Ein Vermächtnis für die Ewigkeit - Die Schätze des Tut-ench-Amun
Eine Ausstellung gibt es, die zuerst in der Kunsthalle und etliche Jahre später noch einmal in der Kleinen Olympiahalle präsentiert wurde: die Sarkophage und Grabbeigaben aus der Schatzkammer des Pharaos
Tut-ench-Amun. Sowohl die Geschichte, die dahinter steht, als auch die Exponate selbst haben mich in
ihren Bann gezogen und lange nach dem Besuch der Ausstellung beschäftigt.
Gerade jetzt wird in mir die Erinnerung daran wieder lebendig, so dass ich meine Eindrücke gerne noch einmal zusammenfasse und wiedergebe...
Ägypten, 1923.
Seit fünf Jahren gräbt sich der britische Altertumsforscher Howard Carter zusammen mit einem Team britischer und einheimischer Experten und Helfer durch die von der grellen Sonne der Wüste ausgedörrten Felsmassive im Tal der Könige, um die Richtigkeit seiner Annahme anhand eines realen Fundes nachzuweisen:
Hier, irgendwo in dieser grenzenlosen Einöde aus Sand und Stein, muss sich die noch unentdeckte und daher vollständig erhaltene Grabkammer des mit neunzehn Jahren verstorbenen Pharaos Tut-ench-Amun verbergen, Sohn des Echnaton und der Nofretete.
Doch bisher haben alle Grabungen an unterschiedlichen Orten kein sichtbares, greifbares Ergebnis erbracht, nur Sandstürme, Überschwemmungen durch unerwartete Regenfälle, die ausgetrocknete Täler plötzlich in reißende Ströme verwandelt haben, und Menschen, die an den Bissen von Schlangen oder Skorpionen starben.
Sein Mäzen und Sponsor, Lord Carnarvon, der Carters Expedition ins Tal der Könige bisher ausgestattet und finanziert hat, will die Grabungen einstellen und den Geldhahn endgültig zudrehen. Es ist Carter gerade noch gelungen, ihm eine letzte Woche Geduld abzuringen, dann ist es aus und vorbei...
Plötzlich stoßen die Spaten und Grabstichel der Helfer nicht mehr auf lockeren Fels und Sand, sondern auf Mauerwerk. Sie rufen Gefährten herbei, und gemeinssam legen sie eine zugemauerte Tür mit einem völlig intakten Siegel frei. Diese Tür, darüber ist sich Carter sicher, führt zu Tut-ench-Amuns Grabkammer!
Howard Carter sendet eine Depesche an Lord Carnarvon, der ihn eindringlich bittet, die Tür erst in seinem Beisein zu öffnen; er würde anreisen, so schnell es ihm möglich ist. Und bald trifft er bei der Ausgrabungsstätte ein.
Mittlerweile hat das Team die Tür freigeschaufelt und ein kreisrundes Loch oben am Türstock ausgehöhlt, durch das man ein Fernrohr führen und ins Innere der Grabkammer blicken kann. Carter hat das Fernrohr am Auge und späht hinein. "Sehen Sie etwas?" fragt Carnarvon ihn und neigt sich über seine Schulter. "Ja," antwortet er und wendet sich zu seinem Mäzen um. "Ich sehe wundervolle Dinge..."
Seit 1923, als Howard Carters Team sie ausgrub, sind die Schalen, Amphoren und Kelche, die Statuen von Schutzgöttern und Wächterinnen, der Streitwagen und die Waffen des Pharao und nicht zuletzt die drei ineinander gefügten Sarkophage und die riesige Goldmaske mit der Mumie Tut-ench-Amuns darunter jahrelang immer wieder um die Welt gereist, bis das Nationalmuseum in Kairo zu Beginn der 2000er Jahre beschloss, dass der Gottkönig und seine Schätze in Ägypten bleiben und ihre Heimat nicht mehr verlassen sollten.
Daraufhin haben Juweliere, Gold- und Silberschmiede, Restauratoren und Kunsthistoriker von den Sarkophagen, der Goldmaske und den Grabbeigaben originalgetreue Repliken angefertigt, die fortan anstelle der Originale weiter um die Welt reisen sollten.
Ihnen ist es gelungen, die zeitlose Schönheit der Statuen, des Geschirrs und der Sarkophage zu bewahren und auch den Ausdruck des liebevollen Respekts, mit dem sich seinerzeit das ägyptische Volk von seinem Gottkönig verabschiedet hat. Erhalten blieben damit auch die sicht- und greifbaren Beweise für den hoch entwickelten Kunstsinn einer der ersten großen Hochkulturen der Menschheit und für die sehr konkreten, anschaulichen Bilder, die sich die alten Ägypter vom Tod und vom Leben danach machten:
Erst die Prüfung, das Abwiegen des Herzens, um zu befinden, ob der Verstorbene überhaupt würdig war, die Reise ins Jenseits anzutreten; dann seine Vorbereitung und Zurüstung für die Reise mit der Barke unter dem großen Segel über den Strom, der die Welt der Lebenden mit jener der Toten verbindet und zugleich beide Welten voneinander scheidet; und schließlich das Leben des Verstorbenen im ewigen Reich, in dem er alles hat und genießt, was ihm bereits auf Erden gehörte...
Was ist von den vielen Legenden über den "Fluch des Pharao" zu halten, der all jene treffen sollte, die sein Grab aufbrachen, ausplünderten und so seine Totenruhe störten?
Aus dem Jahr 1923 ist belegt, dass es an dem Tag, als die Grabkammer geöffnet wurden, nach Einbruch der Dunkelheit in Kairo und dem näheren Umkreis ein Erdbeben gab, das zwar keine Häuser einstürzen ließ, aber dafür sorgte, dass die Stromversorgung versagte, so dass Kairo ein paar Stunden lang im Dunkeln saß.
Von Lord Carnarvon weiß man, dass er sich in der Nacht nach der Öffnung der Grabkammer beim Rasieren die Wange aufritzte, dass sich die Schnittwunde infizierte und er neun Tage später an Sepsis und einer von ihr verursachten Lungenentzündung starb.
Und Howard Carter brachte seine sensationelle Entdeckung zwar plötzliche Berühmtheit, aber kein dauerhaftes Glück. Britische Gelehrte, die ihr Wissen durch ihr Studium und im Zuge ihrer akademischen Laufbahn an einer Universität erworben und es sich nciht selbst angeeignet hatten, nahmen Carter trotz seines Erfolges nicht für voll. Und die Strapazen der jahrzehntelangen Ausgrabungsarbeiten unter der heißen Wüstensonne Ägyptens inmitten von Sand, Staub und Schutt untergruben seine Gesundheit, so dass Howard Carter frühzeitig an einem Blasenleiden, letzten Endes an Nierenversagen starb.
Was ich von diesem riesigen Kult halte, der um Tut-ench-Amun entstanden ist?
Nun, wenn ich über zweitausend Jahre lang in meinem Sarkophag friedlich geschlummert hätte und plötzlich irgendwelche Leute daherkämen, die mein Grab mit Äxten, Spaten, Pickeln und Sticheln aufhacken, mich mit rohen, gefühllosen Händen aus meinem Sarkophag holen und bei ihren Untersuchungen ständig und immer wieder an mir herumzerren würden, wäre ich auch sauer und würde ihnen heimleuchten!
Und all der Trubel und Rummel, der begonnen hatte, hörte jahre- und jahrzehntelang nicht mehr auf, so dass ich mich schließlich fragte: "Kann man diesen armen Jungen nicht einfach einmal in Frieden ruhen lassen?!"
Denn nach unserem heutigen Verständnis war Tut-ench-Amun, als er mit neunzehn Jahren starb, fast noch ein Teenie. Mit sechzehn Jahren wurde er mit seiner gleichaltrigen Cousine ersten Grades verheiratet, auch aus unserer heutigen Sicht eine Kinderehe, aus der zwei Töchter hervorgingen, die beide kurz nach der Geburt starben.
Mit zwölf Jahren wurde er bereits zum Pharao gekrönt, eher als Symbol für die Rückkehr der alten Götterwelt und der Priesterkaste mit ihren Ritualen und vor allem mit ihrem Einfluss und ihren Rechten. In Wahrheit waren sie es, die während seiner Regentschaft das Sagen hatten, sie und sein erster Minister, der ihm am nächsten stand...bis er sich mit neunzehn Jahren auf einem Jagdausflug eine schwere Knieverletzung zuzog, an der er schließlich starb.
Ihm war weder eine lange Wirkungszeit vergönnt, in der er womöglich eigene Werte und Leistungen hätte schaffen können, noch die Chance auf eine glückliche, mit überlebenden Kindern gesegnete Ehe.
Heute kann ich nur für ihn hoffen, dass man ihn in seinem neuen, voll klimatisierten und elektronisch überwachten Sarkophag aus Panzerglas, der im Nationalmuseum in Kairo thront, endlich ruhen lässt!