sicht nicht selten grausam und brutal, ohne dass es ihnen bewusst ist, wenn sie als Instinktwesen, die sie sind, miteinander kämpfen.
Und zum anderen: Wissen wir, was unsere Kinder in der alltäglichen, realen Welt verstört und erschreckt, sei es, dass es ihnen als riesengroß erscheint, in lichtloses, schwarzes Dunkel gehüllt ist, grässliche oder viel zu laute Geräusche von sich gibt? Was uns als Erwachsene nicht mehr berührt, ergreift und erschreckt sie vielleicht mehr, als wir ahnen.
Doch so heftig es auch in den Geschichten des Studio Ghibli zugeht, am Ende kommt es nach all den Mühen, Schrecken und Strapazen immer zu einer Lösung, die allen Beteiligten gerecht wird.
So darf Heidi von Frankfurt wieder in ihre so sehr geliebte und vermisste Schweizer Bergwelt zurückkehren, und später lernt ihre Freundin Clara in eben dieser Bergwelt wieder auf ihren Beinen zu stehen und zu gehen.
Nach allen Gefahren, Versuchungen, Bedrohungen und Verwicklungen wird aus der Holzpuppe Pinocchio tatsächlich ein Junge aus Fleisch und Blut.
So ungeschickt und kindisch sich die Teenie-Mädchen in Sailor Moon zuweilen auch anstellen, am Ende retten sie doch immer die Welt.
Und auch wenn Lady Oscar und ihr Jugendfreund André im Zuge der Französischen Revolution nicht mit dem Leben davonkommen, enden sie nicht in der Masse der Vielen, die der Guillotine zum Opfer fallen, sondern fallen beide in ihrem Einsatz für Freiheit und Gerechtigkeit, so dass ihr Leben und Tod einen Sinn hat.
So manches ist wahr an den Welten, die Hayao Miyazaki und seine Leute entworfen und uns vorgestellt haben; es sind zeitlose Geschichten, ja man kann sagen KIassiker, deren Gehalt und Wert erhalten bleiben wird.